Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 466† Stadtgottesacker 1636

Beschreibung

„Ein schön Epitaphium“ für Matthäus Müller und dessen Ehefrauen Anna Seifart und Anna Rauschenbach, ehemals in der Bogenkammer 58, heute verloren. „H(err)n Oberbornmeisters Matth(äus) Müllers und dessen ersten Haußfrauen sel(igen) Bildnüsse in Lebensgrösse in Stein gehauen, mit Farben ausgemahlt und andern Zierrath umbgeben.“1) Darüber eine Darstellung der Caritas, seitlich der Bildnisse die Abbildungen der Fides und Spes, jeder ein entsprechendes Bibelzitat zugeordnet (A–C). Um die Porträts der Verstorbenen herum ein Stiftervermerk mit Glaubensbekenntnis (D), eine Devise (E), ein Sterbevermerk für Anna Seifart mit Grabbezeugung und Bibelzitat (F) sowie zwei weitere Bibelzitate (G, H). Die genaue Anordnung der Inschriften und die Art der Schriftausführung nicht überliefert. „An beyden Thüren, darmit dis Epitaphium verwahret“,2) stehen ein Bibelzitat (I), ein Memento mori (J), eine Grabbezeugung für Matthäus Müller und seine beiden Gemahlinnen (K) sowie ein Literaturzitat (L) auf der einen, religiöse Spruchdichtung mit Grabbezeugungen für Anna Seifart und Anna Rauschenbach (M, N) auf der anderen Tür. Auch hier sind die Schriftformen und die Art der Ausführung nicht bekannt.

Nach Olearius.

  1. A

    1. Cor. 15. Nun aber bleibt etc.3)

  2. B

    Joh. 11. Wer an mich gläubet etc.4)

  3. C

    1. Cor. 15. Hoffen wir allein in diesem Leben auff CHristum etc.5)

  4. D

    Diese beyden Steine hat Anno 1636. der Herr Matthäus Müller Ober=Bornmeister im Thale allhier, seines Alters 61. Jahr zum Zeugnüß seiner und seiner hertzliebsten Hauß=Ehre frölichen Auferstehung am Jüngsten Tage zum ewigen Leben, setzen lassen.a)

  5. E

    Time DEUM (et)b) sperne mundum.6)

  6. F

    Anno 1636. den 3. May ist die Erbare und Ehrentugendsame Fr(au) Anna gebohrne Seifertin Herrn Matthes Müllers Oberbornmeisters im Thal geliebte HaußEhre in GOtt selig entschlaffen, derer Leib allhier ruhet, der Geist aber ist bey GOtt der ihn gegeben hat,a) Ecclesiast. c. 12.7)

  7. G

    CHristus ist mein Leben etc. Philipp. 1.8)

  8. H

    Ich liege und schlaffe etc. Psalm. 4.9)

  9. I

    Joh. 3. Also hat GOtt etc.10)

  10. J

    Mortis memoria vera Sapientia.11)

  11. K

    Hic tumulata jacet conjux mea prima, secundaadjacet, in medio contumulabor ego.

  12. L

    O homo, qvod tu es, ego fui, qvod ego nunc sum tu eris postea. Homo sum, (et)b) nil humani a me est alienum.12)

  13. M

    Allhier Frau Anna liegt, von Seifartschen Geblüthe /Des Herren Müllers Frau, von redlichen Gemüthe, /Der Tugend, Häußligkeit und Gottesfurcht ein Cron, /Dem Leibe nach, die Seel die ist im Himmels=Thron.a)

  14. N

    Von Rauschenbachschen Stamm Frau Anna, hier begraben, /In dieser Höhle liegt, mit vielen schönen Gaben, /Herr Müllers andre Frau, die Seele schon verspührt, /Daß Sie von Rauschen sey zu GOttes Hauß geführt.a)

Übersetzung:

E Fürchte Gotte und verachte die Welt.

J Das Gedenken an den Tod ist wahrhaftige Weisheit.

K Hier liegt meine erste Ehefrau begraben, die zweite wird hinzugelegt und in der Mitte werde ich beigesetzt werden .

L O Mensch, was du bist, war ich gewesen, was ich nun bin, wirst du später sein. Ich bin ein Mensch, und nichts Menschliches ist mir fremd.

Versmaß: Elegisches Distichon (K), acht Reimverse (M, N).

Kommentar

Die bei Olearius den Inschriften M und N voranstehende Nummerierung „1.“ bzw. „2.“ war vermutlich nicht Bestandteil der Inschrift. Eine Zusammenstellung der gleichen Bibelzitate (A–C) und Tugendallegorien findet sich bereits auf dem Epitaph des 1632 gestorbenen Michael Kraut d. Ä. (Nr. 452).

Matthäus Müller war vermutlich ein Sohn des 1598 verstorbenen Matthäus Müller und ein Bruder des 1615 verstorbenen Dr. Gregor Müller (s. Nr. 311, 382). Er wurde 1606 in den Rat und von 1610 bis 1616 dreimal zum Ratskämmerer gewählt. Seit 1615 gehörte Matthäus Müller dem Gemeindevorstand der Ulrichskirche an, zuerst als Achtmann und seit 1617 als Kirchvater. Von 1619 bis 1640 amtierte er achtmal als Oberbornmeister.13) Anna Seifart (1574–1636) wurde 1599 mit ihm verheiratet.14)

Textkritischer Apparat

  1. Schrägstriche bei Olearius wurden durch Kommata ersetzt.
  2. et] Olearius: et-Ligatur.

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 61.
  2. Ebd.
  3. Wahrscheinlich 1 Ko 13,13 („Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe.“).
  4. Jh 11,25.
  5. 1 Ko 15,19.
  6. Der einleitende Imperativ nach 1 Pt 2,17; vgl. Löbe 1883, S. 67, 146, 202, 210.
  7. Pr 12,7.
  8. Phl 1,21.
  9. Ps 4,9.
  10. Jh 3,16.
  11. Vgl. Wander 4, 1867, Sp. 1225 („Tod“, Nr. 2).
  12. Terenz, Heautontimorumenos 1, 1, 76.
  13. StAH H B 2, S. 105–108, 110; ebd., fol. 101r/v, 102v, 103r, 104r/v, 105v, 106r; Röber 1618a, S. 171, 174; Olearius 1667, S. 70; Dreyhaupt 1, 1749, Beylage A, S. 90.
  14. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 155 („B. Zweyte Continuation der Seyfartischen Geschlechts-Tabelle“). Über Anna Rauschenbach ist nichts bekannt.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 58).
  2. Olearius 1674, S. 61 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 466† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0046601.