Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 193 St. Lambertus, Schatzkammer 1646

Beschreibung

Ostensorium für Reliquien der Unschuldigen Kinder. Silber, getrieben, gegossen, graviert, punziert. Auf dem Rand des flachen, querovalen, gestuften, achtpassigen Fußes1) die Stifterinschrift (A), beginnend am vorderen Pass, der das Stifterwappen zeigt, und umlaufend bis zum sechsten Pass, teilweise in nicht durchgehend schraffierter Konturschrift ausgeführt. Die Felder der anderen Pässe sind abwechselnd leer oder mit Rankenornamenten gefüllt. Über einer achtseitigen Schaftgalerie ein kurzes, sechseckiges Schaftstück und ein sechseckiger Nodus mit durchbrochenen Rankenornamenten, der einen glatten, vasenförmigen Aufsatz mit Henkeln trägt. Auf dieser Vase ein querliegender Glaszylinder, dessen Verschlüsse durchbrochen gearbeitetes Schweifwerk und einen Blattfries zeigen. Der Zylinder wird von einem vierseitigen Turmbaldachin und einem Kreuz (mit Titulus, B) als Abschluss bekrönt. In den Turm ist eine Madonna im Strahlenkranz eingestellt; die beiden Putti links und rechts des Turmes sind nicht ursprünglich. Unterhalb des Datums sind in den Fuß ein Düsseldorfer Beschauzeichen2) und das Meisterzeichen des Meisters mit Hausmarke AW3) eingeschlagen. Das nach Schommers „in seiner Komposition unorganisch wirkende Reliquienostensorium“4) wurde laut Clemen im 18. Jahrhundert restauriert.5)

Maße: H. 45,5 cm; Dm. 17,5 cm (Fuß); Bu. 0,3 cm (A), 0,2 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/2]

  1. A

    R(EVERENDVS) · D(OMINVS) · PETRVS · ALD/ENHOVEN · CAN/ONICVS · HVIVS · ECCLE/SIAEa) · DONO · DE/DITb) · A(NN)Oc) · M · D · CX/LVI

  2. B

    I N R I6)

Übersetzung:

Der ehrwürdige Herr Peter Aldenhoven, Kanoniker dieser Kirche, gab (dies) zum Geschenk im Jahr 1646. (A)

Wappen:
Aldenhoven gen. Prum7)

Kommentar

Inschrift A ist insgesamt wenig qualitätvoll ausgeführt. Die Konturschrift ist nicht durchgängig verwendet und nicht einheitlich schraffiert, die Buchstabengröße (besonders bei O) und die Ausführung der Strichstärke variieren leicht. An den Schaftenden sind die Sporen oben und unten zumeist rechtwinklig auf- bzw. darunter gesetzt. Die Balkenenden sowie eine Reihe von Bogen­enden verbreitern sich zu ihrem Ende hin, die Sporen sind rechtwinklig angesetzt. Bei D und E sind die Balken- bzw. Bogenenden – allerdings nicht einheitlich – nach links ausgezogen worden, ebenso beim Bogenende des R. Mehrfach reicht der untere Balken des E so nah an die Kante des Profils, dass er nicht mehr zu erkennen ist. Bei PETRVS sind das untere Balkenende des E und das untere Bogenende des S mit einem Knoten verziert. Als Worttrenner dienen Punkte auf der Zeilenmitte.

Der Meister, der die Marke mit den wahrscheinlich als AW zu lesenden Initialen8) verwendet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Düsseldorfer Bürger und Goldschmied Adam Wendel,9) der 1642 die Apothekerstochter Katharina Monhem heiratete.10) Seine datierten Werke sind zwischen 1613 und 1646 entstanden.11) Wendel, der 1632 ein Haus auf der Mühlenstraße besaß,12) war Mitglied der reformierten Gemeinde in Düsseldorf, für die er 1636/37 als Diakon und 1644/45 als Kirchenältester tätig war.13) Er starb vor dem 30. Juli 1656.14)

Reliquien der Unschuldigen Kinder werden bereits in dem Reliquienverzeichnis von 139715) und dann in jüngeren Verzeichnissen16) genannt. Die Angaben über eine silberne Monstranz mit Reliquien der Unschuldigen Kinder in einer Auflistung von Reliquien und Reliquiaren aus dem Jahr 166717) beziehen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dieses von P. Aldenhoven gestiftete Ostensorium.

Peter Aldenhoven gen. Prum,18) geboren in Aldenhoven, gestorben am 13. August 1676, war ein Neffe des kurkölnischen Rates Arnold Aldenhoven.19) Seit 1632 Kanoniker in Düsseldorf20) hatte er 1635–16(38), 1642–1644 und 1646–1668 das Amt des Stiftskellners inne und war ab 1643 Armenprovisor des Stiftes. Seit 1653 ist er als Seniorkanoniker nachweisbar.21) 1665 wurde er The­saurar der Bruderschaft zum Hl. Sakrament.22) Aldenhoven war auch Inhaber eines Benefiziums in Nettesheim. Er verreiste mit Marschall Weschpfennig 1647 nach Holland, 1649 nach Polen. 1669 lieh er der Stadt Düsseldorf 200 Reichstaler. Dem Kapitel hinterließ Aldenhoven für Anniversarien 170 Reichstaler, sein Mobiliar und mehrere Bücher; außerdem vermachte er den Armen in Neuss 400 Reichstaler.23) Zudem wurde, wie inschriftlich bezeugt ist, nach seinem Tod 1682 aus einem Legat des Aldenhoven sowie einem weiteren Legat die Ewige-Licht-Ampel im Chor der Lambertuskirche gestiftet.24)

