Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 214† Baden-Baden, Stiftskirche Unserer Lieben Frau 1522

Fotos vgl. Druckversion, Abb. 162, 163. Für die Onlineversion wurde keine Fotopublikationsgenehmigung erteilt.

Beschreibung

Metallauflage der Grabplatte für Markgräfin Elisabeth von Baden, geb. Pfalzgräfin bei Rhein. Ehemals innerhalb des ersten Joches westlich des Chorschlusses und südlich der Chorachse im Boden.1 Hier zwischen den Grabplatten für Ottilie von Katzenelnbogen und Katharina von Lothringen.2 Während der Zerstörung der Stiftskirche 1689 beschädigt,3 jedoch noch 1754 auf der steinernen Grabplatte bezeugt.4 Im Zuge der Wiederherstellung der fürstlichen Grablege wohl noch im gleichen Jahr abgenommen5 und zur Säuberung und Ausbesserung nach Rastatt zu Hofschlosser Johann Ögg gebracht.6 Die Steinplatte sollte daraufhin eine neue Messingauflage mit dem Allianzwappenschild und einem kurzen Sterbevermerk erhalten.7 Ein in Straßburg zwischen 1765 und 1771 erfolgter Eisenguß mißlang aber und fand deshalb niemals Verwendung; heute befindet er sich im Kamin des Rittersaales auf Schloß Neueberstein.8 1801 kam aus Rastatt lediglich ein kleines Fragment der ursprünglichen Messingauflage zurück, auf dem nur wenige Worte der oberen Randleiste erhalten geblieben waren.9 Dessen spätere Verlustumstände sind ungeklärt. In die Steinplatte wurde 1801 im Zuge der Wiederherstellung der markgräflichen Grablege nach den Vorgaben Franz Josef Herrs ein neuer Sterbevermerk eingemeißelt.10

Auf der ursprünglichen Reliefplatte war die Verstorbene stehend und im Halbprofil wiedergegeben.11 Sie trug eine Hulle und unter einem leicht gerafften Mantel ein langes Kleid mit Brokatmuster. Die Hände hatte sie im Betgestus vor der Brust zusammengelegt. Aus den Kapitellen der die Figur flankierenden Säulen entsproß Laubwerk, das sich über ihrem Haupt zu einem Baldachin vereinigte und die oberen zwei zueinandergekehrten Wappenschilde der heraldischen Vierahnenprobe umfing. Dazwischen hing ein an einem Bändchen befestigter dritter Schild mit den beiden Eheallianzwappen. Die zwei übrigen Ahnenwappen in den unteren Ecken des Binnenfeldes vor den Säulenbasen. In der vier Zoll12 breiten und von zwei Stegen begrenzten Rahmenleiste der umlaufend ausgeführte Sterbevermerk mit Grabbezeugung.

Inschrift nach Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung.

Maße: H. 229, B. 109.13

Schriftart(en): Kapitalis.14

  1. ILLVSTR(IS)a) DO(MINA) ·b) ELIZABETHc) EX ILL(VSTRIVM)d) / DVCV(M) · BAVARIAE · CO(MITVM) PAL(ATINORVM)e) · RHEN(I)f) · AC · PR(INCIPVM)g) · ELEC(TORVM)h) · STEMATEi) · NATAk) ILL(VSTRIS) / PR(I)N(CIPIS)l) · AC · DO(MINI)m) · PHIL(IPPI)n) · MARCH(I)O(N)IS · A / BADEN · CO(N)IVX · LEGITIMA · DIE · IO(HANNIS) · BAP(TISTAE) · DEF(VNCTA) · HIC · QVIESCIT · M · D · XXII ·

Übersetzung:

Hier ruht die durchlauchte Frau Elisabeth, geboren aus dem Stamm der durchlauchten Herzöge von Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein und Kurfürsten, Ehefrau des durchlauchten Fürsten und Herrn Philipp Markgrafen von Baden, verstorben am Tag Johannes’ des Täufers 1522.

