Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 391 Hörden (Stadt Gaggenau), Landstraße 43 (Heimatmuseum „Haus Kast“) 1592, 1593, 1594

Beschreibung

Torbogen (I), Portal (II) und Wappentafel (III) an dem zweigeschossigen, giebelständigen Gebäude, das um 1787 grundlegend verändert und 1991 generalsaniert wurde.1

I. Torbogen. Der sich östlich an die Giebelfront des Hauses anschließende und mit ihr in einer Flucht liegende Torbogen befindet sich hier nicht in situ, sondern wurde von einem anderen, nicht genau überlieferten Standort im ehemaligen Grundstück hierher versetzt.2 Rötlicher Sandstein. Unter dem seitlich verkröpften Gebälk wird die Einfahrt von einem aus mehreren Segmentsteinen zusammengesetzten Rundbogen überfangen, den auf der Straßenseite zwei Pilaster mit tiefen Kanneluren flankieren. Zwischen den Voluten der ionischen Kapitelle zwei identische Stz. nr. 48. Die Sockel sind mit Beschlagwerk und Diamantquadern versehen. Den mehrfach abgetreppten Architrav verzieren Perlstäbe. Darüber schließen sich ein reliefierter Palmettenfries und ein Eierstabkyma an. Über dem Scheitelpunkt des Torbogens ist dem Fries ein einfach gerahmtes, querrechteckiges Schild mit der eingemeißelten Jahreszahl (A) aufgelegt, das von zwei vollplastisch ausgearbeiteten Wappenschilden flankiert wird.

Maße: H. ca. 11, B. ca. 30, Zi. ca. 7 cm.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. A

    1592

Wappen:
Jakob Kast3, Jakob Kast4.

II. Nordportal an der Ostseite des Hauses. Sandstein. Den Türpfosten sind außen zwei Halbsäulen vorgesetzt, deren Sockel mit Diamantquadern versehen sind. Die Blattkapitelle tragen zwei Kugeln, auf denen scheinbar das seitlich verkröpfte Gebälk aufliegt. Auf den Vorsprüngen des Frieses zwei erhaben ausgearbeitete Wappenschilde, die auch auf der Innenseite des Portals – hier jedoch in der Mitte des Frieses – wiederkehren. Der äußere Fries ist an dieser Stelle mit drei plastisch ausgearbeiteten Blüten besetzt, die die flach reliefierte Jahreszahl (B) unterbrechen. Jede ihrer Ziffern ist zusätzlich in ein rautenförmiges Feld eingestellt.

Maße: H. ca. 250, B. ca. 197, Zi. 7,5 cm.

  1. B

    1 // 5 // 9 // 3

   
Wappen:
Jakob Kast3, Jakob Kast4;
Jakob Kast3, Jakob Kast4.

III. Wappentafel. Die nach Süden weisende Straßenfront wird an den Seiten zwischen dem unteren Stockwerksgesims und dem Fensterbrüstungsgesims der ersten Etage durch zwei hochrechteckige Werksteine mit reliefierten Löwenmasken begrenzt. Dazwischen ist in der Giebelachse eine ebenso große Wappentafel in die Fassade eingelassen. Sandstein, rötlich gefaßt. Im oberen Drittel des eingetieften Binnenfeldes zwei vollplastisch ausgearbeitete Wappenschilde nebeneinander. Darunter in einem noch tiefer abgesetzten Bereich der zeilenweise eingemeißelte Leitspruch, an den sich die Jahresangabe und der Name des ehemaligen Bauherrn anschließen (C). Die leeren Putzflächen zwischen den Ecksteinen und der mit rotbrauner Farbe frisch gefaßten Tafel werden von Eierstäben umrahmt.

Maße: H. ca. 92, B. ca. 46, Bu. ca. 4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. C

    GOT · FORCHTEN / IST · DIE · WEISHEIT / DIE · REICH ·a) MACHT / VND · BRINGT AL/LES · GVTS · MIT / SICH · ANNO DOM(INI)b) / M · D · LXXXXIIII / IACỌḄc) · KAST

 
Wappen:
Jakob Kast3, Jakob Kast5.