Textkritischer Apparat

  1. Bei dem zweiten E, das in einer Knickstelle zum folgenden Pass steht, ist der untere Balken nicht zu erkennen; bei dem dritten E fehlt der untere Balken.
  2. Bei E ist der untere Balken nicht mehr zu erkennen.
  3. O kleiner ausgeführt. Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. Unter dem Fuß neuzeitliche Inventarnummern: a) Aufgemalte IIII, die aus einer Inventarisierung des Jahres 1909 stammt, bei der der Goldschmied Beumers sowohl die Reliquien selbst als auch die Reliquiare mit römischen Zahlen versah. Vgl. dazu das entsprechende Protokoll vom 10. November 1909 in PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 479 (ohne Paginierung); in der Liste der Reliquiare ist dieses Reliquiar als Nummer IV angegeben. b) Auf einem aufgeklebten Zettel in Schwarz 30/38.
  2. Clasen, Silbermarken, S. 134, Nr. 441.
  3. Heppe, Goldschmiedekunst, S. 280, Nr. 2b; vgl. auch Clasen, Silbermarken, S. 138, Nr. 553d; Scheffler, Goldschmiede I, S. 187, Nr. 163c.
  4. Schommers, Reliquiare, Nr. 44, S. 300f., hier S. 301.
  5. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 46, Nr. 7.
  6. Nach Io 19,19.
  7. Siebmacher Si Bg 4, 75, 81; Schleicher, Slg. v. d. Ketten, Bd. 1, S. 44; Slg. Oidtman, Bd. 1, S. 181; alle mit leicht abweichender Darstellung.
  8. Die Lesung wird bei Clasen, Silbermarken, S. 138, Nr. 553, und Heppe, Goldschmiedekunst, S. 180f., Nr. 10, mit einem Fragezeichen angegeben. Zu einem zweiten Meisterzeichen mit Hausmarke AW oder WA, das vielleicht ein älteres Zeichen des Adam Wendel war, vgl. ebd., S. 181, Nr. 11, u. Clasen, Silbermarken, S. 138, Nr. 554. Scheffler, Goldschmiede I, S. 187, Nr. 163, führt ihn als „Meister mit Hausmarke A V?“ und nennt keinen Namen.
  9. Vgl. z. B. Clasen, Silbermarken, S. 138, Nr. 553; Heppe, Goldschmiedekunst, S. 180f., Nr. 10.
  10. Strahl, Trauregister, Bd. 9, S. 289.
  11. Heppe, Goldschmiedekunst, S. 180f.
  12. Ferber, Landsteuerbuch, S. 15.
  13. Protokolle des Presbyteriums, Bd. 3, S. 465, in der Liste der Konsistorialen.
  14. So Heppe, Goldschmiedekunst, S. 180.
  15. LAV NRW R, Stift Düsseldorf, Rep. u. Hss. 4, foll. 7v u. 137r.
  16. Z. B. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Hss. 13, foll. 6r u. 127r.
  17. Ebd., Akten 477, p. 11; ebenso z. B. erwähnt ebd., im nicht paginierten Teil der Akte in einem Verzeichnis vom 9. September 1675, u. ebd., Akten 475, fol. 46r.
  18. Soweit nicht anders angegeben, beruhen die folgenden Angaben zu Aldenhoven auf der freundlichen Mitteilung von Herrn Uwe Boelken, Stadtarchiv Leichlingen, für die ich ihm ganz herzlich danke. Die Angaben gehen weit über die wenigen Angaben bei Aders, Geschichte, S. 40, hinaus bzw. weichen von den dort gemachten ab.
  19. Freundliche Auskunft von Herrn Uwe Boelken, Stadtarchiv Leichlingen; nicht identisch mit dem gleichnamigen Sohn des Arnold, der Kanoniker an St. Severin in Köln gewesen sein soll, aber nicht bei Wilhelm Schmidt-Bleibtreu, Das Stift St. Severin in Köln (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 16), Siegburg 1982, S. 288ff., verzeichnet ist. Zu dem Kölner Kanoniker Schleicher, Slg. v. d. Ketten, Bd. 1, S. 45; ders., Slg. Oidtman, Bd. 1, S. 182.
  20. Vgl. dazu auch LAV NRW R, Stift Düsseldorf, Rep. u. Hss. 3, fol. 13v.
  21. Er ist mehrfach belegt bei Höroldt, Inventar St. Lambertus; vgl. dort die Einträge im Register S. 278.
  22. Höroldt, Inventar St. Lambertus, Nr. 178.
  23. Ein Testament bei Höroldt, Inventar St. Lambertus, Nr. 207; zu seinem Nachlass PfA St. Lambertus Düsseldorf –Altstadt, Akten 351; vgl. Höroldt, Inventar St. Lambertus, S. 251 zu A 351.
  24. Die Inschriften lauten: EX · LEGATO · D(OMINI) · PETRI · ALDENHOVEN · CANONICI · / SENIORIS · HVIVS · ECCLESIAE / 1682 und EX · LEGATO · DOMICELLAE MAGDALENAE / GYPENBVSCH · / 1682. Vgl. zum Ewigen Licht Peters, Ausstattung, S. 151f. mit Abb.; zuletzt Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 76f.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 46, Nr. 7 (A).
  2. Schnitzler, Kirchenschatz, S. 195 (A).
  3. Kat. Frommer Reichtum, S. 271f., Nr. 49 (S[onja] Schü[rmann]) (A).
  4. Kat. Düsseldorfer Goldschmiedekunst, S. 138, Nr. 7 (A).
  5. Heppe, Goldschmiedekunst, S. 180f., Nr. 10/4 (A).
  6. Schommers, Reliquiare, S. 300f., Nr. 44 (A).
  7. Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 54f. (A).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 193 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0019309.