Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 38 St. Jacobi 1356, 1368, 1579, 1583–1603
Beschreibung
Grabplatte für den Bürgermeister Everhard Letzenitz und seine Ehefrau Trude Pape (A), für Nikolaus Brunnemann und seine Ehefrau Margarete (B) sowie für Joachim Brunnemann (D). Kalkstein. Die hochrechteckige Platte wurde im zweiten Joch des nördlichen Seitenschiffs an der Außenwand aufgestellt.1) Außen umlaufend Inschrift A1 für Everhard Letzenitz und an der linken Langseite anschließend A2 für Trude Pape, in den Ecken Medaillons mit den Evangelistensymbolen. Schriftverlust im oberen Bereich der Langseiten durch die später hinzugefügte Inschrift D. Das Innenfeld wird von lebensgroßen, stark abgetretenen Ritzzeichnungen der Verstorbenen unter einer kaum noch sichtbaren Bogenarchitektur, die auf seitlichen Konsolen und einer Mittelsäule ruht, ausgefüllt. An den Personen sind nur noch wenige Details erkennbar. Die männliche Figur links in einem knöchellangen Gewand. Die weibliche rechts trägt über dem Kleid einen mit Hermelin gefütterten Mantel sowie eine Kopfbedeckung. Beider Hände sind vor der Brust zum Gebet gefaltet. In Höhe der Hüften zwei gelehnte Wappenschilde. Inschrift B für Nikolaus und Margarete Brunnemann wurde oberhalb der Köpfe ohne Beeinträchtigung der Figuren hinzugefügt. Die darunter angebrachte Inschrift D für Joachim Brunnemann hingegen läuft quer über die Gesichter und ragt zudem an den Seiten in die Schriftbänder von Inschrift A hinein. Darunter ein zugehöriger Schild mit einer Hausmarke (H9).2) An der oberen Schmalseite des Innenfeldes reicht Inschrift C seitlich bis in die beiden Eckmedaillons von A. Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile, B, C und D erhaben in vertieftem Feld, die Datumsangaben von B eingehauen.
Maße: H. 261 cm, Br. 160 cm. Bu. 9 cm (A), 3–5,5 cm (B), 5 cm (C, D).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A), Kapitalis mit Versalien (B, D), Mischschrift aus gotischer Minuskel und Fraktur mit Kapitalis (C).
- A1
Anno ˑ d(omi)ni ˑ M ˑ ccc ˑ lvi ˑ i(n) ˑ die / vndecim ˑ mil[iu(m)] ˑ virginu(m) ˑ o(biit) ˑ euerhardus ˑ de ˑ lecenisze ˑ / p(ro)(con)sul ˑ q(u)onda(m) i(n) ˑ grypeswald
- A2
Anno ˑ do(min)i ˑ M° ˑ ccc° ˑ lxviii° a(n)te ˑ iacobi ap(osto)lia) ˑ trůd[e v]xor ˑ ei(us) ˑ orate ˑ p(ro) eb)
- B
HIR ROVWET IN CHRISTOc) IHESV GOTSELIGE / ENTSLAPE(N) NICLAS BRVNNEMAN VND / SINE EHELIGHE HVSFROWE MARGARETAd) / LANDES BEGRAVEN/ ANNO 1565 NOV(EM)B(RIS) 7 / ANNO 1579 OCTOB(RIS) 27
- C
Jck bin de vpstanding vnde dat levendt wol an mi gelovet de / wert leve(n) wen he ock rede Storve IOHANNES AM 113)
- D
SEPVLCHR(VM) HAEREDITARIVM IOCHIMI BRVNNEMAN / ORDINIS SENATORII
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1356 am Tag der Elftausend Jungfrauen (21. Oktober) starb Everhard von Letzenitz, einst Bürgermeister in Greifswald. (A1)
Im Jahr des Herrn 1368 (am Tag) vor dem Fest des Apostels Jakobus (24. Juli) (starb) Trude, seine Ehefrau. Betet für sie. (A2)
Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stürbe. (C)
Erbbegräbnis des Joachim Brunnemann vom Ratsherrenstand. (D)
Brunnemann |
Letzenitz |
Textkritischer Apparat
- Dem üblichen Formular gemäß fehlt vor iacobi ap(osto)li das Wort diem, danach obiit.
