Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 311† Stadtgottesacker 1599

Beschreibung

Epitaph für Angehörige der Familie Müller, „oben an der Decke“ der Bogenkammer 58, heute verloren. „Ein höltzerne Taffel, drauf die Creutzigung und Auferstehung CHristi nebst unterschiedlichen Conterfait-Bildern gemahlet“1) sowie Bibelzitaten (A–E), Stiftervermerk (F) und mehreren Sterbevermerken nebst Segenswunsch (G). Die Schriftform der vermutlich aufgemalten Inschriften nicht bezeugt.

Nach Olearius.

  1. A

    Hiob. 19. Jch weis etc.2)

  2. B

    Joh. 3. Also hat GOtt etc.3)

  3. C

    Joh. 11. Jch bin die Auferstehung etc.4)

  4. D

    Joh. 14. Jch bin der Weg etc.5)

  5. E

    Joh. 5. Warlich warlich ich sage euch, wer mein Wort etc.a)6)

  6. F

    Anno 1599. haben des H(err)n Matthaei Müllers sel(igen) Erben dis Epitaphium ihrem lieben Vater und Grosvater zu Ehren und Gedächtnüß mahlen und verfertigen lassen.

  7. G

    Anno 1575. den 7. Sept(embris) ist der Erbare Herr Gregorius Müller der Elter, in GOtt selig entschlaffen. / Anno 1576. seynd dem H(err)n Matthaeo Müllern 2. Töchter gestorben, eine genannt Margareta, den 2. Aug(usti) zur Nacht umb 9. Uhr, die andere Ursulab) den 3. Aug(usti) Morgens um 4. Uhr. / Anno 1583. den 18. Febr(uarii) ist dem Herrn Matthäo Müllern wiederum eine Tochter gestorben Maria genannt, Morgens umb 9. Uhr. / Anno 1598. den 31. Julii ist dem H(err)n Matt(häo)c) Müller wiederum eine Tochter gestorben, auch Maria genannt, Morgens umb 8. Uhr. / Anno 1598 den 4. Octob(ris) ist der Erbare und Wohlgeachte Herr Matthäus Müller zur Nacht umb 10. Uhr in GOTT dem HErren sel(ig) entschlaffen. / In diesem obgedachten Jahr, den 1. Dec(embris) ist dem Herrn M(atthäo)c) M(üller) sel(igen) auch ein Sohn gestorben, Michael genannt, zur Nacht umb 7. Uhr. Unser Herr GOtt verleihe ihnen allen eine fröliche Auferstehung zum ewigen Leben, Amen!a)

Kommentar

Auf dem Epitaphgemälde der Familie des Matthäus Müller verschränkten sich Bildinhalte und Bibelzitate. Letztere umfaßten das für Grabmäler häufig gewählte Zitat aus Hiob 19,25–26 sowie vier kaum minder beliebte Zitate aus dem Johannes-Evangelium (3,16, 5,24, 11,25 und 14,6). Sie verkünden das göttliche Heilswirken in dem und durch den Opfertod Jesu, die heilsnotwendige Hinwendung zu Jesus und die dem Glauben entspringende Gewißheit der Auferstehung und des ewigen Lebens. Christi Kreuzestod und Auferstehung, die auf dem Epitaph abgebildet waren, visualisierten jene Ereignisse, die nach Luthers Bibelverständnis die evangelische Gewißheit der Rechtfertigung, Auferstehung und des ewigen Lebens begründen.7) Hiobs Glaube, daß er leiblich wiederauferstehen und Gott erblicken werde, nimmt die Heilsgewißheit des Neuen Testaments vorweg und spricht aus, was unter Auferstehung und Erlösung vorzustellen ist.

Der erste Verwandte, dessen die Stifter gedenken, ist ihr Großvater Gregor Müller d. Ä. Dieser trat 1548 in den Rat ein, wirkte aber 1550 und 1553 als Talschöppe und kehrte 1556 als Kämmerer in den Rat zurück, dem er bis 1565 in regelmäßigem Wechsel angehörte.8) In demselben Jahr wurde er zum Achtmann und ein Jahr später zum Kirchvater der Ulrichskirche gewählt;9) 1568 hat er eine Bogenkammer auf dem Stadtgottesacker bauen lassen (Anhang 1, Nr. 58). Sein Sohn Matthäus war 1576, 1585 und 1587 Talschöppe.10)

Textkritischer Apparat

  1. Schrägstriche bei Olearius wurden hier durch Kommata ersetzt.
  2. Ursula] Danach vielleicht ein Komma.
  3. Matthäo] Ergänzt nach Schreibung im dritten Sterbevermerk.

Anmerkungen

  1. Alle Zitate nach Olearius 1674, S. 59.
  2. Hi 19,25.
  3. Jh 3,16.
  4. Jh 11,25.
  5. Jh 14,6.
  6. Jh 5,24.
  7. Vgl. Einleitung, S. XLI–XLIII.
  8. StAH H B 2, S. 76 f., 80 f., 83 f.; ebd., fol. 83v, 84v.
  9. Röber 1618a, S. 170, 172; Hünicken 14, 1938, S. 293.
  10. StAH H B 2, fol. 90r, 92v, 93r.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 58: A–E, G).
  2. Olearius 1674, S. 59 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 311† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0031101.