Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 204† Ulrichskirche 1573

Beschreibung

Orgelprospekt mit zwei „Bildnissen“, Bildbeischriften (A) und einem Bibelzitat (B), „mit güldenen Buchstaben angemahlet“.1) Die Orgel 1663 an die Westseite versetzt und 1673–1675 tiefgreifend umgebaut.2) Die Schriftform nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    Esaias Beck Orgelmacher 1573. Michel Treuding pictor

  2. B

    David autem (et)a) omnis Israel ludebant coram Domino omnib(us) lignis fabrefactis (et)a) cytharis (et)a) lyris (et)a) tympanis (et)a) sistris (et)a) cymbalis 2. Sam. 6. Psalm. 150. / Omnis Spiritus laudet Dominum.3)

Übersetzung:

B David aber und ganz Israel spielten vor dem Herrn mit allen aus Holz gemachten Instrumenten, sowohl Zithern und Lauten als auch Pauken und Schellen und Zymbeln. 2 Samuel 6. Psalm 150. Aller Odem möge den Herrn loben.

Kommentar

Die Wendung omnibus lignis fabrefactis ist sicherlich ein Synonym für alle aus Holz gefertigten Musikinstrumente wie die genannten Zithern und Lauten, aber auch für die nicht erwähnten Holzblasinstrumente. Luther übersetzt in diesem Sinn: „(...) spielete Dauid vnd das gantze Haus Jsrael fur dem HERRN her mit allerley Seitenspiel von tennen holtz, mit Harffen vnd Psaltern vnd Paucken vnd Schellen vnd Cimbaln.“ Die Musiker begleiteten den Zug mit der Bundeslade auf dem Weg nach Jerusalem, spielten also zur Ehre Gottes (vgl. 2 Sm 6). Wegen der Aufzählung diverser Musikinstrumente für das Gotteslob erfreute sich der 150. Psalm, das Alleluia, in dem gegebenen Zusammenhang offenbar gewisser Beliebtheit, da er auch in einer Inschrift an der Orgel der Marktkirche von 1588 zitiert wird (Nr. 255).

Inschrift A könnte als Beischrift und Künstlersignatur ein und desselben Porträts verstanden werden, wenn nicht ausdrücklich von „Bildnissen“ die Rede wäre. Sie zeigten außer dem Orgelbauer Esaias Beck wahrscheinlich auch den Maler Michel Treuding, der vermutlich den Orgelprospekt bemalt und die namentlich bezeichneten Porträts beider Meister geschaffen hatte. Der hallische Orgelbauer Esaias Beck (gestorben 1587) schuf auch Orgeln für die Moritz- (1569) und die Marktkirche (s. Nr. 255) und war zwischen 1573 und 1581 zudem für die sächsischen Städte Altenburg, Großenhain und Leipzig tätig.4) Die von Beck 1568 für den Naumburger Dom gefertigte (1789 abgerissene) Orgel besaß ebenfalls bemalte Flügel.5)

Der Maler Michel Treuding stammte aus Pulsnitz (Sachsen) und erwarb 1570 das Bürgerrecht von Leipzig. 1586 siedelte er nach Dresden über und wurde daraufhin an vielen künstlerischen Projekten des kursächsischen Hofes beteiligt, wie z. B. an Schloß und kurfürstlichem Stallgebäude in Dresden und an der Fürstengruft in Freiberg. 1605 ist er gestorben.6)

Zwischen 1665 und 1675 wurde im Zuge einer großen Umgestaltung der Ulrichskirche eine Glockenstube auf dem Dach errichtet, die bis dahin unvollendete Einwölbung der Kirche in Holz abgeschlossen sowie Emporen und eine neue Orgel aus der Werkstatt Christian Förners eingebaut.7)

Textkritischer Apparat

  1. et] Bei Olearius: et-Ligatur.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 294.
  2. Mund 1908, S. 9.
  3. 2 Sm 6,5; PsG 150,6.
  4. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1084 (Moritzkirche Halle); Dähnert 1980, S. 25, 139 f., 180, 300.
  5. DI 6 (Stadt Naumburg 1), Nr. 94. Das älteste bekannte Werk des Esaias Beck, das er 1564/65 für die Pfarrkirche von Löbejün (nördlich von Halle) schuf, wurde von 1588 bis 1591 durch ein Instrument seines Neffen David Beck ersetzt, dessen figürlich bemalte Abdeckflügel noch erhalten sind; Stüven 1964, S. 32–34, Taf. I f.
  6. Thieme/Becker 33, 1939, S. 386 f. (E. Sigismund); siehe auch Dehio 1996, S. 151 (Dresden, Schloß, Langer Gang); Dehio 1998, S. 806 (Plauen, Altarretabel).
  7. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 171, 174–179, 183 f.; Dehio 1999, S. 267 f.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 294.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 204† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0020401.