Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 211 Kalkum, St. Lambertus 1653

Beschreibung

Glocke des Gießers Petrus Hemony. Bronze; Gewicht 570 kg, Schlagton as’-7.1) Glocke mit Widmung, Stifterinschrift und Datum (A) sowie einer Funktionsbezeichnung in Form einer Bibelparaphrase (B). Flache Haube mit vier Stegen. An der kleineren2) der beiden 1653 für die Kalkumer Kirche gegossenen Glocken verläuft unterhalb eines Frieses mit Puttenfiguren, Laubranken, Blüten und Beeren Inschrift A umlaufend am Hals zwischen Stegen; darunter umlaufend Inschrift B, ebenfalls zwischen Stegen; unterhalb von B ein hängender Fries mit geflügelten Engelsköpfen und Weinlaubranken. Die Inschriftenzeilen werden untereinander und von den Zierfriesen durch dickere Stege abgegrenzt. Am Wolm sieben und am Schlagring vier Stege unterschiedlicher Stärke. Krone mit sechs glatten Bügeln. Die Glocke befand sich Ende 1955 in einem sehr gefährdeten Zustand und wurde 1956 gesichert.3)

Maße: Dm. 99,5 cm; Bu. 2,3 cm (A), 2 cm (B). 4)

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    + DEO OPT(IMO)a) MAX(IMO)b) S(ANCTO)b) IOANNI BAPTISTAE, BENEFACTORES HVIVS ECCLESIAE F(IERI)b) F(ECE)RVNTc) A(NN)Od) 1653

  2. B

    EGO VOX CLAMANTIS IN CALCHVM DIRIGITE VIAM DOMINI.5)

Übersetzung:

Dem besten, höchsten Gott (und) dem heiligen Johannes dem Täufer haben die Wohltäter dieser Kirche (diese Glocke) machen lassen im Jahr 1653. (A)

Ich (bin) die Stimme eines laut Rufenden in Kalkum: Bereitet den Weg des Herrn. (B)

Kommentar

Den Beginn der Inschrift markiert ein griechisches Kreuz. Die Wörter sind, vor allem in Inschrift B, teilweise durch weite Spatien getrennt. Dieser Umstand ist dem Bemühen geschuldet, den Text gleichmäßig um den gesamten Hals der Glocke zu verteilen. Der Anspruch der Regelmäßigkeit spiegelt sich auch in der sorgfältigen Anordnung der Buchstaben innerhalb der einzelnen Wörter. Die Buchstabenformen zeigen ausgeprägte Linksschrägenverstärkungen und Bogenschwellungen. Die Enden der oberen Balken bei E und F sind scharf linksschräg abgeschnitten; I ist mit einem Nodus an der Schaftmitte ausgeführt.

Die hier verwendete Widmung DEO OPT(IMO) MAX(IMO), die in der Antike zum epigraphischen Formelgut gehörte, wurde seit dem 15. Jahrhundert und insbesondere seit dem 16. Jahrhundert unter humanistischem Einfluss von den Verfassern von Inschriften rezipiert.6)

Das Formular von Inschrift A wurde auch für den Glockenspruch der zweiten für Kalkum gegossenen, heute nicht erhaltenen Glocke (Nr. 212) aus dem Jahr 1653 verwendet. Ebenso folgt darauf eine Bibelparaphrase. Darüber hinaus findet sich auf der größeren Glocke zusätzlich die Meisterinschrift des Gießers Petrus Hemony. Die Parallelen im Formular der Inschriften auf beiden Glocken sowie die auf der vorliegenden Glocke verwendeten Zierfriese, die auf weiteren Glocken der Gebrüder Hemony nachgewiesen werden können,7) belegen, dass Petrus Hemony auch diese kleinere Kalkumer Glocke gegossen hat.8) Ob er die Glocke tatsächlich gemeinsam mit seinem Bruder Franz hergestellt hat, wie in der Literatur mehrfach angegeben9), lässt sich nicht nachweisen. Vermutlich wurde die Meisterinschrift auf der kleineren Glocke nicht ausgeführt, weil der Platz nicht ausgereicht hätte. Vgl. zu weiteren Angaben über die Gebrüder Hemony Nr. 179.

