Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)
Nr. 414 Baden-Baden-Lichtental, Kloster Lichtenthal, Museum um 1600
Beschreibung
Bildrelief mit der Kreuzigungsszene. Leder, gepreßt, gepunzt, teilweise mit Pappmaché hinterlegt, ehemals blattversilbert.1 Im Zentrum der hochrechteckigen Tafel der Gekreuzigte; über seinem Haupt am Kreuzbalken ein langes geschwungenes Schriftband mit dem dreisprachigen Kreuztitulus (A). Links und rechts des Kreuzstammes stehen Maria und Johannes, über deren Häuptern die Symbolwesen der Evangelisten Lukas und Markus, Stier und Löwe, aus den Wolken hervortreten. Zu Füßen Christi kniet Maria Magdalena im Anbetungsgestus. Links neben ihr das geöffnete Salbgefäß, über dem eine querrechteckige gerahmte Tafel mit dem Trostspruch (B) erkennbar ist. Das Leder ist stellenweise gerissen, das Blattsilber fast vollständig verloren.
Maße: H. 47,5, B. 37,5, Bu. 0,8 (A), 0,2 cm (B).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
ינמיa) · INBIb) · INRI2)
- B
· MORS · REDEVIVAc) / PIISd)3)
Übersetzung:
Der Tod gibt den Frommen das Leben zurück. (B)
Versmaß: Halbvers eines Pentameters. (B)
Textkritischer Apparat
- Lies: (יֵ(שׁזּעַ) · (הַ)נָּ(צְרִי) · מֶ(לֶךְ) · (הַ)יְּ(הזּדִים. Das י ist rechtwinklig gebrochen und bis zur Grundlinie herabgezogen.
- Lies: · I(ESOVS HO) N(AZORAIOS HO) B(ASILEVS TON) I(OVDAION) für Ἰησοῦς ὁ Ναζωϱαῖος ὁ βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων.
- So für REDIVIVA.
- Zentriert gesetzt.
Anmerkungen
- Die Angaben zur Technik nach 750 Jahre Lichtenthal 318 nr. 170.
- Io 19,19.
- Zur Verwendung des Spruches s. a. die anonyme Graphik mit der Darstellung zweier Putti inmitten einer Landschaft in der Graphischen Sammlung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel (Graph C: 450.3) – hier kombiniert mit dem antiken Sprichwort: „Nascentes morimur, mors rediviva piis“, vgl. HAB Wolfenbüttel HS 09-0750, Maschinenschriftliches Register der Graphischen Sammlung mit Standortverzeichnis, systematischem Katalog der Motive und Namensregister, bearb. v. d. Mitarbeitern der Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel 1985–2001, 262.
- Vgl. 750 Jahre Lichtenthal 318 nr. 170. Auch für das hier abgebildete Motiv gibt es ein Pendant im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, vgl. ebd. Da nur noch wenige Exemplare dieser Reihe existieren, wurde das Lederrelief trotz serieller Herstellung in den Katalog aufgenommen.
- Vgl. zum dreisprachigen Kreuztitulus nr. 84 mit Anm. 19; s. a. nr. 367.
- Vgl. Avraham Ronen, Iscrizioni ebraiche nell’ arte italiana del Quattrocento, in: Studi di storia dell’ arte sul medioevo e il rinascimento nel centenario della nascità di Mario Salmi. Atti del Convegno internazionale Arezzo-Firenze, 16–19 novembre 1989, vol. 2, Firenze 1992, 601f.
- Vgl. nr. 84; Mechthild Ohnmacht, Das Kruzifix des Niclaus Gerhaert von Leyden in Baden-Baden von 1467. Typus-Stil, Herkunft-Nachfolge, Bern/Frankfurt/M. 1973, 101–216.
- Vgl. 750 Jahre Lichtenthal 318 nr. 170.
Nachweise
- RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 0428, 07629.
- Kdm. Baden-Baden 466 nr. 30.
- KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 8: Plastik, fol. 51r (Abb.).
- 750 Jahre Lichtenthal 318 nr. 170 (Abb. 170).
- KA Lichtenthal o. Sig., Krupp, Inventar, Bd.: Museum, Innerer Raum 11, Wand III, Wand IV, o. S.
Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 414 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0041406.
Kommentar
Die Buchstaben werden durch deutliche Sporen begrenzt. Die Balken des E sind von unterschiedlicher Länge. Der Mittelteil des M endet in Zeilenmitte. Die Cauda des R ist geschwungen und weit ausgestellt. Als Worttrenner dienen Punkte auf halber Zeilenhöhe, die im Titulusschild zugleich die Nagelköpfe andeuten sollen.
Lederreliefs dieser Art wurden seit dem 16. Jahrhundert mittels Modeln in Serie hergestellt.4 Die Wiedergabe des Kreuztitulus in drei Sprachen läßt sich in der europäischen Kunst seit dem 15. Jahrhundert nachweisen.5 Diese inhaltlich an sich redundante Neuerung entsprach der allgemeinen Tendenz zur stärkeren Beachtung historischer Details und sollte eine höhere Anschaulichkeit erzielen.6 Für den südwestdeutschen Raum hat vor allem der Kruzifix Nikolaus Gerhaerts’ von Leyden eine prägende Wirkung ausgeübt, wie sich an zahlreichen Beispielen belegen läßt.7 Die unmittelbare Vorlage für das hier benutzte Model ist bislang noch nicht ermittelt. Die Datierung in die Zeit um 1600 richtet sich nach der kunsthistorischen Einordnung8 und läßt sich durch den Schriftbefund nicht schärfer eingrenzen.