Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)
Nr. 31† St. Lambertus 1469?
Beschreibung
Kalvarienberg, Material unbekannt,1) mit lebensgroßen Figuren, ursprünglich polychrom gefasst.2) Er wurde vermutlich 1469 an der Mauer aufgestellt, die den Friedhof um St. Lambertus auf der Nordseite zu der Straße Altestadt hin begrenzte, und stand direkt neben dem Haupteingang zum Kirchhof gegenüber dem an der Nordseite der Kirche gelegenen Portal auf einem sieben Fuß hohen Unterbau und geschützt durch ein Dach. Nach der 1766 erfolgten Schließung des Friedhofs von St. Lambertus3) wurde er 1769/70 an die Nordwand der Kirche neben das Portal verlegt. Da er dort unzureichend geschützt stand, war er schließlich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts trotz vorheriger Restaurierungen4) so verwittert, dass er 1887 abgebrochen und durch einen neu geschaffenen Kalvarienberg ersetzt wurde. Der heute dort befindliche Kalvarienberg stammt aus dem Jahr 1930.5) Erhalten sind lediglich eine anlässlich der Verlegung 1769 angefertigte Zeichnung6) sowie ein Foto aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts.7) Dargestellt waren der gekreuzigte Christus zwischen den beiden Schächern, unter dem Kreuz zu seiner Rechten Stephaton und Longinus,8) zu seiner Linken Maria und Johannes. In der Brust Christi und der des guten Schächers befanden sich Reliquien. Der Kreuztitulus am Kreuz Christi; eine auf einer Fahne (?) hinter dem Haupt des Longinus erkennbare Inschrift ist nicht lesbar.
Nach LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 594, fol. 28.
I N // I Ra)9)
Textkritischer Apparat
- Statt I N R I; auf dem vor dem Abriss aufgenommenen Foto in der vermutlich bei einer der Restaurierungen vorgenommenen, korrigierten Form.
Anmerkungen
- Zacher, Friedhöfe, S. 39, nennt Sandstein als Material; Bayerle, Kirchen, S. 116, schreibt: „Das Ganze ist aus Stein, in kolossaler Größe.“
- Strauven, Kalvarienberg, S. 6.
- Vgl. zum Friedhof an der alten Stiftskirche Zacher, Friedhöfe. S. 39–45, zur Schließung ebd., S. 43f.
- LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 28414 – Brief des Kirchenvorstands von St. Lambertus vom 19. November 1884: In diesem Brief werden Arbeiten am Kalvarienberg in den Jahren 1769, 1832, 1864 und um 1872 aufgelistet. Umfassendes Material dazu in PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 437; eine Kostenberechnung von 1871 ebd., Akten 443.
- Vgl. dazu zusammenfassend Aders, Beiträge Kunstwerke, S. 4f.; Zacher, Friedhöfe, S. 39–41. Der Kalvarienberg des 19. Jahrhunderts war bereits 1930 so verwittert, dass er durch eine Kopie ersetzt werden musste.
- LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 594, fol. 28 auf einem eingelegten Blatt.
- Eine gute Wiedergabe des Fotos bei Becker, Düsseldorf, Abb. 69; Skizze und Foto sind nebeneinander abgedruckt z. B. bei Zacher, Friedhöfe, S. 40f.; Funken, Ars Publica, Bd. 1, S. 106. Die Körperhaltung und die Gewandung der Figuren, wie sie in der Skizze festgehalten sind, weichen von den auf dem Foto erkennbaren Details in einigen Punkten ab.
- Zu Longinus vgl. L[eander] Petzoldt, Art. Longinus von Cäsarea, der Centurio, in: LCI 7, Sp. 410f. Küffner/Spohr, Denkmäler, S. 83, nennen statt des Stephaton Maria Magdalena. Zu der Aufstellung vgl. auch die Angaben bei Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 144f.
- Nach Io 19,19.
- Bayerle, Kirchen S. 116: Effigiem Christi dum transis semper honora /Non tamen effigiem sed quem designat adora. Diese Inschrift wird auch 1861 in einer weiteren Publikation erwähnt. Vgl. dazu Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 26 Anm. 22. Zur Verbreitung dieser Inschrift und ihrer Quelle vgl. Ragne Bugge, Effigiem Christi, qui transis, semper honora. Verses condemning the cult of sacred images in art and literature, in: Acta ad archaeologiam et artium historiam pertinentia 6 (1975), S. 127–139, bes. 130–133; knapp dazu auch Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 14f.
- Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 144. Allerdings schreibt er ebd., S. 26 Anm. 22, unter Berufung auf die Angabe aus dem Jahr 1861, nicht auf die ältere bei Bayerle von 1844, die Inschrift „scheint somit bereits zur spätmittelalterlichen Gruppe gehört zu haben“.
- Mehrere dieser Aufnahmen befinden sich in der Akte PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 437.
- Bayerle, Kirchen, S. 116, erwähnt nur die lateinische Inschrift, die er übersetzt. Diese Übersetzung stimmt nicht überein mit dem deutschsprachigen Text der zweiten Tafel. Allerdings berichtet 1883 Strauven, Kalvarienberg, S. 6, dass bei der zuvor erfolgten Restaurierung des Kalvarienberges auch zwei Tafeln mit diesem Text, eine in lateinischer, eine in deutscher Sprache, angebracht (wieder angebracht?) wurden. Ebd., S. 5f., werden zudem nicht mehr lesbare Inschriften „auf der Umhüllung“ der Reliquien erwähnt.
- Vgl. dazu Anm. 13 und Funken, Ars Publica, Bd. 1, S. 107. Nicht geklärt werden konnte bislang, warum die bereits bei Bayerle erwähnte Inschrift auf dem Foto des alten Kalvarienberges nicht zu sehen ist.
- So Aders, Beiträge Kunstwerke, S. 4. Vgl. dazu Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 147 Anm. 21, der ebd. diese „unbegründete Datierung“ als „ganz unverständlich“ bezeichnet.
- So z. B. Schumacher, Topographie, S. 88; Küffner/Spohr, Denkmäler, S. 83, Nr. 1.11; Zacher, Friedhöfe, S. 40; Funken, Ars Publica, Bd. 1, S. 106.
- So Strauven, Kalvarienberg, S. 3; Krahe/Theissen, St. Lambertus, S. 18.
- Aders, Geschichte, S. 38.
- Zu dem Briefwechsel LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 28414.
- [Heinrich] Ferber, Der Kalvarienberg an der großen Kirche zu Düsseldorf, in: Düsseldorfer Sonntagsblatt. Belletristische Beilage zum „Düsseldorfer Volksblatt“, 1881, Nr. 38, Sonntag, den 18. September, o. S., das Zitat ebd. Ein Exemplar dieser Zeitung in PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 437. Ein Wiederabdruck der bei Ferber edierten Auszüge aus dem Dokument bei Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 143f.
- So auch gegen Fabian, Friedhofscrucifixi, S. 145, der zwar einschränkend angibt, dass „wegen der Qualität des Fotos [aus den 80er Jahren des 19. Jhs., Zusatz der Verf.] keine Aussagen über den originalen Erhaltungszustand der einzelnen Skulpturen gemacht werden können“ und auch an Veränderungen um 1769/70 erinnert, aber dann doch aufgrund von Details wie der Darstellung der Lendentücher und der Armhaltung und im Vergleich mit einer auf 1531 datierten Gruppe die Entstehung des Düsseldorfer Kalvarienberges später ansetzt.
- LAV NRW R, Hss. N I 6 Nr. V 1a, fol. 14r; Aegidius Gelenius, Staurologia Coloniensis in qua De S.S. per Dioecesin Coloniensem sparsis Crucibus repetitis ex omni Antiquitate considerationibus, disseritur, Köln 1636, p. 25f.
- Vgl. dazu u. a. LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nrn. 593 u. 594; PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 437.
- Vgl. dazu Strauven, Kalvarienberg; zu dem Briefwechsel über bezüglich des Abrisses angeforderte Stellungnahmen LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 28414; vgl. auch PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 437.
- LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 28414; PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 437 (die Schreiben aus den Jahren 1894/95). Eine seiner Zeit ins Auge gefasste Ausgrabung wurde nicht durchgeführt. Vgl. zu der Vergrabung z. B. auch Schumacher, Topographie, S. 90; Aders, Beiträge Kunstwerke, S. 5.
Nachweise
- LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 594, fol. 28.
- Zacher, Friedhöfe, S. 40f. (nur Abb.).
- Becker, Düsseldorf, Abb. 69.
