Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 166 Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle um 1510

Beschreibung

Tafelbild mit Markgraf Christoph I. von Baden und seiner Familie in Anbetung der hl. Anna Selbdritt. Das Gemälde findet erstmals in einem Inventar von 1691 über den Inhalt der Transportkisten Erwähnung, in denen der Besitz des Markgrafen Friedrich VII. Magnus von Baden-Durlach aus der Karlsburg zu Durlach (Stadt Karlsruhe) nach Basel verbracht wurde, um ihn dem Zugriff der französischen Truppen Ludwigs XIV. zu entziehen.1 Dort noch 1764 von Johann Christian Sachs in den baden-durlach’schen Archivräumen bezeugt.2 1789 in die Karlsruher Gemäldegalerie überführt und 1832 von Großherzog Leopold als Antependium für den Hochaltar der Fürstenkapelle im Kloster Lichtenthal zur Verfügung gestellt.3 Von hier wohl bereits 1833 der neu eingerichteten Kunsthalle zu Karlsruhe übergeben.4 Öl auf Holz. In der Mitte der breiten, querrechteckigen Tafel ein steinerner Thron, auf dem Maria und Anna schräg einander zugekehrt sitzen. Die Gottesmutter hält den nackten Jesusknaben auf dem Schoß, der mit seiner Rechten einen Apfel umfaßt und mit der Linken in den Seiten eines geöffneten Buches blättert, das ihm Anna zeigt. Die Häupter der Heiligen sind mit Strahlennimben versehen, in die die entsprechenden Nameninschriften in goldenen Konturbuchstaben gemalt sind (A, B); der Kreuznimbus Christi ohne Umschrift. Links im Bild Markgraf Christoph I. von Baden im Harnisch mit seinen zehn Söhnen. Vor ihm ein Vollwappen, dessen Schild von der Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies umgeben ist. Hinter ihm der älteste Sohn Jakob im Bischofsornat, die übrigen teilweise im Harnisch oder als Domherren gekleidet. Auf der rechten Bildhälfte die fünf Töchter und Christophs Gemahlin Ottilie von Katzenelnbogen. Vor ihr das entsprechende Vollwappen. Zwei der Frauen im Zisterzienserinnenhabit, eine davon mit Äbtissinnenstab. Sämtliche Familienmitglieder auf Knien und im Anbetungsgestus wiedergegeben. Im Hintergrund eine zur Bildmitte abgestufte Mauer.

Maße: H. 67,5, B. 219, Bu. 1,7 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe [1/3]

  1. A

    · SANCTA · MARIA · DEY · ENIDRIXa)

  2. B

    · SANCTA · ANAb) · MATER · MAc)

Übersetzung:

Heilige Maria, Gottesgebärerin (A). – Heilige Anna, Mutter Marias (B).

Wappen:
Baden-Sponheim, Katzenelnbogen.

Kommentar

Die in Kontur gemalten Buchstaben zeigen mitunter deutliche Bogenverstärkungen und keilförmige Verbreiterungen der Schaft- und Balkenenden. Manche der freien Buchstabenbestandteile tragen gekrümmte Sporen. Das leicht trapezförmige A ist bisweilen nach links aus der Achse verschoben, ebenso der Mittelteil des geraden oder geringfügig konischen M, der auf halber Zeilenhöhe endet und dessen rechter Abschnitt als Haarlinie ausgeführt ist. Letzteres trifft ebenso auf den Schrägschaft des N, der zusätzlich in der Mitte durch eine Ausbuchtung nach oben verziert ist, und auf den Linksschrägschaft des X zu, dessen breiter Rechtsschrägschaft fast senkrecht steht und von einem waagerechten Mittelbalken durchkreuzt wird. Das kapitale E hat drei gleich lange Balken, der des T ist teils links-, teils rechtsschräg geschnitten. Als Worttrenner dienen Rauten oder Kreise, in deren Mitte ein Punkt sitzt und die von konzentrischen Strahlen umgeben sind.

Das Gemälde wird seit seiner Eingliederung in die Bestände der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe dem Oeuvre Hans Baldung Griens zugeordnet.5 Seine Urheberschaft ist seither nicht mehr in Frage gestellt worden. Der Maler erhielt 1509 das Straßburger Bürgerrecht und fertigte in den folgenden Jahren einige Porträts des Markgrafen Christoph I. von Baden an.6 Die ursprüngliche Zweckbestimmung des großen Familienbildes liegt allerdings bis heute im Dunkeln.7 Viel spricht dafür, daß es neben seiner Funktion als Frömmigkeitszeugnis auch eine politische Dimension hatte. So kam es Markgraf Christoph wohl darauf an, die künftige Herrschaftsverteilung unter seinen Söhnen zugunsten von Philipp zu manifestieren.8 Denn entgegen der durch die Geburt geregelten Rangfolge ist dieser hier in der zweiten Reihe im Vordergrund abgebildet, während sein älterer Bruder Bernhard neben ihm an zweiter Stelle erscheint.

