Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 317 Gernsbach, ev. Pfarrkirche (St. Jakob) 1562, 1572

Beschreibung

Grabmal für Graf Wilhelm IV. von Eberstein und seine Gemahlin Johanna, geb. Gräfin von Hanau-Lichtenberg. Ursprünglicher Standort unbekannt. Bis ca. 1824 mit der behauenen Seite nach unten zur notdürftigen Abdeckung der Gruft der Grafen von Eberstein in der Jakobskirche verwendet.1 Danach „an der Wand des Langhauses zur Linken des Hochaltars“ aufgestellt, der damals noch zwischen Chor und Langhaus stand.2 Seit 1842 auf einem Steinsockel im zweiten Chorjoch von Westen aufrecht an der Nordwand.3 Rötlicher Sandstein. Große, hochrechteckige Platte, die horizontal in zwei verschieden große, eingetiefte Felder untergliedert ist. Im oberen Bereich unter zwei Rundbögen, die eine Bogenspitze flankieren und mit ihr verschränkt sind, die ganzfigurigen Abbilder der Verstorbenen im Dreiviertelrelief. Links der Ehemann im Harnisch. Auf dessen Haupt ein mit sieben Straußenfedern geschmückter Helm. Rechts die Frau in langem Mantel über einem Kleid mit Puffärmeln. An ihrer Hulle hängt eine lange Schleppe. Beide Figuren haben die Hände betend zusammengelegt. Unter der Bogenspitze ein kleiner Wappenschild mit dem Stz. nr. 38. Im unteren Plattenviertel, das durch eine breite Leiste vom Figurenfeld abgesetzt ist, zwei reliefierte Vollwappen nebeneinander; der rechte Schild unter zwei Helmen. Auf der abgeschrägten und leicht gekehlten Rahmenleiste des Grabmals die umlaufend eingemeißelten und von außen lesbaren Sterbevermerke: auf dem oberen und linken Abschnitt (A), auf dem unteren und rechten (B), auf der Trennleiste zwischen den Binnenfeldern die Fürbitte (C). Stärkere Beschädigungen am linken Vollwappen und am Rahmen, wodurch Teile der Inschrift verloren sind, bereits durch Mone bezeugt.4

Ergänzungen nach WLB Stuttgart Cod. hist. 4° 70 Fasz. i, Grabschrifft.

Maße: H. 315, B. 150, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. A

    Wilhelm Graff Zu Eberstein desz Schwebischenṇ / [Kraÿsz Oberst]ẹr Regiert · xxxvi · Jar ·a) vnd starb seins alters · lxvi · Jar · als man Zaltt M Db) lxii · Jar ·c)

  2. B

    [J]ohanna Greffin Zv Eberstein geborne Greffin [Zv] / ḥannaw vnd liechtenberg Jerer g(naden)d) Gemahel Jrs alters ⟨lxv⟩ Jar vnd starb als man Zaltt ⟨M D lxxij Den · 27 · Ja(nvari)j̣e)

  3. C

    G̣ottf) Verleihe Jnen Ein Selige Ạ[vfer]stehvngg) ·h)

Wappen:
unbekannt5;
Eberstein6, Hanau-Lichtenberg7.

Kommentar

Die sehr qualitätvoll geschlagenen Inschriften weisen aufwendig verzierte Versalien auf, die in einzelne Schwellzüge zerlegt sind sowie von zahlreichen Haarlinien begleitet bzw. durchkreuzt werden. Unter den Gemeinen tragen die oberen Schaftenden von b, h und l linksschräg herabschwingende Zierlinien. Das freie Ende des unteren g-Bogens bildet häufig eine Schleife aus. Das untere Bogenende des h reicht in den Unterlängenbereich und ist hier weit nach links verlängert. Am Wortende erscheint fast immer das Schleifen-s. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe. Die aufwendiger verzierten Zahlzeichen innerhalb des Sterbevermerks für die später verschiedene Ehefrau und die unverhältnismäßig großen Spatien um deren Altersangabe lassen erkennen, daß das Grabmal bereits nach dem Tod Wilhelms sämtliche Inschriften erhalten hatte und nur die Sterbedaten Johannas nachträglich ergänzt wurden.

Wilhelm IV. war der Sohn Graf Bernhards III. von Eberstein und Kunigundes von Sonnenberg.8 Im Jahre 1522 schloß er am 6. November die Ehe mit Johanna von Hanau-Lichtenberg. Vier Jahre später trat er die Nachfolge seines Vaters an und wurde 1529 zum österreichischen Vizestatthalter in Württemberg ernannt. 1546 übernahm er das Amt des Reichskammergerichtspräsidenten in Speyer. Nach längerem Zögern unterzeichnete Wilhelm IV. im Jahre 1555 das Augsburger Bekenntnis und ermöglichte damit die Einführung der Reformation in der Grafschaft Eberstein.9 Zum Obristen des Schwäbischen Reichskreises wurde er im Jahre 1557 berufen.10 Er behielt diese Funktion bis zu seinem Tod am 1. Juli 1562.11