- Funken, Ars Publica, Bd. 1, S. 106 (nur Abb.).
Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 31† (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0003104.
Kommentar
Bayerle überliefert 1844 eine weitere Inschrift, die zu seiner Zeit „ueber“ dem Kalvarienberg angebracht war.10) Diese Inschrift ist sicher nicht mit der Inschrift am Haupt des Longinus identisch; sie ist weder auf der Skizze von 1769 noch auf dem Foto des alten Kalvarienberges zu sehen. Nach Fabian soll sie bei der Verlegung 1770 oberhalb der Gruppe angebracht worden sein.11) Auf Aufnahmen aus der Zeit um 1930 sind zwei Tafeln zu erkennen,12) auf denen die Inschrift in lateinischer Sprache und in einer freien deutschen Übersetzung13) zu lesen ist. Die Tafeln waren zu diesem Zeitpunkt und sind auch heute hinter dem jetzigen Kalvarienberg an der Außenmauer der Kirche befestigt. Sie wurden wohl um 1930 bei der Neuschaffung nach dem Vorbild zweier älterer Tafeln, die hinter dem Kalvarienberg des Jahres 1887 angebracht waren, angefertigt.14)
Das Entstehungsjahr des Kalvarienbergs sowie sein möglicher Stifter werden in den heute zugänglichen Quellen nicht bzw. nicht zweifelsfrei genannt. In der Literatur schwanken die jeweils ohne die Nennung der Quelle gemachten Angaben. So soll er „um das Jahr 1445“ errichtet,15) 1469 aufgestellt16) oder aber, etwas weiter gefasst, unter dem Dechanten Wilhelm de Monte entstanden17) sein, der als Dechant nach Aders18) 1446 nachweisbar ist, 1448 auf sein Amt verzichtete und 1476 verstarb. Die Skizze und das Foto bieten aufgrund der Bildqualität keine Datierungshilfe, zumal da das Foto nach Restaurierungen entstanden ist. Allerdings wird in einem Briefwechsel, der 1884–1886 zwischen dem Düsseldorfer Oberbürgermeister, der Königlichen Regierung, dem Ministerium „der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten“ und dem Kirchenvorstand der Gemeinde geführt wurde, in einem Brief des Letzteren vom 19. November 1884 mehrfach erwähnt, der Kalvarienberg sei nach „einer Aufzeichnung im hiesigen Staatsarchive“ 1469 errichtet worden.19) 1881 hatte bereits Ferber in einem Zeitungsartikel über den Kalvarienberg ein nicht datiertes, aber auf Materialien aus der Zeit um 1770 basierendes „Dokument, das bisher versteckt in einer Rechnung der Stiftskirche sich verbarg“, abgedruckt, in dem als Jahr der Errichtung das Jahr 1469 angegeben wird.20) Er wird daher für die vorliegende Edition der Inschrift auf dieses Jahr datiert.21)
Bei der Explosion des Pulverturms 1634 blieb trotz der großen Zerstörungen an und in der Kirche und der umliegenden Bebauung der Kalvarienberg „non sine miraculo“ unversehrt.22) Um die Verlegung im Jahr 1769 entbrannte ein heftiger Streit zwischen dem Kapitel und den Zivilbehörden. In den erhaltenen Schriftstücken wird mehrfach erwähnt, der Kalvarienberg habe an seinem Standort mehr als 300 Jahre gestanden.23) Möglicherweise ist eines dieser Schreiben die archivalische Quelle, auf die man sich gut 100 Jahre später für die Datierung berief. Um den 1887 erfolgten Abriss entbrannte eine Auseinandersetzung zwischen dem damaligen Lambertusverein und Gegnern des Abrisses unter Führung des Notars Strauven.24) Aus dem vor dem Abriss geführten Briefwechsel ist auch zu ersehen, dass der Kalvarienberg ursprünglich erhalten und an einem anderen Ort aufgestellt werden sollte. Aus weiteren, 1894/95 – also einige Jahre nach dem Abriss – abgefassten Schreiben geht jedoch hervor, dass er sich bereits zuvor in einem sehr beschädigten Zustand befand und beim Abbau derart zerfiel, dass einige Stücke zwar noch in einem Schuppen des Pfarrgebäudes untergebracht, aber später bei einer Anschüttung des Pastoratsgartens untergegraben wurden.25)