Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 327(†) Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum 1602

Beschreibung

Vielteiliges Epitaph aus Marmor, Alabaster und anderem Gestein für Henning und Anna Hammel, ursprünglich „unfern von der Cantzel“1) an der Südwand des Chores der Ulrichskirche angebracht, anläßlich einer Instandsetzung 1885 oder 1886 entfernt und später im sogenannten Denkmalskeller der Moritzburg eingelagert.2) Als Unterhang ein „schwarzes, ovales Medaillon“ mit einer „goldenen Inschrift, die nur noch stellenweise zu lesen ist“: biographische Angaben, Sterbe- und Stiftervermerk mit Widmung. Beiderseits je zwei Konsolen mit Löwenköpfen, die Gebälkstücke mit je einer Wappenkartusche und ein weit ausladendes Gesims tragen. Über jeder Konsole ein Postament mit Säule, von einer Nische hinterfangen. Davor fünf kniende Figuren, drei Männer und zwei Frauen. In der Mitte ein rechteckiges Relief der Auferstehung Christi, „während rechts und links von den Gruppen länglich runde Medaillons mit Relieffüllungen ausgekragt sind und zwar links ‚die drei heiligen Frauen zum Grabe Christi gehend‘, rechts ‚die Erscheinung des Herrn den Jüngern zu Emaus‘. (...) Den Abschluss des Ganzen bildet ein sich über der Mitte erhebendes, kartuschenumrahmtes Medaillon, welches die Himmelfahrt Christi darstellt.“3) Einzelne Figuren, insbesondere die bei Dreyhaupt erwähnten „Tugendbilder“, nach Gustav Schönermark bereits am ursprünglichen Anbringungsort verloren;4) heute auch die Inschriftkartusche, sämtliche Architekturteile, einige der knienden Figuren und das Relief der Frauen am Grabe Christi verschwunden. Die Schriftform und die Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Dreyhaupt.

  1. D(OMI)N(O) HENNINGO HAMMELIO, Brunsvic(ensi)a) J(uris) C(onsulto) celeberrimo, IV Marchionum Brandenburg(ensium) D(ominorum) D(ominorum)b) Joann(is) Joann(is) Georg(ii) Joach(imi) Friderici Electoris, (et)c) Georgii Fridericid) Consil(iario) intimo, Prim(atis) (et)c) Archiep(iscopi) Magd(eburgensis) per annos 29 Senatori (et)c) in Sed(e) vacant(te) fere per quinquennium Cancellario fideliss(imo) nec non a Consil(iis) Ducum Pomeran(ium) D(omi)n(i) Joann(is) Frideric(i) suaeque Celsitudinis Fratrum ac Princ(ipum) Anhaltin(orum)e) D(omi)n(orum) D(omi)n(i) Joh(annis) Georg(ii) eiusque fratrum primario, (et)c) quondam in celeberrima Academia Lips(iense) Profess(ori) digniss(imo) ordinibusf) caro, pie (et)c) placide in Christo defuncto, d(ie) 14 Aug(usti) MDCII.g) (et)c) ANNAE D(omini) Thomae RIEBENI, Francof(urto)h) ad Oder(am) olim Viri Consularis, Filiae, Conjugi ejus priori A(nno) 1590. 23 Febr(uarii) mortuae, postquam cum hac vixisset Annos 19. m(enses) 9. cum altera vero MARGARETA Filia D(omi)n(i) Philippi DRACHSTAED(II)i) J(uris) V(triusqve) D(octoris) (et)c) Assess(oris) Scabin(atus) Hall(ensis) vidua Viri Clariss(imi) D(OMI)N(I) IOH(ANNIS) TRAUTENBUL, J(uris) V(triusqve) D(octoris) (et)c) ejusdem Archiep(iscopi) Magd(eburgensis) Cancellarii, A(nnos) XI. mens(es) 3. (et)j) priori superstites Filii Fridericus (et)c) Joachimus pietatis ergo monumentumk) hoc poni curarunt.

Übersetzung:

Dem Herrn Henning Hammel aus Braunschweig, einem weitberühmten Rechtsgelehrten, vier der Herren Markgrafen von Brandenburg, der Herren Johann, Johann Georg, Kurfürst Joachim Friedrich und Georg Friedrich, Geheimer Rat, über 29 Jahre des Primas und Erzbischofs von Magdeburg Hofrat und während der Sedisvakanz über ungefähr ein Jahrfünft treuester Kanzler und auch der Räte der pommerschen Herzöge, des Herrn Johann Friedrich und ihrer Erhabenheit, der Brüder und Herren Fürsten von Anhalt, des Herrn Johann Georg und dessen Brüder, einer der wichtigsten und ehemals an der weitberühmten Leipziger Universität würdigster, von den Fakultäten geschätzter Professor, der fromm und sanft am 14. Tag des August 1602 in Christus verstorben ist, und der Anna, der Tochter des Herrn Thomas Rieben, einst Ratsmann in Frankfurt an der Oder, seiner ersten Ehefrau, die im Jahr 1590, am 23. Februar verstarb, nachdem er mit dieser 19 Jahre und neun Monate (und) mit der zweiten (Ehefrau) Margareta, Tochter des Herrn Philipp Drachstedt, Doktors beider Rechte und Beisitzer des Schöffenstuhls zu Halle, und Witwe des hochberühmten Herrn Johann Trautenbuhl, Doktors beider Rechte und desselben Erzbischofs von Magdeburg Kanzler, 11 Jahre und drei Monate gelebt hatte, ließen die älteren hinterbliebenen Söhne Friedrich und Joachim, um der Ehrfurcht willen dieses Denkmal errichten.

