Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 36 Himmelgeist, St. Nikolaus E. 15. Jh.

Beschreibung

Kaselkreuz und -stab aus Kölner Borte. Gewebte und bestickte Halbseidenborte aus naturfarbenem Leinen mit farbiger Seide in Seidenstickerei in Flach-, Kett-, Stiel- und Knötchenstich und Goldlahn in Anlegetechnik mit roter Heftung verziert. Kreuz und Stab, die vielleicht erst im 19. Jahrhundert von Gerresheim nach Himmelgeist gelangten, wurden Ende des 19. Jahrhunderts1) einer neuen roten Samtkasel aufgesetzt und in größerem Umfang überstickt.2) Das Kaselkreuz ist aus mehreren Teilen nachträglich zusammengesetzt worden. Der durchlaufende senkrechte Kreuzstab ist oben beschnitten.3) Er zeigt auf rotem Grund von oben nach unten in mit Zinnenkränzen befestigte Hallenarchitekturen eingestellt die hl. Ursula (mit Krone, zwei Pfeile in der rechten und einen Palmzweig in der linken Hand haltend), den hl. Gereon als Ritter und die hl. Agnes (mit Buch, Lamm und Palmzweig). Darunter ist jeweils in einem durch einfache Linien abgeteilten Feld, das den Sockel für die Heiligenfiguren bildet, mit blauer Seide die Namensbeischrift (A–C) gestickt. Als Querstab wurde eine zerschnittene Borte angestückt, die unter einer Arkade Christus als Salvator mundi zeigte und deren mittleres Stück fehlt. Von der Christusdarstellung sind lediglich die segnende Rechte und die die Weltkugel haltende Linke sowie Teile des Gewandes zu erkennen. Auf dem Bruststab sind in entsprechender Weise der hl. Johannes der Evangelist (mit einem Kelch in der Rechten, aus dem zwei Schlangen züngeln) sowie die hl. Katharina von Alexan­drien4) (mit Krone, Buch, Rad und Schwert), beide mit Namensbeischriften (D, E), zu sehen. Die Heiligendarstellungen sind eingewebt und um gestickte Details ergänzt, die Köpfe und Hände in Seide gestickt.

Maße: H. 73,5/97 cm (Bruststab/Kreuz); B. 52 cm (Kreuz), Stabbreite 15,3 cm (ohne jüngere Einfassung); Bu. 1,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

LVR - Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Silvia Margrit Wolf) [1/2]

  1. A

    + sancta vrsula +

  2. B

    + sanctus gereon +

  1. C

    + sancta agnes +

  2. D

    sanctus iohannes

  3. E

    sancta katherina

Kommentar

Die paläographische Beurteilung wird durch die sehr qualitätvolle Überstickung des 19. Jahrhunderts nicht beeinträchtigt, da diese Arbeit vor allem an den Händen und Gesichtern sowie den Gewändern und etwas später auch an Hintergrundflächen durchgeführt wurde.5) Die Buchstabenformen entsprechen den von anderen erhaltenen Borten bekannten Formen. Dies gilt insbesondere für den typischen Zierhaken am Bogen des h und die tief gespaltenen Oberlängen bei h und l.6) Die Namensbeischriften auf dem Bruststab zeigen am Beginn und Ende keine Kreuze, da der Platz aufgrund der Länge der Heiligennamen ausgeschöpft war. Dieses fehlende Gestaltungsmerkmal lässt nicht auf eine andere Entstehungszeit oder eine Bearbeitung schließen und auch nicht an der Zusammengehörigkeit der Borten zweifeln. Zudem begegnen Namensbeischriften mit und ohne Kreuze auf weiteren, um 1480 bzw. Ende des 15. Jahrhunderts datierten, durchgehenden Borten, die große Ähnlichkeit mit der vorliegenden haben.7)

Die Kaselstäbe weisen typische Merkmale für die Kölner Borte der letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts auf, deren figürliche Motive sich vor allem an Vorgaben durch die Kölner Maler orientierten. Charakteristisch sind die Gestaltung der Heiligenfiguren und ihrer Kleidung sowie der Architektur, in die sie eingestellt sind.8) Die Datierung ist durch Vergleichsstücke gesichert,9) von denen zwei auch Rückschlüsse auf die ursprüngliche Anbringung der Borte erlauben. Mainzer vermutet, dass die Stäbe ursprünglich zu einem Chormantel, die Querleiste zu einer Dalmatik gehörten.10) Ein Vergleich mit einem zeitgleichen, sehr ähnlichen Stück, einer Stola aus dem Museum für Angewandte Kunst in Köln, ergibt jedoch auch die Möglichkeit, dass die Borte zuvor auf einer Stola angebracht war.11)

