Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 516† Baden-Baden, ehem. Jesuitenkolleg, Prinzenhaus 1632

Beschreibung

Schrifttafel. Während des zweiten Baden-Durlacher Interims (1632–34)1 in den Tagen nach dem 10. Juli 1633 im Zuge einer Inspektion des Jesuitenkollegs2 von Markgraf Friedrich VI. von Baden-Durlach im „Haus der jungen Prinzen“ entdeckt.3 Dieses Gebäude grenzte an den Garten des Kollegs und diente den ältesten Söhnen Markgraf Wilhelms von Baden-Baden4 während ihrer Unterrichtszeit offenbar als Unterkunft. Auf der Tafel stand innerhalb eines gemalten Kranzes5 eine metrisch verfaßte, zeitkritische Datierung, die das bezeichnete Jahr zusätzlich in Form eines Chronostichons verschlüsselte. Nach der damals ergangenen Aufforderung, die Tafel wegzureißen, jedoch aufzubewahren,6 liegen die Verlustumstände im Dunkeln.

Inschrift nach Kast.

  1. Anno qVo SVeCICo GerManIa Caesa fLageLLo,AtqVe eXspeCtatas trans freta7) LVget opes.

Übersetzung:

Im Jahr, als Deutschland von der schwedischen Geißel niedergeschlagen worden ist und die von jenseits des Meeres7 begehrten Schätze betrauert.

Versmaß: Elegisches Distichon, der Hexameter mehrfach, darunter einsilbig leoninisch gereimt.8

Kommentar

Von Markgraf Friedrich VI. von Baden-Durlach zur Rede gestellt, gaben die Patres mit gebotener Vorsicht an, es könnte sich hierbei lediglich um eine dichterische Spielerei poetisch veranlagter Leute in Gesellschaft der jungen Prinzen handeln.6 Da die Verse technisch nicht ganz fehlerlos sind,8 läßt sich die Tafel am sinnvollsten mit einer Schulaufgabe in Verbindung bringen, durch die das Verfassen von Chronosticha erlernt werden sollte.9 Eine künstlerisch hochwertige Ausführung ist hingegen unwahrscheinlich. Der Text bezieht sich auf die militärischen Erfolge der schwedischen Truppen, die nach der Schlacht von Breitenfeld (1631) auch die Markgrafschaft Baden-Baden einnehmen konnten.10 Nachdem die Stadt am 27. März 1632 besetzt worden war, übertrugen die Beschlüsse des Heilbronner Konvents im April 1633 die Herrschaft offiziell Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach. Die Huldigung fand im Juli desselben Jahres im Neuen Schloß zu Baden statt.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Haebler, Geschichte, Bd. 1, 119f.
  2. Zur topographischen Lage des Jesuitenkollegs vgl. Kdm. Baden-Baden 144 (Abb. 111).
  3. Vgl. Kast, Mittelbadische Chronik 42f.
  4. In Betracht kommen vor allem die Prinzen Ferdinand Maximilian (geb. 1625), Leopold Wilhelm (geb. 1626) und Philipp Sigismund (geb. 1627), vgl. Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 269; s. a. nrr. 517, 518, 520, 532.
  5. Beschreibung nach Kast, Mittelbadische Chronik 42.
  6. Vgl. ebd. 43.
  7. Gemeint ist die Ostsee.
  8. Die zweite Silbe in Caesa bildet vor fLageLLo eine sich nicht ins Versmaß fügende Positionslänge.
  9. Zu dem von Markgraf Philipp II. von Baden-Baden neu errichteten Knabenseminar, in dem die Jesuiten unterrichteten, vgl. Regesten u. Urkunden 446 nrr. 101f.; Franz Xaver Frühe, Die Höhere Schule in der Stadt Baden. Ein Beitrag zur Geschichte der Erziehung und des Unterrichts (Programm des Grossherzoglichen Gymnasiums in Baden, Beilage), Baden-Baden 1871, 5–8.
  10. Vgl. auch zu den folgenden Angaben Haebler, Geschichte, Bd. 1, 119.

Nachweise

  1. Kast, Mittelbadische Chronik 42.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 516† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0051605.