Die Frage nach der Identität der BENEFACTORES lässt sich nicht klären. Sehr gut möglich erscheint allerdings, dass auch diese Glocke so wie die zweite Glocke von 1653 durch die Familie von Winkelhausen gestiftet wurde, die in jenem Jahr durch ein Privileg Kaiser Ferdinands III. in den Freiherrenstand erhoben worden ist.10)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch zwei übereinander stehende Quadrangel und einen zusätzlichen geschwungenen, waagerechten Strich über den Buchstaben.
  2. Kürzung durch zwei übereinander stehende Quadrangel.
  3. Endsilbe RVNT kleiner ausgeführt und hochgestellt. Kürzung durch zwei übereinander stehende Quadrangel und einen zusätzlichen geschwungenen, waagerechten Strich über R.
  4. Kürzung durch hochgestelltes O.

Anmerkungen

  1. Glocken und Geläute, S. 317; https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 179 (Zugriff: 03.05.2020).
  2. So PfA St. Lambertus Düsseldorf-Kalkum, Nr. 684, foll. 313 u. 331; ebd., Nr. 513, ohne Paginierung.
  3. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Kalkum, Nr. 582 (Gutachten von J. Schaeben vom 21. Dezember 1955); Schaeben, Denkmalglocken, S. 95, Nr. 108.
  4. Die Höhe der Glocke konnte nicht gemessen werden. Zu weiteren technischen Daten vgl. Glocken und Geläute, S. 317; https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 179 (Zugriff: 03.05.2020).
  5. Nach Io 1,23: „Ait ego vox clamantis in deserto dirigite viam Domini sicut dixit Esaias propheta“.
  6. Iiro Kajanto, Classical and Christian. Studies in the Latin Epitaphs of Medieval and Renaissance Rome (Annales Academiae Scientiarum Fennicae, Ser. B, Bd. 203), Helsinki 1980, S. 24ff.
  7. Zu den Friesen Lehr, Klokkengieters, Abb. zwischen S. 16 u. 17. Einer der beiden Friese wurde auch auf der 1643 für St. Andreas gegossenen Glocke (Nr. 187) verwendet.
  8. Die Übereinstimmungen bei der Ausführung der Inschriften auf den beiden Glocken von 1653 zeigt auch ihre Wiedergabe mit identischen Abkürzungen und Hochstellungen bei v. Trostorff, Beiträge, Bd. 2, S. 16.
  9. So Dresen, Glocken, S. 13; PfA St. Lambertus Düsseldorf-Kalkum, Nr. 582 (Gutachten von Schaeben vom 21. Dezember 1955); HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1582, foll. 2–3 (Gutachten von Schaeben aus dem Jahr 1956); Schaeben, Denkmalglocken, S. 95, Nr. 108; Glocken und Geläute, S. 317; https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 179 (Zugriff: 03.05.2020). Vgl. auch Renard, Glocken, S. 67, der sie nur Franz Hemony zuschreibt.
  10. Engelbert, Schloß Kalkum. Bedeutung, S. 109; Becker, 1100 Jahre Kalkum, S. 48. Zu dieser Familie vgl. Nrn. 133 und 212.

Nachweise

  1. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Kalkum, Nr. 684, foll. 313 und 331.
  2. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Kalkum, Nr. 513, ohne Paginierung (Fragenformular zur Inventarisierung der Kunstdenkmäler, für Kalkum ausgefüllt und unterschrieben am 30.01.1872).
  3. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 147.
  4. V. Trostorff, Beiträge 2, S. 16.
  5. Walter, Glockenkunde, S. 363 (B).
  6. Dresen, Glocken, S. 15.
  7. https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 183 (Zugriff: 03.05.2020).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 211 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0021102.