Datum: 24. Juni 1522.

Wappen:
Baden/Pfalz-Bayern15;
Kurpfalz16Pfalz-Bayern17
SavoyenSachsen.

Kommentar

Von den vorliegenden Kopialüberlieferungen scheint die Abzeichnung des Fragments aus dem Jahre 1800 getreu nach dem Originalbefund vorgenommen worden zu sein und somit eine partielle Schriftanalyse zu gestatten.18 Die Buchstaben trugen demnach deutliche Sporen und wiesen kräftige Bogen- und Linksschrägenverstärkungen auf. Das A war nach rechts aus der Achse verschoben, das R besaß eine geschwungene Cauda. Die Enden des breiten T-Balkens waren rechtsschräg geschnitten und sämtliche Balken des E von unterschiedlicher Länge, wobei die Sporen der äußeren nur nach innen ragten.

Fast alle der beschriebenen Schriftmerkmale, daneben auch die Überhöhungen mancher Anfangsbuchstaben, die Kürzung durch gebogene bzw. geschwungene Schrägstriche, die den letzten Buchstaben teilweise durchkreuzen, sowie die Neigung zu Nexus und zum Zusammendrängen mancher Buchstabengruppen lassen sich ebenso auf der Grabplatte für den 1522 verstorbenen Würzburger Domdekan Peter von Aufseß beobachten.19 Da diese aus der Nürnberger Werkstatt Peter Vischers d. Ä. stammt, ist die gleiche Herkunft für das Grabmal der Pfalzgräfin Elisabeth anzunehmen.

Elisabeth war am 16. November 1483 in Heidelberg als Tochter Kurfürst Philipps des Aufrichtigen von der Pfalz und Margaretas von Bayern-Landshut geboren worden.20 Im Jahre 1498 nahm Landgraf Wilhelm III. von Hessen-Marburg sie zur Frau.21 Nachdem dieser zwei Jahre später auf der Jagd tödlich verunglückt war,22 heiratete sie am 30. Januar 1503 Markgraf Philipp I. von Baden.23 Aus dieser Ehe gingen vier Knaben und zwei Töchter hervor, die jedoch bis auf die Erstgeborene, Maria Jakobäa, bereits als Säuglinge verstarben.24 Unter Verwendung der pfälzischen Mitgift (32 000 fl.) und der geerbten hessischen Morgengabe (10 000 fl.) konnte die badische Markgrafschaft 1508 erneut in den Besitz des verlorenen Anteils an der Vorderen Grafschaft Sponheim gelangen, den sie 1463 nach der Schlacht bei Seckenheim an Kurfürst Friedrich von der Pfalz hatte abtreten müssen.25

Textkritischer Apparat

  1. Abkürzung nach Beilage z. Bericht v. 9.11.1800. Hier wird die Cauda des R von einem leicht gebogenen Schrägstrich durchkreuzt. Das I ist etwas größer als die übrigen Buchstaben ausgeführt.
  2. In Beilage z. Bericht v. 9.11.1800 und Bidermann ein Punkt bzw. Quadrangel auf der Grundlinie; vielleicht das Kürzungszeichen für DO(MINA).
  3. Schreibung nach Beilage z. Bericht v. 9.11.1800. Hier das E etwas größer als die übrigen Buchstaben ausgeführt; die Buchstaben IZA stark zusammengedrängt, ZA verschränkt. ELISABETH Reisebeschreibung, Bidermann.
  4. Die Kürzung nach Beilage z. Bericht v. 9.11.1800 durch einen geschwungenen Schrägstrich, der den Schaft des zweiten L durchschneidet.
  5. PALA(TINORVM) Bidermann.
  6. RHENI Bidermann.
  7. PRIN(CIPVM) Bidermann.
  8. ELECTO(RVM) Bidermann.
  9. STEMATE (ohne Nexus litterarum) Bidermann.
  10. NATA (ohne Nexus litterarum) Bidermann.
  11. PRIN(CIPIS) Bidermann.
  12. DO verschränkt.
  13. PHILIPPI Bidermann.