Kommentar

Die Kerben der Buchstaben, die vor allem an den Zeilenenden eng gedrängt stehen, sind gleichbleibend schmal geschlagen. Das D ist offen, das I regelmäßig mit einem Punkt ausgestattet. Der Schaft des L ist immer, der des T nur einmal in GVTS rechtsschräg gestellt. Der Mittelteil des konischen M bleibt auf die obere Zeilenhälfte begrenzt. Das O ist spitzoval, die Cauda des R geschwungen. Als Worttrenner dienen kleine Quadrangel auf halber Zeilenhöhe. Die unteren Bogenenden der Ziffern bilden stets eine Schleife aus. Der Schaft der 1 ist stark nach rechts durchgebogen, der Schaft der 5 rechtsschräg gestellt. Die 2 und die 3 sind spitz.

Viele der benannten Schriftmerkmale lassen sich auch auf einem Postament im Gernsbacher Katzschen Garten beobachten.6 Vermutlich wurden die Inschriften in derselben Steinmetzwerkstatt geschlagen.

Der Erbauer des Hauses, der Murgschiffer und Holzhändler Jakob Kast, brachte es durch seine umsichtige, teilweise auch rücksichtslose Geschäftstüchtigkeit zu enormem Reichtum.7 Er soll um 1540 als Sohn des Hilpertsauer Schiffers und Schultheißen Jakob Kast d. A. geboren worden sein.8 Da allerdings sein Schifferzeichen bereits für das Jahr 1553 an einem Kellerportal des ehemaligen Hördener Gasthauses „Zum Ochsen“ bezeugt ist,9 dürfte das tatsächliche Geburtsjahr wohl noch etwas früher liegen. In Hörden durchlief er bei Verwandten die Ausbildung zum Schiffer und Holzhändler.10 In den folgenden Jahren gelang es ihm, zahlreiche Sägemühlen und Waldgrundstücke zu erwerben, unter anderem die ehemals herrschaftliche Sägemühle in Rotenfels. Seine hohen finanziellen Gewinne beruhten jedoch hauptsächlich auf der Monopolisierung des Holzgewerbes durch Markgraf Philipp II. von Baden-Baden.11 Er und sein Nachfolger Eduard Fortunat12 übertrugen die Handelsabwicklung allein dem von ihnen eingesetzten Hauptschiffer Jakob Kast und beteiligten ihn zur Hälfte an den Einnahmen. Ab dem Jahre 1594 konnte er sogar den gesamten Monopolbetrieb als Pächter übernehmen.13 Die hohen Einkünfte gestatteten es ihm, sein Vermögen überdies durch Kreditvergaben zu vermehren.14 Welchem Zweck nun das zwischen 1592 und 1594 nahe am ehemaligen Wohnhaus errichtete Gebäude dienen sollte, ist aufgrund des in seiner Bausubstanz stark veränderten Hauses ungeklärt. Vielleicht handelte es sich um ein Gesellschafts-, Sommer- oder Lusthaus.15 Aus der lediglich die Frömmigkeit des protestantischen Bauherrn bezeugenden Inschrift (C) lassen sich diesbezüglich keine Schlüsse ziehen.

