Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 328 Laurentiuskirche 1602

Beschreibung

Bruchstücke einer Glocke,1) die beim Brand der Kirche 1984 herabgestürzt und zersprungen ist, heute in der Kirche gelagert.2) An der Schulter zwei Stegpaare, eine Inschrift mit Funktionsbezeichnung als Glockenrede und Jahresangabe (A). Am Ende der Schriftzeile die Büsten von fünf (?), durch Attribute bezeichnete Apostel (H.: 3,7–4 cm): Petrus, Andreas, Johannes, Paulus und eine nicht identifizierbare Person. Unter der Schriftzeile ein Ornamentfries aus zwei alternierenden Formen (Akanthusblatt, Beschlagwerk) von 8 cm Höhe. Auf der Flanke, einander gegenüberliegend, ein fragmentierter Kruzifixus und eine Maria in der Mandorla (H.: 10,5 cm). Der mittlere der drei Stege auf dem Wolm breiter, höher und gestuft. Am äußeren Rand zwei Stege, die eine Funktionsbezeichnung, Namen von Magistraten, das Gußjahr und einen Gießervermerk einfassen (B). Sämtliche Inschriften erhaben.

Maße: D.: ca. 112 cm;3) Bu.: 2,5 cm (A), 1 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    ANNO · DOMINI · M · DC · II ·ICH · RVFF · DIE · LEVT · MIT · MEINEM · KLANG ·IN · DIE · KIRCH · ZVM · WORT · VND · GESANG

  2. B

    EX AERE CALDARIO AD CONVOCANDOS CIVES NOVOFORENSES EVSAa) EST HAEC CAMPANA ANNO CHRISTI M DC IIb) PASTORE TVNC M(AGISTRO) CHRISTIANO KITTELMANNO REMPVP(LICAM)c) GVBERNANTIBVS IOHANNE FELDIO SEBASTIA(N)Od) THAM[- - -] HIERONYMO KERSTEN [TE]MPLIe) AER(ARI)O PRAEFECTIS BARTHf) RVBELIO ZACARIA FELDIO ET DAVIDE MANSTET GEORG WOLGAST GOS MICH

Übersetzung:

B Diese Glocke wurde aus heißem Erz gegossen, um die Bürger des Neumarktes zusammenzurufen. Im Jahr Christi 1602 (zur Zeit) des damaligen Pfarrers Magister Christian Kittelmann, der Gemeindevorsteher Johannes Feld, Sebastian Tham (...), des Hieronymus Kersten (und) der Vorsteher der Kirchenkasse Barth(olomäus?) Rubel, Zacharias Feld und David Manstedt. (…)

Versmaß: Zwei Reimverse (A).

Kommentar

Die Buchstaben der Inschrift A zeigen Haar- und Schattenstriche, Bogenschwellungen sowie unregelmäßige, zumeist kleine Sporen. Die Schrägschäfte des K sind gebogen und setzen nebeneinander am Schaft an. Die Balken des Z sind gebogen bzw. geschwungen. Bei den kleineren Buchstaben der Inschrift B ist die Differenzierung von Haar- und Schattenstrichen kaum noch wahrnehmbar. Die Inschrift ist in Teilen nur sehr schwach erhaben und deshalb silbenweise schlecht oder gar nicht lesbar. Kürzungszeichen erscheinen nirgendwo.

Der Pfarrer Christian Kittelmann stand der Neumarktgemeinde 30 Jahre lang vor (s. Nr. 342). Über die übrigen Personen ist bislang wenig bekannt: Eine Familie Tham erscheint im Totenregister der innerstädtischen Marktkirche;4) das Grabmal David Manstedts ist an der Laurentiuskirche erhalten (Nr. 430). Der Glockengießer Georg Wolgast ist mit mehreren Werken in Halle bezeugt (s. Nr. 307, 313).

Textkritischer Apparat

  1. EVSA] Sic! Für FVSA. Lesung unsicher.
  2. II] Danach ein großes Spatium.
  3. REMPVPLICAM] Kein Kürzungszeichen.
  4. SEBASTIANO] Kein Kürzungszeichen; sinngemäß ergänzt.
  5. TEMPLI] Sinngemäß ergänzt.
  6. BARTH] Sic! Wahrscheinlich für BARTHOLOMAEVS.

Anmerkungen

  1. Gewicht 660 kg, Schlagton g; Grothe 2003, o. S.
  2. Einzelne der ursprünglich auf dem Kirchhof abgelegten Glockentrümmer wurden 2010 gestohlen.
  3. Da von der Glocke nur noch wenig mehr als die Schulter mit Krone und die unteren Teile mit Wolm und Schlagring erhalten sind, läßt sich ihre Höhe nicht mehr ausmessen.
  4. Vgl. Hünicken 15, 1939, S. 69.

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 266 (A unvollständig).
  2. Wagner 1927, S. 47 (A unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 328 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0032806.