Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 515 Gernsbach, ev. Pfarrkirche (St. Jakob) 1632, 1629–1632
Beschreibung
Epitaph für Jakob Weiler und seine Frau Anna, geb. Keller. Außen an der Südwestseite des ersten Strebepfeilers südlich des Chorscheitels. Rötlicher Sandstein. Hochrechteckige Platte, oben durch ein Gesims abgeschlossen. Im eingetieften und von einem schmalen Steg umgebenen Binnenfeld die zeilenweise eingemeißelten Sterbevermerke mit anschließender Fürbitte für beide Eheleute (A). Darunter die Stifterinschrift (B). Auf der breiten Rahmenleiste das umlaufende Bibelzitat (C), links unten beginnend. Sehr gut erhalten, lediglich an den Kanten leicht bestoßen. Von einer vermutlich ursprünglich vorhandenen Bekrönung zeugt nur noch ein Eisenzapfen oben in der Mitte.
Maße: H. 193, B. 91,5, Bu. 3,5 (A, B), 6 cm (C).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
AN(N)Oa) CHR(IST)Ib) 1611. DEN 10 / IVNII IST IM HERRN / SELIG ENTSCHLAFFEN / DER EHRENHAFFT VND / WOHLGEACHT IACOB WEILER / SCHIFFER SECHSGESCHWORNER / VND GERICHTSVERWANDTER / ZV EBERSTEINROT1) SEINES / ALTERS IM 63. IAHR: WELCHE(M) / AN(N)O ⟨1632⟩ DEN ⟨21 / IVLIJ⟩ NACHGEFOLGET DIE / EHR= VND TVGENTSAM / ANNA KELLERIN SEIN / EHELICHE HAVSFRAVW, / IHRES ALTERS IM ⟨54.⟩ IAHR. / DER ALLMACHTIGE GOTT / VERLEIHE IHNEN EIN / FROLICHE AVFFERSTEHVNG / AMENc) ·
- B
HAN(N)S VLRICH H(ANNS)d) NICLAVS / VND H(ANNS)d) BECHTOLD WEILER / FILII F(IERI)e) F(ECERVNT)e)
- C
DER GERECHTEN SEELEN SEINDT IN / GOTTESf) HAND / VNND KEINE QVALg) RVRET SIE AN2) / SAP: III. VERS: I ·h)
Übersetzung:
Die Söhne Hans Ulrich, Hans Nikolaus und Hans Bechtold Weiler ließen es anfertigen. (B)
Textkritischer Apparat
- Das A mit gebrochenem Balken.
- Der Kürzungsstrich über RI nach unten durchgebogen.
- Zentriert gesetzt.
- Kürzung durch dreieckigen Punkt knapp oberhalb der Grundlinie.
- Kürzung durch dreieckigen Punkt auf der Grundlinie.
- Sämtliche Buchstaben des Wortes größer ausgeführt.
- Die Cauda des Q rechtsschräg gestellt, geschwungen und am unteren Ende als Zierschleife ausgeführt.
- Danach ein Linienspiel als Zeilenfüller.
Anmerkungen
- Obertsrot, vgl. Landkreis Rastatt, Bd. 2, 117.
- Wsh 3,1.
- Höhe der Anfangsbuchstaben: 5–5,5 (A, B), 9 cm (C).
- Vgl. Renner, Murgflößerei 103f., 118; allg. zur Familie Weiler vgl. Hennl, Gernsbach 222.
- Allg. zur Gemeindeverwaltung von Obertsrot vgl. Landkreis Rastatt, Bd. 2, 118.
- Vgl. Hennl, Gernsbach 287.
- Vgl. ebd. 81 mit Anm. 60.
- Vgl. ebd. 222.
- Vgl. StdtA Rastatt B 332, Benedikt Schwarz, Vom Gernsbacher Paulustag (Zeitungsartikel unbekannter Provenienz), o. S.
- Vgl. nr. 521.
- Vgl. nr. 513.
Nachweise
- Kdm. Rastatt 149.
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 515 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0051508.
Kommentar
Die Anfangsbuchstaben eines jeden Wortes sind deutlich überhöht.3 Die Caudae von G und R ragen unter die Grundlinie; die des G ist unten stark nach links umgebogen, die des R geschwungen. Das I besitzt regelmäßig einen Punkt, das O ist spitzoval. Sämtliche Buchstaben tragen kräftige Sporen. Der Schaft der 1 ist unten gespalten, links nach oben umgebogen und in der zweiten Jahreszahl als Schleife ausgeführt. Der Bogen der 6 ist offen, die 2 und die 3 sind spitz.
Jakob Weiler entstammte einer bedeutenden Schifferfamilie aus Obertsrot und ist bereits für das Jahr 1574 als Rheinschiffer bezeugt.4 Nach Auskunft der Inschrift gehörte er dem offenbar sechsköpfigen Schöffengericht in Obertsrot an.5 Sein Sohn Hans Nikolaus wurde 1646 neben Hans Jakob Krämer zum Bürgermeister der Stadt Gernsbach gewählt.6 Dieser hatte bereits vor 1624 seinen Wohnsitz hierher verlegt; seine Brüder Hans Ulrich und Hans Bechthold zogen bis 1629 aus Obertsrot nach.7 Spätestens seit 1664 wird Hans Nikolaus auch als Vormund des Gernsbacher Gerichts erwähnt,8 während Hans Bechtold um das Jahr 1646 das Amt des öffentlichen Brotbesehers ausübte.9
Das einheitliche Schriftbild deutet darauf hin, daß fast alle Inschriften der Grabplatte zu einem Zeitpunkt entstanden. Eine Ausnahme bilden lediglich die Sterbedaten für die Ehefrau, die angesichts der etwas abweichenden Ziffernformen und mancher unverhältnismäßig großer Spatien offenbar erst später, d. h. im Todesjahr der Anna Keller (1632), nachgetragen wurden. Die übrigen Unterschiede sind jedoch nur gering, so daß der Nachtrag vermutlich noch von demselben Steinmetzen stammt. Da überdies das Gernsbacher Grabmal für die Familie Georg Heinzmanns von 1635 viele eng verwandte Buchstaben aufweist,10 ist davon auszugehen, daß die älteren Inschriften nicht sofort nach dem Ableben Jakob Weilers im Jahre 1611, sondern deutlich später erstellt wurden. Vermutlich erteilten die Söhne den Auftrag zur Anfertigung der Platte erst, als sie ab 1629 alle gemeinsam in Gernsbach lebten und hier für ihren Vater, der sicher in Obertsrot bestattet worden war, ein Epitaph errichten wollten. Insofern kommen vor allem die Jahre zwischen 1629 und 1632 als Datierung in Betracht. Ein äußerst ähnlich gestaltetes und mit dem gleichen Bibelzitat versehenes Grabmal für einen Unbekannten befindet sich auf dem evangelischen Friedhof von Gernsbach und stammt anscheinend aus derselben Steinmetzwerkstatt.11