Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 435 Baden-Baden, altkath. Pfarrkirche St. Maria u. Vierzehn Nothelfer (ehem. Spitalkirche) 1606

Beschreibung

Epitaph für den markgräflich badischen Burgvogt Friedrich Kraft von Dellmensingen. Erstmals im Jahre 1801 gemeinsam mit dem Grabmal für Martha Wels im Chor an der Tür zur Sakristei und über dem Chorgestühl bezeugt.1 Vermutlich seit 1865 an der Nordwand gegenüber.2 Hier ist die hochrechteckige Platte über einem Schrank westlich des Gestühls in etwa 3 m Höhe in die Wand eingelassen. Sandstein. Quergeteilt, oben ein nahezu quadratisches, eingetieftes Schriftfeld mit dem zeilenweise eingemeißelten Sterbevermerk und anschließender Fürbitte. Die Rahmenecken werden von Medaillons mit reliefierten Sonnenscheiben überlagert, die jedoch unten nur als Viertelkreise ausgebildet sind. Die breiten Rahmenleisten sind mit Diamantquadern besetzt. Das untere Wappenfeld flankieren zwei kannelierte Pilaster, denen zwei nach innen hineinragende Voluten entspringen. Dazwischen zwei reliefierte Eheallianzwappen. Der die beiden Felder horizontal teilende Steg ist in der Mitte mit einem in die Inschrift hineinragenden und deren letzte Zeile unterbrechenden Ornament besetzt. Der untere Rahmenabschnitt mit dem Stz. nr. 50 ist derzeit durch den Schrank verdeckt.

Maße: H. 139, B. 86, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. VFF · DEN · 20 · OCTOB=/RIS · ANNO · 1606 · IST / IN · GOTT · VER · SCHIDEN / DER · EDEL · VND · VEST / FRIDERICH · KRAFT · VON / DELMESINGEN · GEWESNER / FIRSTLICHER · MARGREVIS(CHER)a) / BVRGVOGT · ALHIE · ZV / BADEN · SEINES · ALTERS / 51 · IAHR · DESEN · SELEN / DER · ALMECHTIG · GOTT / GENEDIG //b) SEI · AMEN

Wappen:
Kraft von Dellmensingen, Löw3.

Kommentar

Die Buchstaben weisen schwach ausgeprägte Linksschrägen- sowie Bogenverstärkungen auf und sind mit deutlichen Sporen ausgestattet. Die senkrechte Cauda des G ist etwas eingestellt. Der Mittelteil des konischen M endet im unteren Zeilendrittel. Die Cauda des R und der untere Schrägbalken des K sind geschwungen. Der Schaft des T ist leicht rechtsschräg gestellt. Die Balken des einstöckigen Z liegen linksschräg, der untere ist geschwungen. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Die Schriftmerkmale und das Steinmetzzeichen geben zu erkennen, daß es sich hierbei um eine Arbeit jenes unbekannten Steinmetzen handelt, der das Bühler Friedhofskreuz sowie die Grabmäler für Georg Kentner (gest. 1602?), Johann Schlude (gest. 1606) und einen Unbekannten (A. 17. Jh.) schuf.4 Hingegen weist die Grabplatte für die Lichtenthaler Äbtissin Barbara Veus zwar das gleiche Stz. auf, doch scheint deren Inschrift von anderer Hand geschlagen.5

Friedrich Kraft von Dellmensingen entstammte einer weit verzweigten Patrizierfamilie aus Ulm.6 Er kam am 3. Oktober 1555 als Sohn des evangelischen Ratsältesten Hans Kraft und der Magdalena, geb. Kraft von Dellmensingen, zur Welt.7 Er heiratete Anna Maria Löw, eine Tochter des katholischen Ulmer Patriziers Jakob Löw, mit der er 1586 das erste Kind hatte.8 Im gleichen Jahr trat er seinen Dienst als Vogt der Reichsstadt Ulm in Albeck (Stadt Langenau, Alb-Donau-Kreis) und 1594 in Leipheim (Lkr. Günzburg) an. Am 7. September 1601 wurde er jedoch davon wegen Unordnung im Amt und leichtfertiger Lebensart suspendiert. Danach muß er zu unbestimmter Zeit nach Baden gekommen sein, um vermutlich noch unter Ernst Friedrich von Baden-Durlach seine letzte Stelle als markgräflicher Burgvogt anzutreten.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch eine den unteren Bogen des S durchschneidende Schleife mit Abschwung.
  2. Unterbrechung durch das Ornament.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 55r nr. XXIX. Zur Lokalisierung der Sakristei vgl. Kdm. Baden-Baden 202 (Abb. 149). Zum Grabmal der Martha Wels vgl. nr. 83.
  2. Im Jahre 1865 wurden die Grabmäler im Langhaus in veränderter Anordnung aufgestellt, vgl. Kdm. Baden-Baden 216; s. a. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/281, Spitalkirche, passim.
  3. Der Löwe hier ohne Halsband, vgl. dazu Alberti, Wappenbuch 468.
  4. Vgl. nrr. 417, 422, 427, 434.
  5. Vgl. nr. 404; s. a. nrr. 390, 458 und Einl. Kap. 5.4, LXXXVIIf.
  6. Zum Patriziergeschlecht Kraft vgl. Hans Peter Köpf, von Dellmensingen – ein Adelsname, in: Dellmensingen 1092 1992, hg. v. d. Gemeinde Erbach, Ortsverwaltung Dellmensingen, Ulm 1992, 33–94; Der Stadtkreis Ulm. Amtliche Kreisbeschreibung, hg. v. d. Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit der Stadt Ulm (Die Stadt- und die Landkreise in Baden-Württemberg), Ulm 1977, 351–356 u. ö.; Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 2, 361f.; Albrecht Weyermann, Neue historisch-biographisch-artistische Nachrichten von Gelehrten und Künstlern, auch alten und neuen adelichen und bürgerlichen Familien aus der vormaligen Reichsstadt Ulm, Ulm 1829, 235–258.
  7. Diese und die folgenden Angaben verdanke ich einer freundlichen Auskunft von Hans Peter Köpf, Nagold. S. a. Köpf (wie Anm. 6) o. S. (Stammtafel III); Weyermann (wie Anm. 6) 253.
  8. Vgl. zur Ulmer Patrizierfamilie Löw Der Stadtkreis Ulm (wie Anm. 6) 139 u. ö.; Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 2, 531f. (I).

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 55r nr. XXIX.
  2. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 430 nr. 29.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 121r.
  4. Kdm. Baden-Baden 221 nr. 1.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 435 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0043505.