Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 194 Baden-Baden, altkath. Pfarrkirche St. Maria u. Vierzehn Nothelfer (ehem. Spitalkirche) 1518

Beschreibung

Grabplatte für Agathe von Wittstatt, geb. von Ramstein. 1801 von Franz Josef Herr als elftes Grabmal „links des grosen Eingangs“ bezeugt.1 Während der 1865 vorgenommenen Neugestaltung der Kirche im mittleren Langhausjoch als erste Platte von Osten aufrecht an die Nordwand gestellt.2 Im Zuge der Verkürzung des Kirchenschiffes im Jahre 1963 in das östliche Langhausjoch versetzt.3 Hier seither das dritte Grabmal östlich des Seiteneingangs an der Nordwand. Rötlicher Sandstein. Im eingetieften Binnenfeld der hochrechteckigen Platte die reliefierte Darstellung der Verstorbenen. Das Haupt ist bis auf das Gesicht von einer hohen Haube mit hinten abfallendem Schleier bedeckt. Von den vor der Brust im Betgestus zusammengelegten Händen hängt ein Rosenkranz herab. In den Ecken des Binnenfeldes die vier Wappenschilde der Ahnenprobe in Courtoisiestellung. Vor den Füßen der Verstorbenen zusätzlich die zwei Eheallianzwappen in einem Schild. Auf der Rahmenleiste der umlaufend eingemeißelte Sterbevermerk mit Fürbitte, am Außenrand begleitet von einer Ritzlinie. Stark abgetreten. Das obere Fünftel der Platte ist in vier Fragmente zerbrochen und neu zusammengesetzt worden; die rechte untere Ecke abgestoßen.

Maße: H. 209,5, B. 105,5, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Anno D(omi)ni [1]518a) vff de(n) letsten / tag des Nọụẹ(ṃ)ḅṛ(ịṣ) ṣṭạrb die edel ersa(m) frau Agatha gebor(ne) von ramste(n)b) / des edeln veste(n) phillips vo(n) / witstat genant hagenbuch eliche hussfrau der got gnade ·

Datum: 30. November 1518.

Wappen:
Ramstein/Wittstatt4;
Ramstein5Bock von Staufenberg
[unbekannt]6[leer]7.

Kommentar

Die dicht aneinandergereihten, schmal proportionierten Buchstaben weisen eine gleichbleibend feinstrichige Kerbe auf. Die Oberlängen überragen das an sich relativ hohe Mittelband nur wenig. Der als Deckbalken gestaltete obere Abschnitt des oberen g-Bogens ragt rechts über den Schaft hinaus, der untere Bogen holt im Unterlängenbereich nach rechts aus. Das r ist in der Regel als Bogen-r gestaltet. Der obere Bogenabschnitt ist nach links durchgebogen, die Cauda leicht gewölbt. Die linken Schrägschäfte von v und w sind nach rechts durchgebogen und weit in den Oberlängenbereich hinein verlängert. Unter den Versalien erscheint das A in der Grundform des zweistöckigen Minuskel-a, wobei der Schaft stark nach links durchgebogen und der Bogen im unteren Abschnitt gebrochen, im oberen halbkreisförmig nach rechts durchgebogen ist. Das D ist oben offen, sein Bogen nach links verlängert. Das N entspricht der Grundform des entsprechenden Minuskelbuchstaben. Dessen Schäfte sind nach innen eingebogen; der als Haarlinie ausgeführte Aufstrich zum gebrochenen Bogen setzt bereits am linken unteren Schaftende an. Innerhalb der Jahreszahl trägt die 1 keinen Anstrich, die 8 ist voll ausgerundet. Das Interpunktionszeichen am Schluß ist ein paragraphzeichenförmiges Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Die benannten Schriftmerkmale lassen erkennen, daß diese Platte offenbar aus derselben Steinmetzwerkstatt wie das Grabmal für Heinrich Amlung und dessen Frau stammt.8 Als besonders markantes Kennzeichen ist diesbezüglich das A hervorzuheben. Das g, r und das N kehren in gleicher Form teils auf der Grabplatte für Elisabeth Merhelt von Wurmlingen, teils auf der für Erhart vom Han und Anna Wels wieder, wodurch sich ein größerer Werkstattzusammenhang ergibt.9

Agathe von Wittstatt war die Tochter von Anton von Ramstein und seiner Frau Barbara Bock von Staufenberg.10 Spätestens im Jahre 1506 wurde sie Philipp von Wittstatt, dem späteren Obervogt von Altensteig (Lkr. Calw), zur Frau gegeben.11 Aus ihrer Ehe ist bisher nur ein früh verstorbener Sohn unsicher bezeugt.12

Textkritischer Apparat

  1. Die erste Ziffer durch den Bruch zerstört.
  2. Der Bogen des e zerstört. Kürzungszeichen nicht erkennbar. Ram(m)stein Herr.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr (wie unten).
  2. Vgl. Kdm. Baden-Baden 216, 219 nr. 16; zu den Renovierungsmaßnahmen von 1865 s. a. RP Karlsruhe (Denkmalpflege) I/281, Spitalkirche, passim.
  3. Vgl. Stadtkreis Baden-Baden 139.
  4. Gespalten: vorn Ramstein, hinten Wittstatt.
  5. Eine eingebogene Spitze, links oben begleitet von einem sechsstrahligen Stern (beschädigt). Das Wappenbild nicht linksgewendet.
  6. Schrägbalken, der Figur nach belegt mit drei Hähnen; Wappenbild nicht linksgewendet. Der Genealogie nach wäre Schöneck zu erwarten, vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 3, 321.
  7. Kein Wappenbild erkennbar. Nach der Genealogie wäre Sulzbach zu erwarten, vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 3, 321; zum abweichenden Wappen (Baum oder Pilz) vgl. Kindler v. Knobloch, Adel im Oberelsass 408.
  8. Vgl. nr. 221.
  9. Vgl. nrr. 169, 222. Derselben Werkstatt ist auch die Grabplatte für Nikolaus von Argendal zuzuweisen, vgl. nr. 219 und Einl. Kap. 5.2, LXXX.
  10. Vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 3, 321.
  11. Vgl. Hantsch, Herren von Wittstatt 259f. In Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 3, 321 wird die Eheschließung erst in das Jahr 1509 datiert; zu Philipp v. Wittstatt vgl. nr. 206.
  12. Vgl. nr. 175; s. a. Biedermann, Geschlechtsregister Rhön und Werra, Taf. 434: „starb unbeerbt“.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 422f. nr. 11.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 52v nr. XI.
  3. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 134r.
  4. Kdm. Baden-Baden 219 nr. 16.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 194 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0019406.