Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 141 Rastatt, kath. Pfarrkirche St. Bernhard 2. H. 15. Jh., 1525?

Beschreibung

Wandmalereien. Innen an den Wänden des Chores, der aus einem 5/8-Polygon und einem westlich daran anschließenden Joch besteht. Zahlreiche stark verblaßte und nur noch fragmentarisch erhaltene Szenenfolgen bzw. Heiligenfiguren, die verschiedenen Stilepochen angehören. 1908 freigelegt.1 Im Sockelbereich des Chorschlusses und im gesamten Bereich des Chorjoches sind die einzelnen Bilder durch schmale Bänder voneinander abgesetzt.2

Beiderseits der Seiten- und Flankenfenster des Chorpolygons je zwei Heiligenfiguren: im Norden eine weibliche Heilige und die Gottesmutter, im Nordosten eine Heilige mit Lamm (hl. Agnes?) und die Figur eines Papstes (Alexander I.?), im Südosten Christus, wie er sich vom Kreuz zum hl. Bernhard herabbeugt (Amplexus),3 und eine gekrönte Heilige, im Süden schließlich zwei weitere weibliche Heiligen. Die Malereien um das Achsenfenster verloren. Im Sockelbereich des Chorschlusses lediglich Reste einer Bischofsfigur und einer Kreuzabnahme erkennbar. Unterhalb der Figur der Muttergottes außerdem noch ein gewundenes weißes Schriftband mit der schwarzen, anscheinend nicht originalgetreu nachgezogenen Inschrift (A).

An der Südwand des Chorjoches ein mehrzoniger Bildzyklus zur Legende der hl. Barbara und zum Guten Hirten. An der Nordwand gegenüber existierte offenbar eine ähnlich umfangreiche Szenensequenz, von der jedoch nur noch in etwa 2 m Höhe eine nicht mehr identifizierbare Bilderfolge erkennbar ist, die zudem von der nachträglich eingesetzten Sakristeitür unterbrochen wird. Hier etwa in der Mittelachse der Wandfläche ein fast quadratisches Feld, in dem vor rötlichem Hintergrund eine Anbetungsszene dargestellt ist. Rechts eine stehende Figur in Frontalstellung, die mit ihrer angewinkelten Linken das Ende eines sich oberhalb ihres Hauptes entrollenden weißen Schriftbandes hält. In dessen Mitte zwei Buchstaben mit schwarzer Farbe nachgezogen (B), der übrige Text verloren. Links im Bild eine weitere Figur im Profil, die die andere auf Knien anbetet. Der gesamte Wandbereich oberhalb dieser Szene wurde von einer jüngeren Malerei überdeckt, die jedoch auch größtenteils zerstört ist. Sauer erkannte darin noch „eine unter einem Baldachin thronende Person mit Zepter, vor der eine andere kniet.“4 Von diesen Figuren sind nur noch die Oberkörper erkennbar.

Getupfte Flächen dokumentieren die vorgenommenen Restaurierungen, deren erste zwischen 1911 und 1912 durch Theodor Mader aus Karlsruhe vorgenommen wurde.1 1948 erfolgte die Behebung von Kriegsschäden.1

Maße: H. ca. 50 (A), 54 (B); B. ca. 30 (A), 57 (B); Bu. 4,5 (A), 2 cm (B).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis? (A), Gotische Minuskel (B).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    [– – –]Ta) · NICHTS · WẸ[. .]Tb) IO · VIc)5) / 1575d)

  2. B

    [– – –]ma[– – –]

Kommentar

Da im Zuge der vorgenommenen Restaurierungen der Originalzustand von Bildern und Inschriften größtenteils überformt wurde, erübrigt sich eine Schriftbeschreibung. Erwähnt seien deshalb nur einige typische Details aus Inschrift (A), die anscheinend dem Originalbefund entsprechen. Dazu zählen die nach oben gerichtete Ausbuchtung am Balken des H, die deutlich schmalere Ausführung des Schrägschaftes des N und das spitzovale O.

Josef Sauer unterscheidet innerhalb der Chorausmalung drei bzw. vier verschiedene Malstile.6 Dabei datiert er die frühesten Bilder, wozu der St.-Barbara-Zyklus, die Darstellung des Guten Hirten und die kleinere Szenensequenz an der Nordwand des Chorjoches zählen, in die Zeit um 1470. Zu diesem Datierungsansatz paßt die Verwendung der Gotischen Minuskel in Inschrift (B).7 Die Heiligendarstellungen um die Chorfenster ordnet Sauer indessen den Jahren zwischen 1510 und 1520 zu, obwohl im Sockelbereich die Jahreszahl 1575 ausgeführt ist (A). Diese inschriftliche Datierung paßt allerdings weder zum Stil der Heiligenfiguren noch zu den oben angegebenen Schriftmerkmalen, die vielmehr zum Formengut der Frühhumanistischen Kapitalis gehören.8 Vermutlich war die Jahresahl nach der Freilegung kaum mehr lesbar, weshalb Sauer auch die abweichende Lesung 1573 angibt. Anscheinend wurde bei der Wiederherstellung zumindest die dritte Ziffer falsch nachgezogen, so daß nun eine 7 falsch für eine spitze 2 steht. Andernfalls wäre anzunehmen, daß nur die fast gänzlich erloschenen Malereien unter den Chorfenstern um 1575 erstellt wurden. Die Ausmalung im oberen Bereich der Nordwand des Chorjoches entstand offenbar erst im 17. Jahrhundert.

Textkritischer Apparat

  1. [– – –]DT Sauer.
  2. Lies vermutlich: WE[HR]T oder WE[RD]T, vgl. Anm. 5.
  3. IO · VI] LOVI Sauer.
  4. 1573 Sauer. Lies vermutlich 1525, vgl. Kommentar.

Anmerkungen

  1. Vgl. zu Aufdeckung und Restaurierung der Wandmalereien Weber, Bernharduskirche 156–167; s. a. die Brief- und Aktensammlung im PfA Rastatt o. Sig., St. Alexander, Rubr. Nr. IX Kirchenbaulichkeit, vol. 1: Die Bernarduskirche, Erbauung, Unterhaltung, Restaurierung 1875–1960, passim.
  2. Vgl. die ausführliche Beschreibung der Malereien in einem Gutachten Josef Sauers von 1911, teilweise abgedr. in Weber, Bernharduskirche 160–163. S. a. Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1911) 421–423; ders., Kunst 387f.; RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 01949–01953, 01974–01975.
  3. Vgl. LCI, Bd. 5, Sp. 378f. (Abb. 4); s. a. die Farbabbildung in Himmelein, Beiträge, o. S. (Taf. 23).
  4. Vgl. Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1911) 422.
  5. Wohl nach Jh 6,63: „das Fleisch ist nichts nütze (= wert).“
  6. Vgl. Weber, Bernharduskirche 160–164.
  7. Vgl. zur Gotischen Minuskel Einl. Kap. 5.2, LXXVIII–LXXXIII.
  8. Vgl. zur Frühhumanistischen Kapitalis und ihrer zeitlichen Einordnung Einl. Kap. 5.3, LXXXIVf.

Nachweise

  1. Sauer, Kirchliche Denkmalskunde (1911) 422 (nur A).
  2. Sauer, Reformation und Kunst 447f. (erw.).
  3. Weber, Bernharduskirche 161 mit Anm. 18 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 141 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0014108.