- e] Die Inschrift bricht wegen Platzmangel am Zeilenende ab, vollständiges Wort wäre eis oder ea.
- I und S verschränkt.
- E unter den Deckbalken des T gestellt.
Anmerkungen
- Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Jacobi, Nr. 3.
- Pyl vermutet, dass dieses Wappen zu Inschrift C gehört.
- Jh. 11,25.
- Die Grabplatte für Lambert Letzenitz und Sophia befand sich ursprünglich ebenfalls in der Jacobikirche, heute liegt sie in mehreren Fragmenten in der Marienkirche, siehe Kat.-Nr. 9.
- Kirchner, Letzenitzen, S. 137f.; Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 648f.; Pyl, Genealogien 2, S. 393; Pyl, Genealogien 4, S. 80 (Nr. 115).
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 654, 934.
- Pyl, Genealogien 5, S. 373. Pyl will LANDES zu ‚landesüblich‘ ergänzt wissen.
- Zu seiner Person sowie zur Datierung der beiden Inschriften siehe dort.
Nachweise
- Kirchner, Letzenitzen, S. 137 (A).
- Kirchner, Pommersche Inschriften, S. 157 (C).
- Pyl, Genealogien 2, Abb. vor S. 393.
- Haselberg, Kreis Greifswald, S. 90 (A).
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 649 (A, C), 655 (B, D) .
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 38 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0003804.
Kommentar
Inschrift A1 stellt einen der ältesten Belege für die gotische Minuskel in Greifswald dar. Einige markante Unterschiede zu Inschrift A2 zeigen, dass diese später angebracht wurde. Bei Inschrift A1 enden die Schäfte von i, n und m unten stumpf. Während die linken Schäfte von u in euerhardus an beiden Enden gebrochen sind, enden die rechten oben stumpf. Die l reichen nicht in den Oberlängenbereich hinein, die oberen Schaftenden sind gespalten. In der enger spationierten Inschrift A2 dagegen weisen die l stumpf endende Oberlängen auf. Die n in Anno sind an beiden Enden gebrochen, ebenso die i in domini und eius. Die i in lxviii und apostoli schließen unten, das u in trude oben stumpf ab.
Everhard Letzenitz (A1) war der Sohn des Bürgermeisters Lambert Letzenitz († 1320) und der Sophia.4) Seine Ehefrau Trude Pape (A2) war die Tochter des Ratsherrn Hinrich Pape († 1300). Everhard folgte 1327 seinem verstorbenen Bruder Johannes (Kat.-Nr. 10) als Ratsherr. Mit dessen Kindern und seiner Mutter Sophia bewohnte seine Familie das väterliche Anwesen bei der Jacobikirche. 1337/38 erwarb er das Gut Neuendorf bei Loitz (Ldkr. Vorpommern-Greifswald), 1341 wurde er Bürgermeister in Greifswald.5)
Nikolaus Brunnemann war seit 1551 Provisor der Jacobikirche (B).6) Nach Pyl war der Nachname seiner Ehefrau Margarete nicht Landes, wie man aus der Inschrift schließen könnte, sondern Schweder oder Schröder.7) Dass das Bibelzitat C zusammen mit Inschrift B angebracht wurde, ergibt sich aus der Übereinstimmung mit der Kapitalis am Ende des Zitats – rechteckiges M, die Haarstriche der Buchstaben rechts von den Schattenstrichen, beides im Unterschied zu Inschrift D. Nikolaus’ Sohn, der spätere Bürgermeister Joachim Brunnemann († 1603), erbte später die Grabstelle. Er besaß eine weitere Grabplatte in St. Jacobi mit der gleichen Inschrift (Kat.-Nr. 127).8)