Die Herkunft der Himmelgeister Borte ist nicht geklärt. Die Auswahl der Heiligen weist jedoch auf das Gerresheimer Stift hin, das sowohl einen dem hl. Johannes als auch der hl. Katharina geweihten Altar besaß und zudem in engen Beziehungen zu den beiden Kölner Stiften St. Gereon und St. Ursula stand.12) Eine Gerresheimer Herkunft wird auch nahegelegt durch den von Markowitz angeführten Hinweis auf ein an den Geheimen Rat in Düsseldorf gerichtetes Gesuch des Pfarrers von Himmelgeist aus dem Jahr 1805, in dem er um die Überlassung von Paramenten aus dem aufgelösten Stift Gerresheim gebeten habe. Ein Beleg für eine tatsächlich erfolgte Übergabe aus Gerresheim oder von anderer Stelle liegt jedoch nicht vor.13)

Anmerkungen

  1. Mainzer, St. Nikolaus, S. 18: „im 19. Jh.“; Kat. Frommer Reichtum Nr. 422, S. 400f. (I[rene] M[arkowitz]): „Ende 19. oder Anfang 20. Jahrhundert“.
  2. Mainzer, St. Nikolaus, S. 18. Nach PfA St. Nikolaus Himmelgeist, Akte 45, wurde 1928 die „feine rote Samtkasel mit den uralten Kölnerborten“ ein weiteres Mal für 36,- RM „ausgebessert“. Ein herzlicher Dank gilt Frau Dr. Barbara Schildt-Specker, Düsseldorf-Himmelgeist, für den Hinweis auf diesen Beleg.
  3. Über dem Haupt der hl. Ursula fehlt im Vergleich zu den weiteren Heiligendarstellungen ein Teil der Architektur.
  4. Nicht wie versehentlich bei Mainzer, St. Nikolaus, S. 18, angegeben Katharina von Siena.
  5. PfA St. Nikolaus Himmelgeist, Inventar St. Nikolaus, zu Inventarnr. R 01.1 – R01.2.
  6. Vgl. dazu DI 81 (Essen), Nr. 77 mit Anm. 3, Abb. 24f.
  7. Bombek/Sporbeck, Bortenweberei, Nr. 121, S. 246–248; Nr. 124, S. 251–253.
  8. Typisch sind die Gewandung mit engen Miedern und faltenreichen Röcken mit andersfarbigem Randstreifen, in der Mitte gerafft mit großer Tütenfalte, die Darstellung des hl. Gereon als Ritter, die sorgfältige Gestaltung der Gewändermuster und die Konturierung der Figuren. Der Betrachter sieht in einen offenen Innenraum mit jeweils unterschiedlich gemustertem Mosaikfußboden und Säulen nicht nur für die vorderen, sondern auch für die hinteren Gewölbeenden, sowie reich gestaltetem Gewölbe. Nach Sporbeck ist diese Architektur durch niederländische Stickereien aus dem Ende des 15. Jahrhunderts beeinflusst. Vgl. dazu Bombek/Sporbeck, Bortenweberei, Nr. 124, S. 251–253. Zu diesem Typ der Kölner Borte vgl. auch Scheyer, Bortenweberei, S. 47–50, sowie Reichert, Stickereien, S. 22–26, zur Zuordnung dieser Kaselstäbe vgl. Kat. Frommer Reichtum, Nr. 422, S. 400f. (I[rene] M[arkowitz]); Mainzer, St. Nikolaus, S. 18.
  9. Bombek/Sporbeck, Bortenweberei, Nr. 121, S. 246–248; Nr. 124, S. 251–253, dort sind S. 253 weitere Vergleichsstücke angegeben.
  10. Mainzer, St. Nikolaus, S. 18.
  11. Die Stola bei Bombek/Sporbeck, Bortenweberei, Nr. 121, S. 246–248. Das Mittelstück der Stola nimmt eine Darstellung des Salvator mundi ein; diese Darstellung sowie die Darstellungen der Heiligen sind jenen auf der Himmelgeister Borte sehr ähnlich. Besonders gut zu vergleichen ist die Figur der hl. Katharina, die sich auf beiden Borten findet und bei der zahlreiche Details nahezu identisch gefertigt sind.
  12. So Kat. Frommer Reichtum, Nr. 422, S. 400 (I[rene] M[arkowitz]); Mainzer, St. Nikolaus, S. 18; Inventar St. Nikolaus, zu Inventarnr. R 01.1 – R 01.2.
  13. Kat. Frommer Reichtum, Nr. 422, S. 400f. (I[rene] M[arkowitz]); der ebd. erwähnte Eintrag in LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 6147, Nr. 2, S. 131 (nicht 129) enthält die Bitte einer Reihe von Pfarrern um Zuweisung von Paramenten, aber keinen konkreten Hinweis auf eine Übernahme von Gerresheimer Paramenten in Himmelgeist. Für diese Mitteilung danke ich herzlich Frau Dr. Barbara Schildt-Specker, Düsseldorf-Himmelgeist.

Nachweise

  1. Kat. Frommer Reichtum, Nr. 422, S. 400f. (I[rene] M[arkowitz]) (nur A–C).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 36 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0003604.