Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 167(†) Gernsbach, Hofstätten 1511

Beschreibung

Sog. Kondominatsbrunnen. Ursprünglicher Standort unbekannt; mehrfach versetzt.1 Rötlicher Sandstein. In der Mitte des ovalen Beckens der Brunnenstock auf quadratischem Grundriß. Die Seitenflächen sind leicht gekehlt und zwei davon mit reliefierten Narrenmasken versehen, aus deren Mündern das Wasser durch lange Metallröhren in das Becken rinnt. Die Kanten sind durch Aststäbe betont, die sich im unteren Bereich des Helms in je drei Stränge verzweigen, einander überkreuzen und Eselsrücken bilden. Unter den vier Schnittpunkten je ein reliefierter Wappenschild, im Süden statt dessen die eingemeißelte Jahreszahl. Den Brunnenstock bekrönt eine schlanke Pyramide, die oben in einer große Kreuzblume endet und von vier kleineren umgeben ist. Nach zahlreichen Ausbesserungen und Ersetzungen ist offenbar kaum noch ein Teilstück original.2 Der mittlere Abschnitt des ursprünglichen (?) Brunnenstocks befindet sich derzeit im Katzschen Garten und trägt die Inschrift ERNEJERT / 18 · 26. Die Pyramide stammt den Inschriften ihrer Dachflächen zufolge von 1851.3

Inschrift nach heutigem Befund.

Maße: H. ca. 330, B. 350, Zi. 8 cm.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. · 1511 ·

Wappen:
Stadt Gernsbach4, Baden-Sponheim, Eberstein.

Kommentar

Die Ziffernformen scheinen exakt vom Original übernommen worden zu sein: Die Schäfte sämtlicher 1 sind oben umgebrochen, unten rechtsschräg geschnitten und links ansatzweise zu einer Zierlinie ausgezogen. Die 5 besitzt keinen Schaft; ihr rechtes Balkenende ist nach oben gebogen, das untere Bogenende weit unter die Grundlinie verlängert und hakenförmig nach rechts gekrümmt. Die Jahreszahl flankieren paragraphzeichenförmige Quadrangel.

Die Wappen Baden-Sponheim und Eberstein verweisen darauf, daß die Stadt Gernsbach seit 1387 unter dem Kondominat der Markgrafen von Baden und der Grafen von Eberstein stand.5 Die ursprüngliche Spaltung in zwei Verwaltungsbezirke wurde 1505 im Einwurfsvertrag zwischen Christoph I. von Baden und Bernhard III. von Eberstein aufgehoben, so daß fortan beide Landesherren die gesamte Grafschaft Eberstein gemeinschaftlich regierten.6 Der Brunnen trägt mit dem Wappenschmuck den damals geltenden Herrschaftsverhältnissen Rechnung; ein ursächlicher Zusammenhang seiner Errichtung mit der Vertragsschließung ist aber aufgrund des großen Zeitabstandes von sechs Jahren sicher auszuschließen.7

Anmerkungen

  1. Vgl. Kunitzki, Gernsbach 75.
  2. Am Beckenrand sind folgende Jahre bezeugt, in denen der Brunnen restauriert wurde: 1826, 1922, 1951, 1982 und 1992.
  3. Auf der nordwestlichen Seitenfläche steht: Dem / Andenken / S(einer) K(öni)gl(ichen) Hoh(eit) / des / Höchstseligen / Grosherzogs / Leopold / 1851. Auf der südwestlichen: Obiger / Strausz / zu Ehren / Leopold / die 4 Untern / zu Ehren / dem Regent. Auf der nordöstlichen: Zur Feier / des / allerhöchsten / [– – –] / des Prinz / Regenten / Friedrich / Sept(ember) 1851. Die nordsüdliche Seite unkenntlich. Die Erneuerung im Jahre 1851 wurde notwendig, weil der Brunnen in den Kämpfen von 1849 beschossen worden war, vgl. GLA Karlsruhe N Mone 108, Mone (wie unten).
  4. Ein schräglinks gelegter Doppelhaken; vgl. Kreis- u. Gemeindewappen 49; John, Wappen 51.
  5. Vgl. Hennl, Gernsbach 88f.; s. a. allg. zur Herrschaftsgeschichte von Gernsbach Landkreis Rastatt, Bd. 2, 96–98.
  6. Vgl. Hennl, Gernsbach 96–100; den Wortlaut des Einwurfsvertrags siehe in Krieg v. Hochfelden, Geschichte 125–135, 431–442.
  7. Vgl. hingegen Kunitzki, Gernsbach 75; Schneider (wie unten); StdtA Gernsbach o. Sig., Langenbach (wie unten).

Nachweise

  1. GLA Karlsruhe N Mone 108, Mone, Aufzeichnungen Murgthal, fol. 24v.
  2. Schneider, Geschichte Gernsbach 9 (Abb.).
  3. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 01860, 660/34, 3160/8, 3160/10.
  4. StdtA Gernsbach o. Sig., Langenbach, Stadtchronik Gernsbach, Bd. 2, fol. 130r.
  5. Kdm. Rastatt 188f. (Abb. 111).
  6. Langenbach, Oberamtsstadt Gernsbach 143.
  7. John, Wappen 51 (erw.).
  8. Kunitzki, Gernsbach 20, 37 (Abb.), 75.
  9. Kieser u. a., Kunst- u. Kulturdenkmale RA/BAD 209.
  10. Landkreis Rastatt, Bd. 2, 139 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 167(†) (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0016702.