Anmerkungen

  1. Vgl. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 144v: „dans le Choeur (…) au Costé droit de Celuy de Catherine de Lorraine“. Zur Lokalisierung siehe GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nr. 11; GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801) nr. 11, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 136 (Abb. 107).
  2. Vgl. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 144v; siehe dazu nrr. 138, 191.
  3. Zur Zerstörung der Stiftskirche im Jahre 1689 durch französische Truppen vgl. Bartusch, Wiederherstellung 255–258 (im Druck).
  4. Vgl. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 7.
  5. Vgl. zur Erneuerung der fürstlichen Grablege im Chor der Stiftskirche ab ca. 1753 Bartusch, Wiederherstellung 259–283 (im Druck). Markgraf Ludwig Georg von Baden-Baden erteilte den Auftrag zur Erhebung der metallenen Grabplatten im Chor am 10.3.1753 in einem Schreiben an Hofkammerrat Dyhlin und Oberkeller Dürrfeld, vgl. GLA Karlsruhe 195/723, Kirchenbaulichkeiten I, fol. 168r–v. In einem Brief desselben Markgrafen an die Kirchenbaukommission vom 15.9.1757 ist dann ausdrücklich von den „erhobenen“ Epitaphien die Rede, vgl. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Schreiben an Kirchenbaukommission, o. S. Der Hofmechaniker Sebastian Claiß schreibt in seinem Kostenvoranschlag vom 14.4.1777, die Metallauflagen hätten 23 Jahre (also ab 1754) in der Werkstatt des Hofschlossers Johann Ögg gestanden, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Claiß, Kostenvoranschlag, o. S.
  6. Vgl. zur Datierung der Überführung den Kostenvoranschlag von Sebastian Claiß (wie Anm. 5); zur Identität des Hofschlossers Johann Ögg vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Bidermann, Pro Memoria, o. S.; Kdm. Baden-Baden 91, 95.
  7. Vgl. den grundsätzlichen Befehl Markgraf Ludwig Georgs von Baden-Baden vom 10.3.1753 zur Anfertigung neuer Messingauflagen in GLA Karlsruhe 195/723, Kirchenbaulichkeiten I, fol. 168v. Der Wortlaut des vorgesehenen Sterbevermerkes lautete: 11 / Elisabetha M(archionissa) · B(adensis) · / Nata Com(etissa) Palat(ina) / Rheni o(biit) XXIIII / Junij MDLII. (sic!), vgl. GLA Karlsruhe Hfk Pläne J nr. 7 (schwarz), Grundriß Stiftskirche (1755) nr. 11; PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Dürrfeld, Aufnahme, o. S. nr. 11; PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Steinhäuser, Gutachten, o. S. nr. 11.
  8. Der Befehl Mgf. August Georgs von Baden-Baden an Kommissar Dürrfeld, den Guß der Metallauflagen mit der Straßburger Stück- und Glockengießerei vertraglich vorzubereiten, datiert vom 20.12.1765, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Schreiben an Dürrfeld, o. S. Die mißglückte Ausführung in Eisen, die bis 1771 vorgenommen worden sein muß, bezeugt Stiftspropst Ludwig von Harrant am 22.3.1776, vgl. GLA Karlsruhe 47/21, Harrant, Pro Memoria, o. S. Zur Eisenplatte vgl. Einl. Kap. 6 nr. *79. Der Wortlaut des erhaben gegossenen Sterbevermerks lautet: ELISABETHA M(ARCHIONISSA) B(ADENSIS) NATA / COM(ITISSA) PALAT(INA) RHENI / O(BIIT) XXIIII IUNIJ MDLII. (sic!). Über der Inschrift befinden sich die zwei Eheallianzwappen im gemeinsamen Schild unter beiden Helmen: gespalten, vorn Baden, hinten Pfalz-Bayern (geviert: 1/4. Bayern, 2/3. Pfalz).
  9. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 22r; PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nrr. 10f. S. a. die exakte Abzeichnung des Inschriftenfragmentes in GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S.
  10. Die heute stark abgetretene Inschrift lautet: 11. / ELISABETH. / M(ARCHIONIS) PHIL(IP)P(I) I[.] C[O]NJ(VX) / NAT(A) DVC[ISS(A) PALAT(INA)] / O(BIIT) / MDXXII[.] Siehe dazu auch Kdm. Baden-Baden 135 nr. 11; Weis, Stiftskirche 39; GLA Karlsruhe G Baden-Baden nr. 108, Grundriß Stiftskirche (1801) nr. 11, abgedr. in Kdm. Baden-Baden 136 (Abb. 107); GLA Karlsruhe 47/22, Herr, Bericht, o. S. nr. 11.
  11. Beschreibung nach den Abb. in Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 146r; GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S.
  12. Maßangabe nach GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S.
  13. Maßangaben nach der noch vorhandenen Steinplatte, vgl. Kdm. Baden-Baden 135 nr. 11.
  14. Schriftbestimmung nach GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800.
  15. Gespalten: vorn Baden, hinten geteilt von Pfalz und Bayern (das hintere Feld in GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. linksgewendet wiedergegeben).
  16. Geviert und mit ledigem Herzschild (Kurwürde) belegt: 1/4. Pfalz, 2/3. Bayern. In GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. linksgewendet wiedergegeben.
  17. Geviert: 1/4. Pfalz, 2/3. Bayern.
  18. Vgl. GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9. Nov. 1800, o. S.
  19. Vgl. Hauschke, Grabdenkmäler 277f. nr. 82 (Abb. 257).
  20. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 268; Schaab, Geschichte der Kurpfalz, Bd. 1, 224.
  21. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 239.
  22. Vgl. Häusser, Geschichte der Rheinischen Pfalz, Bd. 1, 496.
  23. Vgl. wie Anm. 20; zu Markgraf Philipp I. von Baden vgl. nr. 245.
  24. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 268.
  25. Vgl. Kattermann, Markgraf Philipp I. 5f.; Häusser, Geschichte der Rheinischen Pfalz, Bd. 1, 496 Anm. 28; Schaab, Geschichte der Kurpfalz, Bd. 1, 187.

