Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 422 Bühl, Stadtmuseum (Schwanenstr. 11) 1602?

Beschreibung

Zwei Bestandteile eines Epitaphs für den Gastwirt Georg Kentner. Ehemals neben dem Südeingang zum Städtischen Friedhof Bühl an der Innenseite des südwestlichen Abschnitts der Umfassungsmauer. Seit 2007 im Bühler Stadtmuseum.1 Sandstein. Querrechteckige Tafel, auf der ein breiterer, aus zwei Teilstücken zusammengesetzter und nur rechts überstehender Giebel ruht. In der Mitte des Giebelfeldes die Jahreszahl (A), die vom Stz. nr. 50 unterbrochen wird. Das von einer Rahmenleiste umgebene und leicht eingetiefte Binnenfeld der Platte ist durch einen horizontalen Steg in zwei Zonen untergliedert. Ein in der Mitte erhaben ausgearbeitetes Kruzifix teilt diese insgesamt in vier Bereiche. Über dem Haupt des Gekreuzigten ein sich nach beiden Seiten entrollendes Schriftband mit dem Kreuztitulus (B). Unter den Füßen am Kreuzstamm ein fast vollständig verwittertes Steinmetzzeichen, das mit Stz. nr. 50 identisch sein könnte. Die vier Bildfelder zeigen die reliefierten Figuren der Familienangehörigen des Verstorbenen, die das Kreuz kniend anbeten. Oben links die Einzelfigur des Vaters in bürgerlicher Kleidung. Vor ihm ein tartschenförmiger Wappenschild, hinter ihm die Nameninschrift (C). Ihm gegenüber seine vier Ehefrauen, die durch kleine Kreuze als verstorben gekennzeichnet sind. Zumindest drei von ihnen waren in Kopfhöhe mit den entsprechenden Nameninschriften sowie einer kurzen Angabe zur Ehestandsdauer versehen (D–F). In den beiden unteren Zonen die acht Söhne (links) und neun Töchter (rechts). Die teilweise mit einem Kreuz versehenen Namen über ihren Köpfen sind nur noch in geringfügigen Resten wahrnehmbar und nur unvollständig überliefert (v. l. n. r. G–T). Sämtliche Inschriften eingemeißelt, heute stark abgewittert und überwiegend unkenntlich.

Ergänzungen nach Reinfried, Bühler Friedhof.

Maße: H. 105, B. 160, Bu. 2,5 (B), 3 (C), 2 (D–T), Zi. 7–8 cm (A).

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Stadtmuseum Bühl [1/6]

  1. A

    · 1 · 6 // 0 2a)

  2. B

    INRI2)

  3. C

    GEORIG · KE/NTNER · BU/RGER · ZV · BIHEL

  4. D

    DENIGE3) / [hat mit mir gehauset 5 Jar]

  5. E

    MARGRET / DISE [6 Jar]

  6. F

    [Anna Margretb) dise 14 Jar]

  7. G

    V[lrich]

  8. H

    ḤẠṆṢ †̣

  9. I

    J[erk †]

  10. J

    J̣ẠC̣[ob]

  11. K†

    Thomas †

  12. L†

    Jerk

  13. M†

    Hans †

  14. N†

    Hensel

  15. O†

    Maria †

  16. P†

    Barbara †

  17. Q†

    Bärbel

  18. R†

    Maria An(n)a

  19. S†

    Katharina †

  20. T†

    Margreth

Wappen:
Kentner.4

Kommentar

Die Anfangsbuchstaben sind bisweilen größer, manchmal sogar doppelt so groß wie die übrigen ausgeführt. Am Wortanfang endet der obere, spitz auslaufende Bogenabschnitt des G rechts oberhalb der Cauda, das D ist in gleicher Position weit offen. Die beiden Balken des Z sind linksschräg gestellt. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Durch das Steinmetzzeichen und aufgrund vergleichbarer Buchstabenformen läßt sich die Arbeit demselben unbekannten Steinmetzen zuweisen, der auch das Bühler Friedhofskreuz sowie die Grabmäler für Johann Schlude (gest. 1606) und Friedrich Kraft von Dellmensingen (gest. 1606) schuf.5 Daneben ist eine besonders enge stilistische Verwandtschaft des Kruzifixus zum Relief des Gekreuzigten auf dem Bühler Grabmal eines Unbekannten zu beobachten, so daß auch hier dieselbe Herkunft anzunehmen ist.6 Hingegen weist die Grabplatte für die Äbtissin Barbara Veus im Kloster Lichtenthal zwar das gleiche Stz. nr. 50 auf, jedoch scheint deren Inschrift von anderer Hand geschlagen.7

Georg Kentner war der Inhaber des Gasthauses „Zum Bären“, das ehemals vor dem Bühler Nordtor am Weg nach Affental stand.8 Da er für das Jahr 1609 noch bezeugt ist,9 wurde das Epitaph offensichtlich noch zu seinen Lebzeiten angefertigt. Allerdings ist unsicher, ob der datierte Giebel tatsächlich ein ursprünglicher Bestandteil des Grabmals ist.

Textkritischer Apparat

  1. 1607 Reinfried, Fischer, Hirth. Unterbrechung durch das Stz. Danach die senkrechte Fuge zwischen den beiden Giebelteilen. Der untere Balken der spitzen 2 nur undeutlich wahrnehmbar.
  2. Anna Margret] Möglicherweise handelt es sich hierbei um zwei einzelne Namen, die den zwei hinteren Frauen zuzuordnen sind.

Anmerkungen

  1. Inv.-nr. 07/156.
  2. Io 19,19.
  3. Offenbar eine Namensform für „Antonia“, vgl. Gottschald, Namenkunde 90.
  4. Kanne.
  5. Vgl. nr. 427, 434, 435.
  6. Vgl. nr. 417.
  7. Vgl. nr. 404; s. a. nrr. 390, 458 und Einl. Kap. 5.4, LXXXVIIf.
  8. Vgl. Reinfried, Bühler Friedhof II/III, o. S.
  9. Vgl. Reinfried, Bühler Friedhof III, o. S.

Nachweise

  1. Stadtgesch. Inst. Bühl, Photoarchiv, Gruppe 15: Friedhöfe, b.) Bühl-Kernstadt, 2.) einzelne Grabsteine, Grabstein des Kannenwirtes auf dem Bühler Friedhof, o. Neg.-nr.
  2. Reinfried, Stadtpfarrkirche Bühl 8 Anm. 1.
  3. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/56b, Fragebögen (1882), Antwortschreiben des Pfarramts Bühl (Verf. Pfarrverweser Ferdinand Hundt), Beilage, o. S. (erw.).
  4. Reinfried, Bühler Friedhof II, o. S.
  5. Stadtgesch. Inst. Bühl N Reinfried, Reinfried, Skizzenbuch, o. S.
  6. Fischer, Pfarrchronik 14.
  7. Ernst Huber, Bühler Geschichten am Rand der Geschichte, in: Die Ortenau 28 (1941) 105–110, hier 106 (nach Reinfried; Abb.).
  8. Stadtgesch. Inst. Bühl So 53, Schleh, Geschichte Bühl 85 (Abb. 62), 86–88.
  9. Hirth, Sagenspaziergang 13f. (erw.).
  10. Stadtgesch. Inst. Bühl Sg 100, Falk, Grab- u. Gedenksteine 26 nr. 15.b.3.57 (nur C).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 422 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0042208.