Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 177 Michelbach (Stadt Gaggenau), kath. Pfarramt St. Michael 1514, 1656

Beschreibung

Altarstein. Vom Altar der älteren Michelbacher Pfarrkirche, die 1768/69 nach Plänen Franz Ignaz Krohmers umfassend erneuert wurde.1 Marmor. Querrechteckige Platte. Auf der Oberseite in der Mitte ein leeres, ebenfalls querrechteckiges Sepulchrum. Davor im Randbereich der unteren breiten Plattenkante zwei flach eingeritzte Weihevermerke nebeneinander, links (A), rechts (B). Die obere linke Ecke weggebrochen.

Maße: H. 16,6, B. 28, T. 3,9, Bu. 0,4 cm.

Schriftart(en): Gotische Buchschrift (A), Humanistische Minuskel (B).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    Consecratum est a suffraganeo Spirensi / Anno 1514a) Septiṃọ dịẹ Maii.

  2. B

    Consecratum est à Suffraganeo / Argentinensi Anno D(omi)nj 1656

Übersetzung:

Geweiht vom Speyerer Suffragan im Jahre 1514 am siebenten Tag des Mai. (A) – Geweiht vom Straßburger Suffragan im Jahr des Herrn 1656. (B)

Kommentar

Beide Inschriften sind mit einem spitzen Stilus in den Stein geritzt worden. Eine zeitgleiche, retrospektive Erstellung der Weihevermerke ist jedoch auszuschließen. So wurde in (A) im Gegensatz zu (B) regelmäßig das Schaft-s verwendet. Der Schaft des einstöckigen a ist stets stark linksschräg gestellt. Der untere, weit offene Bogen des g trifft vor dem Buchstaben von unten wieder auf die Grundlinie. Die stärkste Krümmung des C-Bogens ist asymmetrisch in die obere Zeilenhälfte verschoben. Der Mittelteil des konischen M endet auf halber Zeilenhöhe. In (B) bilden der obere Bogen des g einen geschlossenen, der untere einen fast geschlossenen Kreis. Der linke Schrägschaft des A ist stark geschwungen und unter die Grundlinie verlängert.

Die Weiheinschriften lassen darauf schließen, daß in der Michelbacher Kirche in den Jahren jeweils zuvor umfassende Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden. Merkwürdigerweise ist bereits wieder für das Jahr 1529 ein Vergleich Markgraf Philipps I. von Baden überliefert, in dem er sich mit den Kirchenpflegern von Michelbach über Holz zu einem neuen Kirchenbau einigte.1 Offenbar muß es zwischen 1514 und 1529 zu erheblichen Beschädigungen am Kirchenbau gekommen sein, die erneute Baumaßnahmen erforderten.

Die erwähnte Konsekration von 1514 dürfte durch Lukas Schleppel (auch: Scheppel) erfolgt sein, der als Weihbischof von Speyer ab 1512 bis zu seinem Tode im Jahre 1520 Bischof Georg, Pfalzgrafen bei Rhein,2 zur Seite stand.3 Er war außerdem Titularbischof von Thermae Basilicae (Türkei, Kappadokien, Prov. Kayseri), Inhaber der Pfarrei Bruchsal und Pfarrer von Pforzheim.3 Die Altarweihe von 1656 muß indessen der seit 1646 als Suffragan des Straßburger Fürstbischofs Leopold Wilhelm, Erzherzogs von Österreich, eingesetzte Gabriel Haug, Titularbischof von Tripolis (Libyen), vorgenommen haben.4 Er starb am 10. Januar 1691 und liegt in der St.-Magdalenen-Kirche zu Straßburg begraben.4

Textkritischer Apparat

  1. 1519 Spangenberg. Die Lesart ist wegen eines kleinen Kreises innerhalb der 4 nachvollziehbar, dürfte aber allein deshalb entfallen, weil der 7. Mai 1519 auf einen Samstag, 1514 jedoch auf einen Sonntag (Jubilate) fiel, der üblicherweise für eine Kirchweihe genutzt wurde; vgl. Taschenb. d. Zeitrechnung 194, 210. Der Schaft beider 1 ohne Anstrich, der Bogen der 5 gebrochen.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Baugeschichte Kdm. Rastatt 243f.; 900 Jahre Michelbach: 1102-2002, hg. v. Förderverein „900 Jahre Michelbach e. V.“, Gaggenau-Michelbach 2000, 61.
  2. Zu Bischof Georg Pfalzgraf bei Rhein vgl. Bischöfe (1996) 224f. (Lit.).
  3. Vgl. Bischöfe (1996) 641 (hier irrtümlich als Titularbistum Thermopylen angegeben; Lit.). S. a. Hier. cath., vol. 3, 346; Remling, Geschichte, Bd. 2, 235, 830 (hier „episcopus Thermopolensis“).
  4. Vgl. Bischöfe (1990) 175 (Lit.). S. a. Hier. cath., vol. 4, 384. Zu Bischof Leopold Wilhelm vgl. Bischöfe (1990) 265–267 (Lit.).

Nachweise

  1. Helmut Spangenberg, 200 Jahre Pfarrkirche Michelbach (Informationsblatt), o. O. 1969, o. S.

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 177 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0017708.