Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 321 Rannische Straße 17 2. H. 16. Jh. (?)

Beschreibung

Platte aus Stein, in ca. 4 m Höhe in die Fassade des dreigeschossigen Hauses eingelassen. Im eingetieftem Schriftfeld zwei Kirchenväterzitate, in zwei Schriftblöcken übereinander eingehauen; teilweise verwittert, partiell restauriert.

Maße: H.: 35 cm; B.: 79 cm; Bu.: 3,5 cm (Schriftfeld).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    PAVLINVS / VBICVNQVE CHRISTVS ADEST NOBIS / ETIAM ARANEA MVRVS FIET AT CVM / CHRISTVS ABEST ETIAM MVRVS FIET / ARANEA1)

  2. B

    AVGVSTINVS / QVI PATREM DEVM ET FRATREM HABET / CHRISTVM NON TIMEAT IN DIE MALA2)

Übersetzung:

A Paulinus. Wo auch immer Christus bei uns ist, (da) wird sogar ein Spinnengewebe zur Mauer. Wenn aber Christus abwesend ist, (da) wird auch eine Mauer zu Spinnengewebe. B Augustinus. Wer Gott zum Vater und Christus zum Bruder hat, der muß sich an einem schlimmen Tag nicht fürchten.

Kommentar

Die Schriftausführung ist unregelmäßig, die Schriftblöcke sind zentriert. E weist einen kurzen, schräggeführten Mittelbalken auf, M einen bis zur Mittellinie reichenden Mittelteil und schräge Hasten. R ziert eine stark geschwungene, unter dem Bogen ansetzende Cauda. Auffällig ist ferner die annähernd kreisrunde Ausbildung der Bögen von C, G und Q und die schwache Ausprägung der Sporen. Die einzeln stehenden Worte sind zentriert.

Obwohl Inschrift A als Zitat des Paulinus von Nola (353–431) bezeichnet ist, steht die Vorlage der jüngeren Überlieferung des Beda Venerabilis (673–735) näher. Wegen ihrer allgemein gehaltenen Aussage sind die gleichnishaften Zitate der frühchristlichen Autoren Augustinus (354–430) und Paulinus sicherlich als humanistisches Bildungsgut anzusehen, das der frommen Erbauung dienen sollte. Ob der erste, 1580 bezeugte Hauseigentümer, der Ratsverwandte David Glöckner,3) der Urheber der Inschriften ist, steht dahin.

Anmerkungen

  1. Paulinus von Nola, Carmina 16, 147 f.; vgl. auch Beda Venerabilis, Beati Felicis Confessoris vita, col. 793.
  2. Augustinus, In Psalmum 48 enarratio, col. 549.
  3. Breitkopf 2007, S. 56.

Nachweise

  1. Knauth 1857, S. 634.
  2. Haussleiter 1961, S. 697 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 321 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0032107.