Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 461 Bühl-Kappelwindeck, Städtischer Friedhof 1611

Beschreibung

Grabplatte für Apollonia Schlude, geb. Tucher. Während des Teilabbruchs der ehemaligen Bühler Pfarrkirche im Jahre 1879 etwa sechs Fuß unter dem Dielenboden des Chores neben der Grabplatte für Johann Schlude aufgefunden und auf den Friedhof überführt.1 Hier an der Innenseite des nordwestlichen Abschnitts der Umfassungsmauer aufrecht in die Wand eingelassen. Sandstein. Die hochrechteckige Platte ist horizontal in zwei etwa gleich große Bereiche unterteilt, deren Binnenfelder leicht eingetieft sind. Oben ein erhaben ausgehauenes lateinisches Kreuz, das von fünf beschlagwerkartig verzierten Pässen umgeben ist. Auf dem Sockel des Kreuzstammes das von zwei Namensinitialen (A) flankierte Stz. nr. 59. Im unteren Feld eine hochrechteckige, von Roll- und Beschlagwerk gerahmte Schrifttafel. Darin der zeilenweise eingemeißelte Sterbevermerk mit Fürbitte (B). Die letzte Zeile derzeit unter Bodenniveau. Die Platte ist im oberen Drittel in zwei Teile zerbrochen. Die Oberfläche weist vor allem am rechten Rand Schäden auf.2

Maße: H. 154, B. 68, Bu./Zi. 4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    T(HOMAS) // K(ÖNIG)a)

  2. B

    ANNO · DOMINIb) / 1611c) · DEN 31 · / MARTIJ · STARB · DIE · E=/HREN · VND · TVGENT=/REICHd) · FRAW · APPOLON=/IA · DVCHERIN · WEILAN=/DIe) · DES · ERNVESTEN / VND · WOLGELERTE(N)f) / HERREN · IOHANNES / SCHLVDEIJ · SELIGEN / F(IRSTLICH)g) · M(ARGGRÄVISCHEN)g) · V(OGTS) · Z(V) · B(IHEL)g) · GEWESE=/NE · HAVS · FRAWẸ / DEREN · DER · AL[=]/MECHTIG · GOṬṬ / [– – –]h)

Kommentar

Die Kerben der Buchstaben sind gleichbleibend schmal geschlagen. Während die Schriftformen sich auch auf anderen Bühler Grabmälern nachweisen lassen,3 sind die Initialen des Steinmetzen nur hier wiedergegeben. Aufgrund des Steinmetzzeichens, das gemeinsam mit dem Namen an der Kanzel der Lichtenthaler Klosterkirche (1606) überliefert ist, kann er mit Thomas König identifiziert werden, der außerdem die Grabplatte für Anna Agatha von Baden (gest. 1611) schuf.4 Charakteristisch für seine Buchstabengestaltung sind die deutlich verlängerten Ober- bzw. Unterbalken an E und F, das konische M mit verkürztem Mittelteil, das annähernd kreisrunde O sowie das V, zwischen dessen freien Schaftenden stets ein Punkt sitzt. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Die Tucher waren eine angesehene Bühler Bürgerfamilie, aus der zahlreiche Amtsträger hervorgingen.5 Aufgrund der nur lückenhaft aufgearbeiteten Stammfolge ihres Geschlechts lassen sich jedoch Apollonias Eltern bisher nicht ermitteln.6 Sie war die Ehefrau des markgräflich badischen Vogts Johann Schlude, der im Jahre 1606 verstarb und neben dem sie später in der Bühler Pfarrkirche bestattet wurde.7 Nach ihrem Tod sind in Bühl keine weiteren Nachkommen der Familie Tucher mehr nachweisbar.8

Textkritischer Apparat

  1. Auflösung der Namensinitialen nach nr. 436.
  2. Über dem M ein überflüssiger Kürzungsbalken.
  3. Zwischen den ersten drei Ziffern zwei unverhältnismäßig weite Spatien. Möglicherweise ein Indiz für die nachträgliche Ergänzung der Todesdaten.
  4. Das zweite T ist etwas größer als die übrigen Buchstaben ausgeführt, so daß das voranstehende N teilweise unter dessen linkem Balkenabschnitt steht.
  5. Das L und das A sind nah aneinandergedrängt, so daß der linke Schrägschaft des A über dem Balken des L steht.
  6. Abkürzung durch Doppelpunkt.
  7. Auflösung der Abkürzung nach Schreibung in nr. 434.
  8. Der Rest der Inschrift unter Bodenniveau. Ergänze vermutlich: [GENEDIG · VND · BARMHERZIG · SEI], vgl. nrr. 292, 295, 401.

Anmerkungen

  1. Vgl. Reinfried, Bühler Friedhof III, o. S.; s. a. Beschreybung (ed. Gartner; wie unten) 24 Anm. 53. Zur Tiefe, in der die Platten lagen, vgl. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/56b, Fragebögen (wie unten).
  2. Nach Reinfried, Bühler Friedhof III, o. S. war die Platte bei ihrer Auffindung (1879) noch vollkommen unversehrt. Diese Angabe wird durch RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/56b, Fragebögen (wie unten) bestätigt.
  3. Vgl. nrr. 441, 443, 450.
  4. Vgl. nrr. 436, 462; s. a. Einl. Kap. 5.4, LXXXVIII.
  5. Vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 1, 254; Reinfried, Generalvicar Tucher 238f.; Gerke, Personalchronik 143; Reinfried, Geschichte Bühl 86.
  6. Vgl. wie Anm. 5. Die Kirchenbücher sind erst ab dem Jahre 1666 erhalten, vgl. Kirchenbücher 78; Reinfried, Bühler Friedhof III, o. S.
  7. Vgl. nr. 434.
  8. Vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 1, 254: „(…) scheint die Letzte ihres Geschlechts daselbst gewesen zu sein.“

Nachweise

  1. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/56b, Fragebögen (1882), Antwortschreiben des Pfarramtes Bühl (Verf. Ferdinand Hundt, Pfarrverweser), Beilage, o. S. (erw.).
  2. Reinfried, Generalvicar Tucher 239 Anm. 1.
  3. Reinfried, Bühler Friedhof III, o. S.
  4. Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 100, Falk, Grab- u. Gedenksteine 8 nr. 15.b.3.14.
  5. Beschreybung des Gemeinen Stabs und Bezirkhs des Fleckhens Bühell 1598. Im Original und mit Erläuterungen wiedergegeben von Otto Gartner (ediert nach GLA Karlsruhe 66/1437), in: Bühler Blaue Hefte 1 (1957) 11–31, hier 25 Anm. 53.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 461 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0046105.