Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 469 Dom (1636)

Beschreibung

Grabplatte (oder Epitaph?) aus Sandstein für Christoff aus dem Winckel, an der südlichen Innenwand aufgestellt. Umlaufende Schriftzeile mit eingehauenem Sterbevermerk. Im reliefierten Binnenfeld ganzfigürliche Darstellung des Verstorbenen, eines langhaarigen, bärtigen Mannes, mit Wams, breitem Kragen, Pluderhose und Stiefeln bekleidet und einer Brustschärpe geschmückt. Seine linke Hand umfaßt den Schwertgriff, seine rechte ist auf die Brust gelegt. Die Figur umschließt eine Rundbogennische. Drei der vier in den Bogenzwickeln bzw. in den unteren Ecken des Binnenfeldes angebrachten Vollwappen vollständig abgeschlagen.

Ergänzungen nach Olearius.

Maße: H.: 198 cm; B.: 99 cm; Bu.: 4,5–5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. Anno 1581.a) Ist der WohlEdle, Gestreng vnd Vest Er / [..]ristoffb) aus dem [W]inckell, auff [W]e[tti]n vnd Brandes, Ertzstiff[- - -]c) Magdeburgischer Landd) / Rath alhir in Hall den 20 Maij des nac/hts zwischen 1 vnd 2 vh[r] [- - -] [Jah]re)

Wappen:
verloren verloren
Pflug1) verloren

Kommentar

Die Schriftausführung ist unregelmäßig. Die unteren Schaftenden der Gemeinen schließen mit spitz auslaufenden Dreiecken ab, die gelegentlich asymmetrisch ansetzen und wie Häkchen aussehen. Sie geben den Buchstaben eine charakteristische Form. Das zweistöckige z nimmt in der Regel den Mittel- und Oberlängenbereich der Schriftzeile ein.

Die Jahresangabe 1581 gibt ein Rätsel auf. Sie ist allem Anschein nach original überliefert, obwohl weder die original noch die kopial überlieferten Textteile in irgendeiner Weise darauf Bezug nehmen. Nach Mitteilung der Chronisten ist Christoff aus dem Winckel 55jährig2) im Jahr 1636 gestorben.3) Daraus ergibt sich, daß das Jahr auf dem Grabmal das Geburtsjahr ist. Die Identifizierung des bei Johann Gottfried Olearius überlieferten Inschriftenträgers mit der erhaltenen Platte ist unsicher, da der Kopist nichts über die Gestaltung des Grabmals sagt, das sich zudem auf der Südempore befunden haben könnte,4) und der von Olearius zitierte Text deutlich mehr Raum beansprucht, als auf dem vorliegenden Grabmal zur Verfügung gestanden hat.

Der Landrat präsidierte den Ständen eines erzstiftischen Kreises – in diesem Fall des Saalkreises – und hatte weitreichende, auch richterliche Befugnisse. Er gehörte außerdem dem Engeren Ausschuß, dem Exekutivorgan, der Ständeversammlung des Erzstifts Magdeburg an.5) Dieses Amt nahm die Familie aus dem Winckel bereits in dritter Generation wahr.6) Unter den Gütern Christoffs aus dem Winckel wird bei Dreyhaupt noch das in Oppin genannt. Die Identifizierung von Oppin im Saalekreis nahe Halle ist wegen der Namensgleichheit mit anderen Orten unsicher, während das Gut Wettin eindeutig mit der sogenannten Unterburg der Doppelburganlage Wettin an der Saale, die denen aus dem Winckel jahrhundertelang gehörte, gleichgesetzt werden kann. Brandes ist sicherlich Brandis bei Leipzig.7)

Textkritischer Apparat

  1. 1581.] 1636. Olearius.
  2. [..]ristoff] Wahrscheinlich Christoff.
  3. Ertzstiff[- - -] Ergänzung unklar; weitere Oberlängen erkennbar. Ertzstifft. Olearius.
  4. Land] Danach vielleicht ein Doppelpunkt als Trennungszeichen.
  5. [- - -] [Jah]r] sel. verschieden / liegt in dieser Dom=Kirch begraben / dem Gott gnade. Seines Alters im 55. Jahr. Olearius. Auf dem zerstörten Teil der Schriftzeile hätte dieser Text keinen Platz gefunden.

Anmerkungen

  1. Siebmacher II, 3, Taf. 47; ebd. II, 4, 2, Taf. 6; ebd. III, 2, Taf. 349; ebd. VI, 6, Taf. 79; ebd. VI, 11, Taf. 25; ebd. VI, 12, Taf. 52, 63.
  2. Olearius 1674, S. 163; vgl. Anm. e.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 220 („Geschlechts-Register derer aus dem Winckel“).
  4. Dieser Standort läßt sich aufgrund des Überlieferungskontextes vermuten. Olearius zitiert die Grabinschrift nach Erwähnung zweier auf der Südempore befindlicher Grabmäler, ohne den Standort präzise zu benennen; vgl. Olearius 1674, S. 163.
  5. Gringmuth 1934, S. 6 f., 98–104.
  6. Wie Anm. 3. Die Familie aus dem Winckel wird in der Aufzählung der landrätlichen Familien des Saalkreises bei Gringmuth 1934, S. 101 (Anm. 218) allerdings nicht erwähnt.
  7. Vgl. Ledebur 3, 1855, S. 1.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 5, o. S. (unvollständig).
  2. Olearius 1674, S. 163 (unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 469 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0046909.