Textkritischer Apparat

  1. Paragraphzeichenförmiges Quadrangel.
  2. M D] Beide Zahlzeichen oben stark beschädigt; dazwischen möglicherweise ein verlorenes Trennzeichen.
  3. Dem konturierten Quadrangel entspringt ein stark beschädigtes Linienspiel, das als Zeilenfüller dient.
  4. Der stärker ausgerundete obere Bogen des g beschädigt. Kürzung durch schleifenförmige Ausbildung des unteren g-Bogens und Abschwung sowie einen kurzen rechtsschrägen Doppelstrich auf halber Zeilenhöhe.
  5. Vom letzten Buchstaben nur der obere umgebrochene Schaftabschnitt erhalten.
  6. Das eingerollte G bis auf den rechten Bogenabschnitt abgeschlagen.
  7. Die Steinoberfläche im Bereich der ersten fünf Buchstaben abgeplatzt, so daß nur noch die mittleren Schaftabschnitte erkennbar sind.
  8. Konturiertes Quadrangel, dessen rechte Ecke eine Schleife ausbildet.

Anmerkungen

  1. Vgl. Steigelmann, Des Herrn Wort 64; Krieg v. Hochfelden, Geschichte 292.
  2. Vgl. Krieg v. Hochfelden, Geschichte 291; Eisenlohr, Kirchliche Geschichte 124.
  3. Vgl. Steigelmann, Des Herrn Wort 64; Eisenlohr, Kirchliche Geschichte 124.
  4. Vgl. GLA Karlsruhe N Mone 108, Mone (wie unten).
  5. Kopfkreuzschaft mit schräglinker Mittelkreuzstrebe und vorderer Fußendsprosse; vgl. Stz. nr. 38.
  6. Vordere Helmzier: ein Mannesrumpf, die Brust mit dem Schildbild (Rose) belegt, auf dem Kopf eine federbesetzte Mitra. Hintere Helmzier: zwischen zwei außen und in den Mundöffnungen mit je drei Blüten tragenden Lindenstäben besteckten Büffelhörnern eine Rose.
  7. Stark beschädigt. Geviert: 1./4. Lichtenberg, 2/3. Hanau. Helmzier: Hanau.
  8. Vgl. zu den biographischen Angaben Europ. Stammtafeln NF, Bd. 12, Taf. 29; Krieg v. Hochfelden, Geschichte 146–158; Hennl, Gernsbach 247f.
  9. Vgl. Krieg v. Hochfelden, Geschichte 154f.; allg. zur Einführung der Reformation in der Grafschaft Eberstein vgl. Hennl, Gernsbach 104–110, 247–251; Landkreis Rastatt, Bd. 2, 104; Steigelmann, Des Herrn Wort, passim; Eisenlohr, Kirchliche Geschichte 9–14.
  10. Vgl. Krieg v. Hochfelden, Geschichte 157. Allg. zum Schwäbischen Reichskreis vgl. Bernd Wunder, Der Schwäbische Kreis, in: Regionen in der Frühen Neuzeit. Reichskreise im deutschen Raum, Provinzen in Frankreich, Regionen unter polnischer Oberhoheit. Ein Vergleich ihrer Strukturen, Funktionen und ihrer Bedeutung, hg. v. Peter Claus Hartmann, Berlin 1994, 23–39; Bernhard Theil, Die Überlieferung des Schwäbischen Reichskreises in den Staatlichen Archiven Baden-Württembergs, in: Reichskreis und Territorium: Die Herrschaft über der Herrschaft? Supraterritoriale Tendenzen in Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Vergleich süddeutscher Reichskreise. Tagung der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft und der Kommission für bayerische Landesgeschichte in Kooperation mit dem Institut für Europäische Kulturgeschichte (Universität Augsburg) und dem Stadtarchiv Augsburg in Irsee vom 5. bis 7. März 1998, hg. v. Wolfgang Wüst, Stuttgart 2000, 123–138.
  11. Vgl. zum Todestag Europ. Stammtafeln NF, Bd. 12, Taf. 29.

Nachweise

  1. WLB Stuttgart Cod. hist. 4° 70 Fasz. i, Grabschrifft, o. S.
  2. GLA Karlsruhe N Mone 108, Mone, Aufzeichnungen Murgthal, fol. 53v.
  3. Krieg v. Hochfelden, Geschichte 291f. (nach WLB Stuttgart Cod. hist. 4° 70 Fasz. i, Grabschrifft).
  4. Trenkle, Beiträge (1881) 181 (erw.).
  5. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nr. 5135.
  6. StdtA Gernsbach o. Sig., Langenbach, Stadtchronik Gernsbach, fol. 195r.
  7. Langenbach, Grabsteine 337.
  8. Steigelmann, Des Herrn Wort 63 (erw.), o. S. (Abb. 8).
  9. Kdm. Rastatt 146f. (Abb. 85).
  10. Hermann Langenbach, Gernsbach hatte einst zweierlei Herren, in: Der Merkur. Heimatkalender für die Kreise Bühl und Rastatt und die Kurstadt Baden-Baden 1 (1963) 104f. (Abb.).
  11. Kieser u. a., Kunst- u. Kulturdenkmale RA/BAD 210 (erw.).
  12. Landkreis Rastatt, Bd. 1, 92 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 317 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0031702.