Nachweise

  1. Bibl. mun. Arras Ms. 176 (1055), Reisebeschreibung, fol. 146r (Abb.).
  2. GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen, o. S. (Abb. des Zustandes um 1774).
  3. GLA Karlsruhe J-C-B/14, Kopie aus GLA Karlsruhe 47/54, Bidermann, Beilagen (Abb.).
  4. GLA Karlsruhe J-C-B/15, Kopie Reisebeschreibung (Abb.).
  5. GLA Karlsruhe 47/57, Beilage z. Bericht v. 9.11.1800, o. S. (exakte Abzeichnung des 1800 noch vorhandenen Inschriftenfragments).
  6. PfA Baden-Baden StiftsA o. Sig., Herr, Gegenbericht, o. S. nrr. 10f.
  7. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 510, Herr, Begräbnisse Stiftskirche, fol. 22r.
  8. Obser, Aufzeichnungen 111 (nach Reisebeschreibung).
  9. Stierling, Beiträge 25 Anm. 2 (nach Reisebeschreibung), 26 (erw.), Taf. 8 (Abb. 2 nach Bidermann, Beilagen).
  10. Kdm. Baden-Baden 139 nr. 3, 140 (Abb. 110 nach Reisebeschreibung).
  11. Hauschke, Grabdenkmäler 263 (Abb. 92 nach Bidermann).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 214† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0021406.