Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 469 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Klosterkirche 1615
Beschreibung
Rest einer Wandmalerei. Außen an der Nordwand der Klosterkirche über dem Fenster des vierten Joches von Westen direkt unter der Dachtraufe. Teil einer umfangreichen Wandgestaltung, die im Sommer 1909 im Zuge von Renovierungsmaßnahmen zum Vorschein kam,1 1911 von Josef Sauer so weit wie möglich aufgedeckt, jedoch bald darauf größtenteils wieder überputzt wurde.2 Erkennbar war damals außerdem die Figur eines Engels oder des hl. Christophorus über dem Nordportal.1 Heute sind lediglich noch links und rechts des bezeichneten Fensterrundbogens zwei Engel wahrnehmbar, die ein weißes Spruchband mit dem zeilenweise in Schwarz aufgemalten Bibelzitat halten, unter dem sich ehemals eine Uhr befand.3 Dieser Wandabschnitt wurde 1968 durch die Firma E. Geschöll, Freiburg i. Br., renoviert;4 ist heute jedoch erneut stark verwittert. Zwei weitere Figuren, die die Fensteröffnung unterhalb der Engel flankierten, gingen bereits durch den Neuverputz nach 1911 verloren:5 Auf der linken Seite ein nach rechts sprengender Reiter mit einem vierbeinigen Tier, möglicherweise die Darstellung des hl. Georg mit dem Drachen. Rechts war nur schwach ein Mann in Pluderhosen zu erkennen.
Ergänzungen nach KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar (Photo nach der Renovierung v. 1968).
Maße: H. ca. 42, B. ca. 190, Bu. ca. 7 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
TI[METE · DOMI]NVM · ET · DATE · ILLI · / [HO]NOR[EMa) · QV]IA · VENIT · HORA IINDICI[I]b) / [ · EI]VS6) · AP[OGALY]PSIS · 14 · CAPITE · 161[5]c)
Übersetzung:
Fürchtet den Herrn und erweist ihm Ehre, weil die Stunde seines Gerichts kommt.
Textkritischer Apparat
- ET · DATE · ILLI · / [HO]NOR[EM] Fehlt in Sauer.
- Lies: IVDICII.
- Ergänzung nach Sauer.
Anmerkungen
- Vgl. Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1911) 423.
- Vgl. Stober, Baugeschichte 99 unter Berufung auf GLA Karlsruhe 235/47822, Republik Baden (…) Erhaltung alter Baudenkmale.
- Vgl. Stober, Baugeschichte 99 unter Berufung auf KA Lichtenthal Fach 26/29, Mafalda Bauer, Uhrmalerei von 1615. Von dem Zifferblatt der Uhr zeugen noch heute vier in die Wand eingelassene Eisenhaken.
- Vgl. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar (wie unten).
- Vgl. Stober, Baugeschichte 99 (Abb. 3); Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1911) 423.
- Apc 14,7.
- Vgl. nrr. 419, 460, 470, 471, 485. Zu Margareta Stülzer vgl. nr. 491.
- Vgl. Schindele, Leben 652–654; zur Oberbadischen Okkupation vgl. Einl. Kap. 2, XVIIIf.
- Vgl. nrr. 460, 471.
Nachweise
- GLA Karlsruhe 235/47822, Schreiben Josef Sauer, o. S.
- Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1911) 423.
- RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 0485.
- Kdm. Baden-Baden 435 (nur Jz.) – KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 1: Klosterkirche mit Ausstattung, Hochaltar, fol. 71r (Abb.: Photos vor und nach der Renovierung 1968).
- Stober, Baugeschichte 99 (Abb. 3).
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 469 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0046908.
Kommentar
Die stark nachgezogenen Buchstaben werden von kräftigen Sporen begrenzt. Der mittlere Balken des E ist etwas kürzer als die beiden übrigen ausgeführt. Das I trägt regelmäßig einen Punkt, der Mittelteil des M füllt nur die obere Zeilenhälfte, und die Cauda des R ist geschwungen. Der anstrichlose Schaft der 1 spaltet sich unten auf, ist beiderseits umgebogen und mündet links in eine Schleife. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe.
Der Jahreszahl zufolge entstand die ursprünglich umfangreiche Wandgestaltung während der Amtszeit der Äbtissin Margareta Stülzer, die im Kloster mehrere Baumaßnahmen durchführen ließ.7 Sauer deutete die Inschrift als Ausdruck einer tiefen Krise zur Zeit der Oberbadischen Okkupation,1 als die Abtei unter der Herrschaft Markgraf Georg Friedrichs von Baden-Durlach mit ihrer Aufhebung rechnen mußte.8 So ist das Bibelzitat wohl vor allem als warnende Prophezeiung zu verstehen, die all jenen galt, die es wagen sollten, den Bestand des Klosters in Frage zu stellen. Indirekt geht die Intention der vorbeugenden Existenzsicherung ebenso aus dem etwa gleichzeitig ausgeführten Äbtissinnenzyklus im Kreuzgang sowie aus den Beischriften des großen Stiftungsbildes im Inneren der Kirche hervor.9