Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 440† Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum 1606–1626

Beschreibung

„Reste von mehreren, in nebeneinander liegenden Streifen mit Rankenwerk und figürlichen Szenen bemalte(n) Bretterdecken“, bei Abbruch des Hauses Große Ulrichstraße 3 im Jahr 1906 aufgefunden und im sogenannten Denkmalskeller der Moritzburg eingelagert, spätestens seit Auflösung des Depots 1953 aber verschollen.1) Farbige Malerei, „mit breitem Pinsel in einfachen Leimfarben in starkem Orange, Grün, Rot und Schwarz auf weißem Grund ausgeführt“.2) Zwischen Blüten und Früchte tragenden Ranken humoristische Szenen: ein Fuchs, der auf einer Kanzel stehend den Gänsen predigt, ein auf Beinen wandelnder, saufender Bierhumpen, eine Bierkanne (?), die auf einer Lafette liegt und wie ein Geschütz abgefeuert wird, ein Mönch, der eine Nonne segnet, neben einem Mönch, der eine Frau mit einem Zaumzeug führt, ein Wildschwein, das dem Jäger mit einem Schwert zu Leibe geht, und schließlich ein Storch mit einem Wickelkind im Schnabel und einem Stab, an den eine Tafel mit gemalter Widmung gehängt ist. Die Schriftform nicht überliefert.

Nach Sauerlandt.

  1. Dem Ehrenreichen / H(errn) Dr. Laurentius / Hoffmann zu Ge=/fallen.

Kommentar

Die Figuren und Szenen illustrieren wahrscheinlich Sprichwörter, Fabeln und volkstümliche Lebensregeln. Indem sie den zwielichtigen Charakter des Fuchses3) und des Mönches4) aufdecken, warnen sie gleichnishaft vor Falschheit, Täuschung und Betrug. Ein Sinnspruch des 16. Jh. vermag das Bild des predigenden Fuchses zu erläutern: „wie dieser fuchs gelokt das klein fieh so lokt zur sünd mensch der teifel in dir“.5) Ein Spottbild auf den Jäger warnt vor Hochmut, Spottbilder gegen das Biertrinken mahnen zur Mäßigung.

Anlaß für die Ausmalung war vielleicht die Eheschließung des Dr. Laurentius Hoffmann im Jahr 1606, die sich natürlich mit jenem Wunsch verband, den ein Storch zu erfüllen vermag. Leider ist bislang nicht bekannt, wann Hoffmann das Haus erworben hat. 1576 wurde Georg Müller und 1597 seine Witwe damit belehnt. Zu deren Erben gehörte der Oberbornmeister Georg Drachstedt, der das Haus vor 1621, seinem Todesjahr, Laurentius Hoffmann übereignet haben wird.6) Nach dem Jahr 1626, als Hoffmann als kursächsischer Leibarzt nach Dresden berufen worden war,7) werden solche aufwendigen Deckenmalereien für ihn sicherlich nicht mehr ausgeführt worden sein.

Anmerkungen

  1. Zum Depot in der Moritzburg s. Einleitung, S. XXIX. Die inschriftlose Toreinfassung desselben Gebäudes ist heute im Salinemuseum eingelagert.
  2. Alle Zitate nach Sauerlandt 1914, o. S.
  3. Vgl. Wander 1, 1867, Sp. 1250 (Nr. 247, 250), 1252 (Nr. 291); Röhrich 2, 1995, S. 480.
  4. Vgl. Wander 3, 1867, Sp. 697–712.
  5. DI 21 (Kärnten 1), Nr. 295.
  6. StAH H C 39,1, fol. 207r. G. Drachstedt war Oberbornmeister zwischen 1605 und 1620; Dreyhaupt 1, 1749, Beylage A, S. 90; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 31 („Geschlechts-Register derer Drachstädte“).
  7. Zu L. Hoffmann s. Nr. 431.

Nachweise

  1. Sauerlandt 1914, o. S. (Abzeichnung).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 440† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0044007.