Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 108 Heerdt, St. Benedikt E. 16. – A. 17. Jh.

Beschreibung

Kanzelkorb. Eiche, geschnitzt, nicht farbig gefasst. Die anderen Teile der Kanzel wie Mittelsäule, Rückwand und Schalldeckel sowie der Aufgang mit Geländer wurden in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts durch den Kölner Bildhauer H. Bong hinzugefügt.1) Auf dem Korb finden sich in zwei Geschossen mit jeweils fünf Reliefs Heiligendarstellungen mit Beischriften. Oben in der Mitte ist Christus als Salvator dargestellt, neben ihm jeweils von der Mitte nach außen zu seiner Linken die Apostel Paulus und Judas Thaddäus, zur Rechten die Apostel Petrus und Jakobus der Ältere; unten in der Mitte der hl. Quirinus und zu seinen Seiten jeweils zwei Evangelisten, zu seiner Linken Lukas und Johannes, zu seiner Rechten Markus und Matthäus. Die Figuren sind durch ihre Attribute gekennzeichnet und stehen jeweils in einer Bogenarchitektur auf Sockeln, die die Namensbeischriften (A–J) tragen.

Maße: Bu. 0,9–1,2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    S(ANCTVS)a) JACOB(VS)

  2. B

    S(ANCTVS) PETRVS

  3. C

    CHRISTVS

  4. D

    S(ANCTVS) PAVLVS

  5. E

    S(ANCTVS) JVDAS T(HADDEVS)

  6. F

    S(ANCTVS) MADTIASb).

  1. G

    S(ANCTVS) MARCVS

  2. H

    S(ANCTVS) QVRINVSc).

  3. I

    S(ANCTVS) LVCAS

  4. J

    S(ANCTVS) JOhA(N)NISd).

Kommentar

Die Schrift ist nicht sehr sorgfältig ausgeführt. Die Buchstabenhöhen variieren; das S ist häufig, aber nicht durchgehend nach rechts geneigt. Am Wortbeginn steht jeweils I longa mit kleinem Zierstrich auf der Hälfte des Schafts, der Schaft ist nach links gebogen und bis zur Mitte der Zeile hochgezogen; der Balken gewellt und nach unten gebogen. Ein gewellter Balken findet sich auch bei dem T in Inschrift E. Das D ist offen, bei JOhA(N)NIS findet sich ein Fraktur–h. Der Name des Evangelisten Matthäus, der durch das Buch und den ihm zur Seite gestellten Engel eindeutig gekennzeichnet ist, ist falsch angegeben, die Namen des hl. Quirinus und des hl. Johannes sind nicht korrekt geschrieben.

Aufgrund der formalen Ähnlichkeit des Kanzelkorbes zu Möbeln und Türen aus der Zeit wird die Kanzel „in das späte 16. Jh. oder um 1600“2) datiert. Auffällig ist die an hervorgehobener Stelle unterhalb der Christusfigur angebrachte Darstellung des hl. Quirinus,3) der in typischer Weise als Ritter mit Fahnenlanze, Wappenschild und Kugeln abgebildet ist, aber bewegter und weniger statuenhaft als die übrigen Figuren wirkt. Ebenso wie das Benediktpatrozinium der Heerdter Kirche ist diese Quirinusdarstellung auf die enge Verbindung zum Neusser Quirinusstift zurückzuführen, dem die Kirche mit hoher Wahrscheinlichkeit ihren Ursprung verdankt und dessen Äbtissin das Patronatsrecht innehatte.4) Quirinus wird so in der Zeit der katholischen Reform eine besondere Bedeutung für die Verkündigung des Glaubens in der Heerdter Gemeinde zugesprochen.

Die Anschaffung der Kanzel war gegen Ende des 16. Jahrhunderts oder um 1600 ebenso wie die neuer Glocken (Nrn. 122 und 167) in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts möglicherweise erforderlich geworden, weil die Heerdter Kirche im Truchsessischen Krieg im Mai 1585 schwer beschädigt worden war.5) Als 1842 bei einem Dorfbrand die alte Heerdter Kirche niederbrannte, wurde sie nicht wiederaufgebaut, sondern 1844–1847 eine neue Pfarrkirche errichtet.6) Kanzel und Glocken blieben jedoch erhalten und wurden in die neue Kirche übernommen, obwohl der Bau einer neuen Kanzel geplant war, auf deren Ausführung aber vermutlich aus Geldnot verzichtet wurde. Die Arbeiten Bongs wurden erforderlich, um die Kanzel der sehr viel kleineren alten Kirche an die Verhältnisse der neuen Kirche anzupassen.7)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung jeweils durch Punkt auf der Grundlinie.
  2. Sic!
  3. Sic statt QVIRINVS.
  4. Sic mit h aus der Fraktur!

Anmerkungen

  1. Achter/Schloßmacher, St. Benediktus, S. 12f.
  2. Ebd., S. 13; vgl. auch Nagel, St. Quirin. Maercker, Entwicklung, S. 54, gibt ohne Beleg das Jahr 1570 an.
  3. Vgl. zum Folgenden Nagel, St. Quirin.
  4. Dazu Brzosa, Geschichte, S. 137f.; Maercker, Entwicklung, S. 53; Heimeshoff, Häuser, Bd. 2, S. 12.
  5. Achter/Schloßmacher, St. Benediktus, S. 3; Brzosa, Geschichte, S. 139f.
  6. Achter/Schloßmacher, St. Benediktus, S. 3; Maercker, Entwicklung, S. 60.
  7. Achter/Schloßmacher, St. Benediktus, S. 12f.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 108 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0010805.