Kommentar

Die Edition folgt Johann Christoph von Dreyhaupt, dessen Text sich von der älteren Überlieferung in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Die Fürsten, denen Henning Hammel diente, werden konsequent in den Genitiv gesetzt. Die Kopisten Gottfried Olearius und Johann Gottfried Olearius hingegen schreiben: D(OMI)N(O) HENNINGO HAMMELIO (...) IV. Marchionum Brandenburg(ensium) D(ominorum) D(ominibus) Ioann(i) Ioann(i) Georg(io) Ioach(imo) Friderico Electori, (et) Georgio Friderico Consil(iario) intimo, woraus sich eine im Deutschen schwer nachvollziehbare syntaktische Konstruktion ergäbe. Hier wurde die einfachere Satzkonstruktion als die vermutlich authentische Überlieferung bevorzugt.5)

Henning Hammel war 1535 in Braunschweig geboren und hat sich nach dem Besuch der Stadtschule von Hannover 1553 in Wittenberg immatrikulieren lassen. Nachdem er dort den Magistergrad erlangt hatte, schlug er eine akademische Laufbahn ein, die ihn 1559 nach Frankfurt (Oder) und 1564 nach Leipzig führte. In Frankfurt als Jurist promoviert, lehrte er bis 1569, als ihn Markgraf Johann von BrandenburgKüstrin (1535–1571) als Rat berief. Nach Johanns Tod diente er dessen Witwe, bis ihn der Administrator Joachim Friedrich 1573 als Geheimen Rat nach Halle holte. Bei dessen Rückkehr nach Berlin 1598 wurde Hammel als Kanzler mit der Verwaltung des Erzstifts betraut,6) solange der designierte Nachfolger in der Administratur, Christian Wilhelm, noch unmündig war. Während seiner Tätigkeit in Halle hatte er seine zweite Frau Margareta, die Witwe des Kanzlers Johannes Trautenbuhl (s. Nr. 250), kennengelernt und geehelicht. 1581 war Henning Hammel in den Adelsstand erhoben worden.7)

Auf dem Epitaph ist stolz vermerkt, daß Henning Hammel auch Kurfürst Johann Georg von Brandenburg (1571–1598) und dem Schwiegersohn Johanns von Brandenburg-Küstrin, Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach (1543–1603),8) sowie Fürst Johann Georg von Anhalt-Dessau (1586–1618), dessen Brüdern und Herzog Johann Friedrich von Pommern-Stettin (1569–1600) sowie dessen Brüdern gedient habe.9)

Der Unterhang, den ein „Todtenkopf mit Flügeln und Stundenglas“ nach unten beschloß, war wohl ähnlich dem des Stisser-Epitaphs gestaltet (Nr. 411). Das Epitaph für Henning Hammel stammt aus der Werkstatt des bedeutenden Leipziger Bildhauers Valentin Silbermann (gest. 1622),10) der im Todesjahr Hammels auch für die Moritzkirche in Halle tätig war (s. Nr. 331).

Textkritischer Apparat

  1. Brunsvicensi] Brunswic. Olearius 1667.
  2. Dominorum Dominorum] Dreyhaupt: D. D. D. D.
  3. et] Dreyhaupt: et-Ligatur.
  4. Friderici Electoris, et Georgii Friderici] Friderico Electori, (et) Georgio Friderico Olearius 1667, Olearius 1674.
  5. Anhaltinorum] Anhaldin. Olearius 1667.
  6. ordinibus] omnibus ordinibus Olearius 1667, Olearius 1674.
  7. MDCII.] A. 1602. Olearius 1667.
  8. Francofurto] Ergänzt nach Olearius 1667 und Olearius 1674; als Ablativus loci aufgelöst.
  9. DRACHSTAEDII] Auflösung nach Nr. 250; DRACHSTAD. Olearius 1667, Olearius 1674.
  10. et] Dreyhaupt: et-Ligatur. ex Olearius 1667, Olearius 1674.
  11. monumentum] monimentum Olearius 1667.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 344 f.
  2. Inv.-Nr. MO III 00164, 00168, 00170, 00448, 00455, 00456.
  3. Beschreibung und alle Zitate nach BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 202.
  4. Vgl. ebd.
  5. Vgl. das Formular von Nr. 361.
  6. Nicander 1602, S. 31–34; Dreyhaupt 2, 1750, S. 627 f.
  7. von Frank 2, 1970, S. 160.
  8. Vgl. Schwennicke NF I, 1, 1998, Taf. 130, 139.
  9. Vgl. zu Anhalt: Schwennicke NF I, 2, 1999, Taf. 188 f., 191, 193 f.; vgl. zu den Herzögen von Pommern: Wilberg 1987, S. 169 f.; Wegener 1969, Taf. 7.
  10. Schulze 2010, S. 266–269.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 5, o. S.
  2. Olearius 1667, S. 344 f.
  3. Olearius 1674, S. 171 f.
  4. Dreyhaupt 2, 1750, S. 627.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 327(†) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0032709.