Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 34 Schwarzach (Gde. Rheinmünster), kath. Pfarrkirche St. Peter u. Paul (ehem. Abteikirche) 1358

Beschreibung

Grabplatte für den Abt Heinrich von Grostein. Um 1667 durch Gallus Wagner in der dem Dormitorium am nächsten liegenden Kirchenapsis, also offenbar in der südlichen Seitenapsis des Querhauses, bezeugt.1 Während der 1888 einsetzenden Renovierung des Münsters unter Josef Durm gehoben und im Querschiff unter dem Bild der hl. Scholastika aufrecht in die Wand eingefügt.2 Seit der umfassenden Neugestaltung des Innenraums unter Arnold Tschira 1967–693 an der inneren Westwand des Schiffes nördlich des Hauptportals. Rötlicher Sandstein. Hochrechteckige Platte, deren Breite nach oben etwas zunimmt. Im unteren Bereich des Binnenfeldes ein vertieft reliefierter Wappenschild, darüber ein Abtsstab in konturierter Ritzzeichnung. Am Rand der umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk zwischen zwei rahmenden Ritzlinien. Die Platte ist im oberen Drittel zweimal gebrochen und neu zusammengesetzt. Die Kanten stellenweise leicht bestoßen.

Maße: H. 223, B. 100,4 Bu. 8–9 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. + ANNO · D(OMI)NI M° CCC° / LVIII°a) · IN · DIE BE(A)TI STEPHANI O(BIIT) D(OMI)N(V)S · HEI(N)RIC(VS)b) · / DE · GROSTEIN · / · ABBAS · MON(ASTERII) · IN SWARCZACH ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1358 am Tag des heiligen Stephan starb Herr Heinrich von Grostein, Abt des Klosters in Schwarzach.

Datum: 26. Dezember 1358.5

Wappen:
Grostein.

Kommentar

Die Buchstaben weisen deutliche Bogenschwellungen auf. Auch sind der beiderseits überstehende Deckbalken und der linke Schrägschaft des trapezförmigen A, der etwas rechtsschräg gestellte Deckbalken des runden T sowie der Schrägschaft und die Balken des Z durch aufgesetzte Schwellungen verziert. Das C und das unziale E besitzen einen Abschlußstrich. Der Schaft des L ist nach rechts durchgebogen, das N rund, das M unzial und symmetrisch. Der Schaft des I hat in der Mitte einen kleinen Nodus und wird durch rechtwinklig angesetzte Sporen begrenzt. Die weit oben am Schaft ansetzende Cauda des R ist gewölbt und ausgestellt. Die auf der Grundlinie endenden freien Bögen, gekrümmten bzw. geschwungenen Schäfte und Caudae münden in eine kurze waagerechte Zierlinie, die mit einer aufgesetzten Schwellung versehen ist. Die übrigen freien Bogen- und Schaftenden sind keilförmig verbreitert. Als Kürzungszeichen dienen überwiegend waagerechte Striche außerhalb des Rahmens, als Worttrenner kleine Kreise in Zeilenmitte. Die letztere Besonderheit könnte darauf hindeuten, daß die Grabplatte von einem in Straßburg geschulten Steinmetzen gefertigt wurde.6

Der einem Straßburger Adelsgeschlecht entstammende Abt Heinrich von Grostein war der Amtsnachfolger Reinhards von Windeck, der bis 1357 regierte.7 Somit kann Heinrich diese Funktion kaum viel länger als ein Jahr ausgeübt haben. Aus der inschriftlichen Angabe seines Todestages geht nicht hervor, ob sie sich nach dem in der Regel bis in das 15. und 16. Jahrhundert geltenden Weihnachtsstil oder nach dem mitunter bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts nachweisbaren Circumcisionsstil richtet.8 Da aber im Jahre 1358 noch unter der Regierung Heinrichs von Grostein der Kapelle in Moos von 18 Bischöfen ein vierzigtägiger Ablaß gewährt und die Wahl des Nachfolgers, Falkos von Stollhofen, erst am 22. März 1359 vom Papst bestätigt wurde,9 ist davon auszugehen, daß man das Neue Jahr in der Diözese Straßburg um diese Zeit bereits nach dem Circumcisionsstil beginnen ließ.

Textkritischer Apparat

  1. M° CCC° / LVIII°] Die Ablativ-Endungen jeweils in der Mitte über den davorstehenden Zahlzeichen und außerhalb der Schriftzeile.
  2. Die Abkürzung des N ohne Kennzeichnung; die Endung durch einen eingerollten us-Haken in Buchstabengröße ersetzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe 65/606, Wagner, Comportata, vol. 1, 883: „(…) lapis sepulchralis in abside templi proxima dormitorio religiosorum.“ Auf diese Angabe scheint sich Reinfried, Geschichte Schwarzach (1892) 59f., mit der nicht ganz übereinstimmenden Lokalisierung „im Mittelchor der Kirche gegen das Dormitorium der Religiosen zu“ zu beziehen. Zur Lage des Dormitoriums vgl. Marzolff, hochma. Abteikirche 36.
  2. Vgl. Reinfried (wie unten); Sernatinger (wie unten). Hier auch noch in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts bezeugt, vgl. Stadtgesch. Inst. Bühl o. Sig., Smets, Geschichte 113f. Zur Renovierung der Abteikirche unter Josef Durm von 1888–1897 vgl. Rüsch, Restaurierungen 25–39; Rüsch, Barockumbau 413–419; Marzolff, Baugeschichte 31f.; Göricke, Restaurierungsarbeiten 72, 75; Durm, Abteikirche nr. 72, 449–455, nr. 74, 461f.
  3. Vgl. Rüsch, Barockumbau 421–425; Marzolff, Lebensstationen 351–354; Tschira, Die ehem. Benediktinerabtei Schwarzach 3–10; Göricke, Restaurierungsarbeiten 72–79.
  4. Breite der unteren Schmalseite: 93 cm.
  5. Unter Annahme des Circumcisionsstiles, vgl. Kommentar. Nach dem Weihnachtsstil fiele das Todesdatum noch in das Jahr 1357.
  6. Vgl. zu den Worttrennern nrr. 18, 23, 24, 25. Ähnliche Schriftformen sind auf den Grabplatten Adelheids von Eberstein und eines sonst unbekannten Albert zu beobachten, vgl. nrr. 35, 37.
  7. Vgl. Gartner, Kloster Schwarzach 341. Zum Geschlecht von Grostein vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 1, 477–479; Kindler v. Knobloch, Das goldene Buch, T. 1, 99–101.
  8. Vgl. zu den Jahresanfangsstilen F. K. Ginzel, Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie, Bd. 3, Leipzig 1914, 156–170, hier insbes. 157–159, 167–170.
  9. Vgl. Gartner, Kloster Schwarzach 293 mit Anm. 59f.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe 65/606, Wagner, Comportata, vol. 1, 883.
  2. Reinfried, Geschichte Schwarzach (1892) 60.
  3. Sernatinger, Ehemalige Benediktinerabtei 24.
  4. Harbrecht, Reichsabtei Schwarzach (1951) 176f. (erw.).
  5. Stadtgesch. Inst. Bühl o. Sig., Smets, Geschichte 114.
  6. Stadtgesch. Inst. Bühl o. Sig., Smets, Grabinschriften 1.
  7. Marzolff, Baugeschichte 34 Anm. 9 (erw.).
  8. Marzolff, Abteikirche Schwarzach 15 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 34 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0003408.