Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 113 Beesen, Elisabethkirche 1522

Beschreibung

Kanzelaltar mit Predella (Gemälde des Abendmahls), darin Teile eines spätgotischen, geschnitzten und gefaßten Altarretabels integriert. Zwischen der erwähnten Predella und dem Kanzelkorb die Predella des Schnitzaltars mit den Halbfiguren der Hll. Margareta, Anna Selbdritt, Valentin und Barbara. An der unteren Rahmenleiste der Predella ein Herstellungsvermerk mit Datierung in Konturschrift trassiert; die Buchstabenfläche golden gefaßt (A). Zu Seiten des barocken Kanzelkorbes die Altarflügel mit je zwei Schnitzfiguren eines hl. Ritters sowie der Hll. Katharina, Martin und Dorothea sowie Rankenschleiern. Auf Höhe des Schalldeckels zwei Teile des Mittelschreins mit je einer Schnitzfigur eines hl. Bischofs und der Maria mit Kind.1) An der Vorderseite des Retabels die Originalfassung restauriert, an der Rückseite die nachmittelalterliche Übermalung belassen. Auf den Flügelaußenseiten wahrscheinlich die Verkündigung Mariae; auf dem linken Flügel ein gemaltes Schriftband (H.: 3,5–4 cm) mit der Inschrift B teilweise freigelegt.

Maße: H.: ca. 238 cm; B.: ca. 308 cm; Bu.: 5,5 cm (A), 3 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (B).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    · anno · domini · M°a) · ccccc° · xxij°b) · jare · istc) · dyd) · taffele) · gem(acht) ·

  2. B

    [- - -] [...]VMf) ·

Kommentar

Die Buchstaben beschränken sich auf den Mittellängenbereich und haben keine Ober- und Unterlängen ausgebildet. Der obere Bogen des g ist allem Anschein nach sehr klein gehalten, um dem unteren Bogen im Mittellängenbereich Platz zu bieten. Das als Buchstabe zu lesende Minuskel-i hat (fast durchgängig) einen sichelförmigen Punkt, das römische Zahlzeichen i hingegen keinen. Die Worttrenner in A sind als Rauten gebildet; in B steht ein Quadrangel.

Das qualitätvolle Altarwerk wird demselben Bildschnitzer zugeschrieben, der ein auf 1519 datiertes Altarretabel für das sächsische Knauthain und vielleicht auch eines für die Annenkirche in Eisleben (am Harz) geschaffen hat.2) Der Sitz seiner Werkstatt war sicherlich Leipzig3) und nicht Halle, wie schon gemutmaßt wurde.4) Gustav Schönermark schreibt irrtümlich, das Altarretabel sei auf 1519 datiert.5)

Die Kanzel ist um 1725/30 vermutlich nicht für diese Aufstellung gefertigt worden und mußte 1745 wie das Retabel dem neuen Aufbau angepaßt werden.6) Der Einbau eines vorreformatorischen Altarretabels in einen protestantischen Kanzelaltar des späten 17. bzw. des 18. Jh. ist keineswegs ungewöhnlich.7)

Textkritischer Apparat

  1. Mo] Der erste Schaft geschwellt und geschwungen.
  2. xxijo] Der letzte Buchstabe eine i-longa mit einem nach rechts eingerollten unteren Ende.
  3. ist] Die oberen Schaftenden von Schaft- s und t berühren einander.
  4. dy] Die Vokale des Artikels zu einem y zusammengezogen; über dessen linkem Schaft ein i-Punkt; vgl. Kommentar.
  5. taffel] Die beiden f berühren einander.
  6. [...]VM] Vermutlich das TECVM des Englischen Grußes; vgl. Lc 1,28.

Anmerkungen

  1. Mindestens eine Figur des Mittelschreins fehlt.
  2. Hentschel 1926, S. 44; Gerstenberg 1932, S. 21–23 (mit Kritik an Hentschel und Eingrenzung des Œuvres).
  3. Hentschel 1926, S. 20, 44; Katalog Merseburg 2004, S. 167–169 (Nr. III. 39; Markus Hörsch).
  4. Katalog Berlin 1983, S. 82 f. (Nr. B 9, 10; Edith Fründt).
  5. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 448.
  6. Reinicke 2006, S. 41–43. Die Datierung der Kanzel nicht eindeutig; vgl. ebd., S. 41 und 44. Bei Dehio 1999, S. 302 hingegen 1725.
  7. Vgl. Mai 1969, S. 271 (Nr. 70: Moderwitz, Thüringen), 273 (Nr. 79: Schneidlingen, Sachsen-Anhalt) und Abb. 148 (Alterode, Sachsen-Anhalt).

Nachweise

  1. Katalog Merseburg 2004, S. 169 (Nr. III. 39; Markus Hörsch: A).
  2. Reinicke 2006, S. 42 (A unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 113 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0011305.