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner durch Beschädigung scheinbar größer.
  2. Abkürzung durch waagerechten Strich über OM.
  3. Die Oberfläche des Steins ist hier stärker abgewittert, der Name jedoch noch sicher identifizierbar.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Baugeschichte des Hauses Karcher, Haus Kast 75–77, hier 76f.
  2. Vgl. ebd. 76.
  3. Schifferzeichen nr. 17 (schwebender Leistenschragen, rechts begleitet von einer schrägrechts verstutzten aufgerichteten Schindel, links von einer schräglinks verstutzten aufgerichteten Schindel). Zur Identifizierung vgl. Dessau, Gernsbach 125 (Abb. aus dem Besitzinventar Johann Jakob Kasts).
  4. Schifferzeichen (drei Schindeln in Form eines linken Seitensparrens angeordnet: oben eine schräglinks liegende und schräglinks verstutzte Schindel, unten eine schrägliegende und schrägverstutzte Schindel, beide Schindeln links begleitet von einer schrägliegenden Schindel); vgl. das annähernd identische Schifferzeichen nr. 18. Zur Identifizierung des Zeichens vgl. Dessau, Gernsbach 125 (Abb. aus dem Besitzinventar Johann Jakob Kasts).
  5. Schifferzeichen nr. 18 (zur Blasonierung vgl. Anm. 4; hier werden jedoch die beiden rechten Schindeln links von einer Längsschindel begleitet).
  6. Vgl. nr. 415.
  7. Vgl. zur Biographie des Murgschiffers Jakob Kast Scheifele, Fernholzhandel 145–170; Hennl, Gernsbach 200; Scheifele, Jacob Kast 738–746; Karcher, Haus Kast 71–75; Dessau, Gernsbach 46–53; Hoffmann, Kast-Problem 418–421; Weber, Murgschiffer 116–125; Renner, Murgflößerei 105–115; Hartmann, Bruchstücke 1–16; A. D. Hartmann, Von dem reichen Jakob Kast zu Hördten in der Grafschaft Eberstein (…), in: Leben und Thaten der drey Bürger Badens: Jakob Kast, Johann Niklaus von Nidda, und Anton Rindenschwender, Karlsruhe 1811, 11–24.
  8. Vgl. Scheifele, Fernholzhandel 147; Scheifele, Jacob Kast 739. Zur Abkunft vgl. Hoffmann, Kast-Problem 419; dies., Gernsbacher Kast 79; dies., Frühe Kast 171 nr. 4.
  9. Vgl. nr. 298.
  10. Vgl. wie auch zu den folgenden Angaben Scheifele, Fernholzhandel 147; Scheifele, Jacob Kast 739.
  11. Vgl. Scheifele, Fernholzhandel 149–152. Zu Markgraf Philipp II. von Baden-Baden vgl. nr. 484.
  12. Zu Markgraf Eduard Fortunat von Baden-Baden vgl. nrr. 499, 500.
  13. Vgl. Scheifele, Jacob Kast 740.
  14. Vgl. Scheifele, Fernholzhandel 169; Scheifele, Jacob Kast 741; Weber, Murgschiffer 120.
  15. Vgl. Karcher, Haus Kast 76; Scheifele, Jacob Kast 743.

Nachweise

  1. LfV Freiburg o. Sig., Fragebögen (1894/95), Antwortschreiben zu Hörden vom Januar 1895 (Verf. Hauptlehrer Heck), o. S. (nur C), beiligend chronikalische Aufzeichnungen zu Hörden, o. S. (nur A, C).
  2. Theodor Humpert / August Feyel, Im Zauber der Heimat. Ein Heimatbuch für das Murg-, Oos- und anschließende Rheintal, Karlsruhe 1926, 99, 106 (nur C).
  3. StdtA Gaggenau Chronik Hö, Langenbach, Dorfchronik Hörden, o. S. (nur C).
  4. Kdm. Rastatt 204f. (Abb. 120–122).
  5. Weber, Murgschiffer 119 (nur A, C).
  6. Scheifele, Murgschifferschaft 190 (nur C).
  7. Ambrus u. a., Kennzeichen RA/BAD 39 (A falsch, C unvollst.).
  8. Karcher, Haus Kast 75 (Abb. zu C).
  9. Scheifele, Jacob Kast 742 (Abb. zu C), 743 (nur C).
  10. Kieser u. a., Kunst u. Kulturdenkmale RA/BAD 197 (nur C).
  11. Scheifele, Fernholzhandel 149 (nur C).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 391 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0039102.