Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 220 Bühl, Rathaus I 1524, 1646, 1646?, 1. H. 17. Jh.?

Beschreibung

Portal. Am Westturm des Gebäudes, der ehemals zu der 1879 abgerissenen Pfarrkirche St. Peter und Paul gehörte.1 An dessen Westseite ist unter einer Fensterrosette das ursprüngliche Hauptportal erhalten, dessen Gewände als Eselsrücken gestaltet und mit tief ausgehauenen Stabprofilen verziert ist. Rötlicher Sandstein. An der Stirnseite des Scheitelsteins die eingemeißelte Jahreszahl (A), darüber das Stz. nr. 13. Auf dem breitesten Werkstein des rechten Gewändeabschnitts etwa in Schulterhöhe der eingeritzte Buchstabe (B). Im Inneren des Portaldurchgangs mehrere Rötelgraffiti, die teilweise in Halbkontur ausgeführt sind. Auf der linken Wand die Jahreszahlen 1699 und (C) übereinander; auf dem Mauerquader darunter noch der erste Buchstabe (D) eines Namens (?) erkennbar. Auf der gegenüberliegenden Wand die Jahresangabe 1752, unter der zwei nicht mehr lesbare Wörter folgen. Am Portalgewände und im Inneren des Durchgangs die teilweise mehrfach eingemeißelten Stz. Nrr. 14–18.

Maße: H. 380, B. 280,2 Bu. 5 (B), 30 (D), Zi. 12 (A), 14 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (B), Gotische Kursive? (D).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    · 1 · 5 · //a) · 2 · 4 ·

  2. B

    R

  3. C

    1646

  4. D

    h[. . . .]

Kommentar

In (A) ist der anstrichlose Schaft der 1 stark nach rechts durchgebogen und die 5 S-förmig gestaltet. Beide Ziffern bilden am unteren Ende von Schaft bzw. Bogen dünnstrichige und mehrfach verschlungene Schleifen aus. Die runde 2 wurde etwas kleiner wiedergegeben und an die Oberlinie gerückt. Die 4 ist schlingenförmig. Als Zifferntrenner dienen paragraphzeichenförmige Quadrangel. In (C) ist der Schaft der 1 geschwungen und unten als Schleife ausgeführt. Die 6 ist offen, ihr unterer Bogenabschnitt sehr klein. Die 4 hat einen überdimensional breiten Balken.

Die Jahreszahl (A) dürfte die Fertigstellung des um 1514 begonnen Kirchenbaus datieren.3 Da aus einer Urkunde von 1533 hervorgeht, daß sich damals der Steinmetz Hans von Maulbronn zum zweiten Mal in Bühl niederließ,4 wurden die Baumaßnahmen vermutlich unter seiner Leitung von Werkleuten der Zisterzienserabtei Maulbronn (Enzkreis) ausgeführt.5 Allerdings läßt sich bisher kein einziges der Steinmetzzeichen den bisher im Kloster dokumentierten Zeichen zuordnen.6

Das R ist offensichtlich erst später in das Portal geritzt worden. Die geschwungene und bis unter die Grundlinie gezogene Cauda findet sich vor allem in Inschriften der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.7 Ob Inschrift (D) im Zusammenhang mit der darüber aufgemalten Jahreszahl 1646 zu sehen ist, bleibt fraglich.

Textkritischer Apparat

  1. Unterbrechung der Inschrift durch die Spitze des Eselsrückenbogens.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum Abriß der Kirche Brommer (wie unten). Zur Baugeschichte allg. s. a. Wolfgang Herdt, Katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul (Schnell, Kunstführer 10686), 2. Aufl., Regensburg 2004, 6–8; Coenen, Baukunst 19–23; Wolfgang Baunach, Bühl i. B. – St. Peter und Paul (Schnell, Kunstführer 686), München/Zürich 1958, 5f.
  2. Die Angaben beziehen sich auf die Ausmaße des Portals mitsamt dem Gewände.
  3. Vgl. nr. 181.
  4. Vgl. Mone, Beiträge (1852) 45 Anm. *; Reinfried, St. Peters- u. Paulskirche Bühl 302f.
  5. Vgl. Herdt (wie Anm. 1) 6; Coenen, Baukunst 19.
  6. Vgl. Ulrich Knapp, Zisterziensergotik oder Reichsstil? Zur Interpretation der frühgotischen Bauteile im Kloster Maulbronn, in: Maulbronn. Zur 850jährigen Geschichte des Zisterzienserklosters, hg. v. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Forschungen und Berichte der Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg 7), 189–292, hier 292; Katharina Laier-Beifuss, Marienkapelle und Bibliothek? Zur Gestalt und Funktion des sogenannten Schrägbaus, in: ebd. 293–316, hier 306f.; Alfred Klemm, Württembergische Baumeister und Bildhauer bis zum Jahre 1750, Stuttgart 1882, 127, 217–223.
  7. Vgl. nrr. 436, 458, 461, 468, 513, 515.

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe N Mone 143, Mone, Skizzenbuch, fol. 143r.
  2. Mone, Beiträge (1827) 141 (nur A).
  3. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/8, Fragebögen (1853), Antwortschreiben vom Bezirksamt Bühl am 6.12.1853, Beilage, o. S. nr. 15/16 c (nur A).
  4. GLA Karlsruhe 346/Zug. 1919/14/15, Fragebögen (1853), Antwortschreiben (anonym): Beantwortung der die Alterthums-Verhältnisse des Amtsbezirks Bühl berührenden Fragen, o. S. (nur A).
  5. Beust, Ritter 6 (nur A).
  6. GLA Karlsruhe N Mone 111, Mone, Aufzeichnungen Büllot, fol. 106r (nur A).
  7. [Karl Reinfried], Die alte gothische Kirche zu Bühl, in: Christliche Kunstblätter. Organ des christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg. Beilage zum Freiburger Kirchenblatt 17 (1873) nr. 138, 255f. (nur A).
  8. Reinfried, Stadtpfarrkirche Bühl 5 (nur A).
  9. Reinfried, Geschichte Bühl 37 (nur A).
  10. Reinfried, Stadt- u. Pfarrgemeinde Bühl 101 (nur A).
  11. Reinfried, Bautätigkeit o. S. (nur A).
  12. Reinfried, St. Peters- u. Paulskirche Bühl 295 (nur A).
  13. Heimatkunde Bühl 133 (nur A).
  14. Stadtgesch. Inst. Bühl So 53, Schleh, Geschichte Bühl 36 (nur A).
  15. Schleh, Geschichte 4 (nur A).
  16. Brommer, St. Peter- und Paulskirche 11 (erw.).
  17. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) o. Sig., Liste der Kulturdenkmale, Rastatt, Bühl, Hauptstr. 47, 1990, o. S. (nur A).
  18. Regesten von Windeck 174 nr. 644 (nur A).
  19. Morawietz/Rumpf, Pfarrkirche 10 (nur A).
  20. Coenen, Baukunst 19 (nur A).
  21. Ulrich Coenen, Die Baugeschichte der Stadt Bühl von den Anfängen bis zum Historismus, in: Die Ortenau 77 (1997) 401–430, hier 401 (nur A).
  22. Ulrich Coenen, Der Einfluß der spätgotischen Werkmeisterbücher auf den Entwurf der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Bühl, in: Bühler Heimatgeschichte 13 (1999) 72–94, hier 72, 82 (nur A).
  23. Kieser u. a., Kunst- und Kulturdenkmale RA/BAD 131 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 220 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0022004.