Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 130 Dom 1530, 1606 (?)

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Grabplatte aus Sandstein (?) für den Propst Stefan Greisel an der Westwand des Nordseitenschiffs aufgestellt. Reliefplatte mit umlaufender erhöhter Schriftzeile und ganzfigürlicher Darstellung eines Geistlichen im Binnenfeld. Dieser mit Alba, Dalmatik und Kasel, einer Almutie mit großem Pelzkragen und Mitra bekleidet. Über dem linken Arm ein Manipel, in den Händen ein Kelch. Die Dalmatik durch geritzte Muster und die Mitra durch ausgehauene Applikationen reich verziert. Die Figur mit einem auf Blattkonsolen ansetzenden, mit zoomorpher Dekoration verzierten Bogen überfangen. In den Bogenzwickeln Blüten und Blätter. Auf der breiten Schriftzeile (B.: 16,3–17,2 cm) ein erheblich schmalerer Schriftzug mit Sterbevermerk und Fürbitte eingehauen (A), an den Ecken unterbrochen von Wappen. An Kasel und Almutie, auf dem Rand der Platte und am Kelch mehrere Ritzinschriften aus Initialen (B, C), einmal mit Jahreszahl (D).

Maße: H.: 185,5 cm; B.: 106 cm; Bu.: 7–8 cm (A), 1,5–3 cm (B–D).

Schriftart(en): Kapitalis mit frühhumanistischen Elementen.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    ANNO · D(OMI)NI · 1530a) · DIE · 12 · // FEBRVARII · OBIITb) · SPECT(ABI)L(IS) · ET · I(N)TEGE(R)RI(MVS) · D(OMI)N(V)S · MAGISTER · // STEFFANVS · GREISEL · EX · // POTENSTEIN · H(VIVS) · ECCL(ESI)Ec) · PREPO(SI)T(VS)d) · SECV(N)D(VS) · C(VIVS) · A(N)I(M)A · R(E)Q(VI)ESC(A)Te) · I(N) · PACE ·

  2. B

    M / · I · H · / A W

  3. C

    A // A

  4. D

    A//Bf) / 16(0)6g)

Übersetzung:

A Im Jahr des Herrn 1530, am 12. Tag des Februar starb der hochachtbare und untadeligste Herr, Magister Stefan Greisel aus Bodenstein, zweiter Propst dieser Kirche, dessen Seele in Frieden ruhen möge.

Wappen:
Neues Stift1)Greisel2)
GreiselNeues Stift

Kommentar

Die Buchstaben von A sind von gleichmäßiger Strichstärke bei unregelmäßiger Ausführung der Buchstabenformen. Die Bögen von D und G sind fast halbrund, das O dagegen ist mandelförmig. Der untere Balken des E hat mitunter ein stachelartig aufwärts gebogenes Ende. Das M weist einen bis zur Grundlinie abgesenkten Mittelteil und schräge Hasten auf. Das R ziert eine weit ausgestellte, steil herabschwingende Cauda; X besteht aus geschwungenen Schäften. Geritzte Hilfslinien sind allenthalben noch erkennbar. Die kleinen dreieckigen Sporen sind z. T. gekerbt; einige Buchstaben haben strichförmige Sporen. Als Worttrenner stehen fast durchweg Quadrangel mit Zierhäkchen am oberen und unteren Ende. Es wurde eine Vielzahl üblicher Kürzungszeichen verwendet. Einzelne Bögen sind verstärkt. Sämtliche A-Buchstaben der Inschriften B bis D haben gebrochene Balken.

Entwurf und technische Ausführung der mutmaßlichen Grabplatte sind erst-, die künstlerische Qualität ist drittklassig. Der Zeitpunkt der Entstehung der Inschriften B und C ist unbekannt, liegt aber sicherlich vor 1650.

Stefan Greisel studierte ab 1501 in Leipzig und erlangte hier 1509 den Grad eines Magisters. Von 1528 bis zu seinem Tod amtierte er als zweiter Propst des 1520 gegründeten Neuen Stifts.3)

Textkritischer Apparat

  1. 1530] Die 0 von kleinerem Schriftgrad und hochgestellt.
  2. FEBRVARII OBIIT] Das jeweils zweite I mit kurzer Unterlänge.
  3. ECCLESIE] Unter dem unteren Balken des letzten E befindet sich ein Zeichen in Form eines liegenden V, dessen Bedeutung unklar ist.
  4. PREPOSITVS] Das O ist in den Bogen des P eingestellt.
  5. REQVIESCAT] Die Cauda des Q setzt links der Mittelachse an und ist nach unten durchgebogen.
  6. AB] Zwischen beiden Buchstaben ein abstraktes Zeichen eingeritzt.
  7. 1606] Ergänzung unsicher; kein Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Siebmacher I, 5, 2, S. 109, Taf. 139.
  2. Linksgewendeter Vierkopfschaft mit gekreuztem Balken und hinterer gekreuzter Fußstrebe.
  3. Scholz 1998, S. 350. Sein Heimatort ist nicht verifizierbar (Bodenstein bei Goslar oder im Eichsfeld, Pottenstein bei Bayreuth?).

Nachweise

  1. Denkmäler 7, 1908, Taf. 7 (Abb.).
Addenda & Corrigenda (Stand: 28. Oktober 2015):

    1. A

      ANNO [---] H(VIVS) · ECCL(ESIA)Ec) [---]

  • (Kürzung d.Red.)

    Textkritischer Apparat

    1. ECCLESIAE] Als letzter Buchstabe steht ein E-caudata.

    Zitierhinweis:
    DI 85, Halle/Saale, Nr. 130 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0013006.