Die Datierung der Tafel richtet sich einerseits nach der Ankunft Baldungs in Straßburg (1509), andererseits nach dem stärker ausrasierten Kinn- und Backenbart Markgraf Christophs, wie er ihn nach einem Holzschnitt desselben Meisters zumindest ab 1511 trug.9 Da es nach der ersten Eheschließung des Sohnes Ernst am 29. Mai 1510 keinen Grund mehr gegeben hätte, ihn (am linken Bildrand) nicht auch im Harnisch darzustellen, dürfte die Entstehung des Bildes zeitlich davor liegen.

Textkritischer Apparat

  1. So statt GENITRIX.
  2. So statt ANNA. Kürzungszeichen nicht erkennbar.
  3. Der untere Teil des Nimbus scheinbar hinter dem Rücken der Figur verborgen. Lies: MARIAE.

Anmerkungen

  1. Vgl. Krimm, Markgraf Christoph I. 199 (unter Bezugnahme auf GLA Karlsruhe 56/4077, fol. 95).
  2. Vgl. Sachs, Einleitung, T. 3, 139; s. a. Schoepflinus, Historia, tom. 2, 287.
  3. Vgl. Krimm, Markgraf Christoph I. 202.
  4. Vgl. ebd. 204 (Inv.-nr. 88). Für das Kloster wurde deshalb im gleichen Jahr von August Booz eine Kopie angefertigt, die folgende Inschrift erhielt: LEOPOLDUS D(EI) G(RATIA) DUX MAGNUS BADENSIS IN MEMORIAM PROGENITORIS CHRISTOPHORI I. MARCHIONIS BADENSIS, vgl. Krimm, Markgraf Christoph I. 203 (übers.: Leopold, von Gottes Gnaden Großherzog von Baden im Gedenken an den Vorfahren Markgraf Christoph I. von Baden). In KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 7: Gemälde, fol. 15r ist jedoch vermerkt, daß das Originalgemälde von 1832 bis 1853 zur Ausstattung der Fürstenkapelle gehört habe und erst danach in die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zurückgenommen worden sei.
  5. Vgl. wie auch zu den folgenden Angaben Krimm, Markgraf Christoph I. 204.
  6. Vgl. AKL, Bd. 6, 437f.; zu den Porträts vgl. SpMAORh, T. 1, 450 nr. 276.
  7. Vgl. Krimm, Markgraf Christoph I. 215.
  8. Vgl. hierzu ausführlich Krimm, Markgraf Christoph I. 205–215.
  9. Vgl. wie auch zu den folgenden Angaben ebd. 214f. Zu Baldungs Holzschnitt (1511) vgl. Hans Baldung Grien in Freiburg, Katalog der Ausstellung im Augustinermuseum 19. Oktober 2001 bis 15. Januar 2002, hg. v. Saskia Durian-Ress, Freiburg i. Br. 2001, 204f. nr. 46; SpMAORh, T. 1, 450 nr. 276. Zu den übrigen Porträts Markgraf Christophs I. vgl. nrr. 184, 232.

Nachweise

  1. Schoepflinus, Historia, tom. 2, 287 (erw.), 237 (Kupferstich nach dem Gemälde, gezeichnet von Hieronymus Holzach, gestochen von Martin Weis).
  2. Brambach, Bildnisse 14 nr. 52 (erw.; Lit.).
  3. Müller, Badische Fürsten-Bildnisse, o. S. nrr. 3–5.
  4. Die Gemälde des Hans Baldung gen. Grien in Lichtdruck-Nachbildungen nach den Originalen, mit Unterstützung der Stadt Freiburg i. Br. zum Erstenmale hg. v. Gabriel von Térey, Bd. 1, Strassburg 1896, nr. 13 (Abb.).
  5. Ausstellung Baden-Baden (1902) 141 nr. 1406 (erw.).
  6. Koelitz, Katalog 44f. nr. 88 (erw.).
  7. Ausst. Mittelalterliche Kunst 7 nr. 2 (erw.).
  8. KA Lichtenthal o. Sig., Bauer, Inventar, Bd. 7: Gemälde, fol. 15r–16r (Abb.).
  9. Gert von der Osten, Hans Baldung Grien, Gemälde und Dokumente, Berlin 1983, 55–58 nr. 9 (Lit.), Taf. 22f. (Abb. 9, 9.1–2).
  10. Schwarzmaier u. a., Geschichte 94 (Abb.).
  11. SpMAORh, T. 1, 448f. nr. 275 (Abb. 275; Lit.).
  12. Wilfried Rogasch, Schatzhäuser Deutschlands. Kunst in adligem Privatbesitz, München 2004, 22f. (Abb.).
  13. 500 Jahre Stadtordnung 66 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 166 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0016605.