Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 104 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1475–78

Beschreibung

Grabplatte für Albrecht von Berwangen und seine Frau Margareta, geb. von Nippenburg. Im Jahre 1801 von Franz Josef Herr vor dem Eingang zum nördlichen Nebenchor an den Stufen des ehemaligen St.-Sebastian-Altars im Boden liegend bezeugt.1 1942 nicht mehr auffindbar.2 Vermutlich während der Fußbodensanierung 1967/68 wiederentdeckt und innen an die Westwand südlich des Hauptportals gestellt.3 Hochrechteckige, nachträglich unten beschnittene Platte aus rötlichem Sandstein. Im Zentrum des Binnenfeldes zwei reliefierte Eheallianzwappen unter gemeinsamem Helm. Darüber eine Aussparung für einen verlorenen Eisenring,4 flankiert von zwei kleineren Wappenschilden. Analog dazu befanden sich ehemals vermutlich auch unterhalb der Eheallianzwappen zwei Ahnenschilde. Dieser Abschnitt fehlte bereits 1801.1 Die umlaufend eingemeißelten Sterbevermerke werden von zwei Ritzlinien begleitet. Der obere Plattenrand ist heute teilweise überputzt.

Maße: H. 181, B. 112,5, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Anno · d(omi)ni · M · cccc · lxiiij · die · xxv · ṃẹ(ṇ)ṣ(ịṣ)a) [·] / Augusti · Obijt · Albertusb) · de · Berwangen · Anno · d(omi)ni · M · ccc[clxxvc) – – – / – – – / – – – ]usd) · quorum · anime · Requiescant · in pacee) · amenf)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1464 starb am 25. Tag des Monats August Albrecht von Berwangen. Im Jahr des Herrn 1475 (?) (starb am … Margarete von Nippenburg, seine Frau), deren Seelen in Frieden ruhen mögen. Amen.

Wappen:
Berwangen, Nippenburg;5
Trigel6Heimerdingen7
[verloren][verloren].

Kommentar

Die Kerben der schlanken und eng gestellten Buchstaben sind sehr schmal geschlagen und in der Regel unverziert. Die oberen Schaftenden von b und l sowie das untere von q sind gespalten. Der nach rechts ausholende und geradlinig ausgeführte Bogen des g hat keinen Kontakt zum Schaft. Das r wurde stets als Bogen-r ausgeführt, dessen quadrangelförmiger Bogen die nur schwach gekrümmte Cauda ebenfalls nicht berührt. Unter den Versalien erscheint das A teils spitz mit beiderseits überstehendem Deckbalken und leicht eingebogenen Schäften, teils auch in der Grundform des Minuskel-Buchstaben. Im Sterbevermerk für den Ehemann ist das M unzial und mit spitzovalem, nahezu geschlossenem linken Bogen gestaltet. Innerhalb der zweiten Jahreszahl besteht der linke Teil aus zwei parallelen, leicht nach links gekrümmten Schäften. Beidemal ist das untere rechte Bogenende unter der Grundlinie als kurzer waagerechter und vom Buchstaben abgetrennter Balken ausgeführt. Das B ist weit nach links aus der Achse geschoben, wobei die Bögen den stark gekrümmten Schaft nicht berühren. Der Bogen des R ist zu einer kurzen, linksschrägen Linie verknappt, seine weit oben ansetzende Cauda gebrochen und ausgestellt. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Der gleichbleibende Schriftduktus läßt erkennen, daß die inschriftlichen Sterbevermerke für beide Eheleute offenbar zur gleichen Zeit erstellt wurden. Ein Vergleich mit den Buchstabenformen auf den Grabmälern für Kaspar Vogt (1485?), Hans Ulrich (1492) und Jakob Dieffenbach (1495) deutet überdies darauf hin, daß diese vier Arbeiten sowie ein weiteres Fragment aus derselben Steinmetzwerkstatt stammen.8

Albrecht von Berwangen war der Sohn Heinrichs von Berwangen und Else Trigels.9 Im Jahr 1455 ist er als Vogt zu Baden10, 1457 und 1458 als Vogt zu Pforzheim11 bezeugt. Mit seiner Frau Margarete, der Tochter Hans’ von Nippenburg und Margaretes von Heimerdingen,12 besaß er in Pforzheim ein Haus, das er einst von Dietrich von Gemmingen erworben hatte und das Markgraf Karl I. von Baden am 5. April 1459 von allen Abgaben befreite.13

Textkritischer Apparat

  1. Die obere Hälfte des Wortes überputzt.
  2. Das Bogen-r aus einem geradlinigen Bogen und einer quadrangelförmigen Cauda auf der Grundlinie bestehend.
  3. Ergänzung der Jahreszahl nach Herr. Die Vollständigkeit der Zahlzeichen unsicher.
  4. Ergänze vermutlich zu: ccc[clxxv – – – Obijt – – – Margareta de Nippenburg uxor ei]us.
  5. in pace] In scriptura continua.
  6. Der rechte Schaft des n in weitem Bogen zur Grundlinie geführt. Der verbleibende Platz auf der Rahmenleiste (ca. 25 cm) leer.

Anmerkungen

  1. Vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr (wie unten).
  2. Vgl. Kdm. Baden-Baden 142 nr. 19; die hier vage geäußerte Identifizierung mit dem in ebd. 113 nr. 11 vorgestellten Grabmal (vgl. nr. 115) falsch.
  3. In Weis, Stiftskirche 35 nr. 9 wieder als existent bezeugt. Zu den Baumaßnahmen von 1967/68 vgl. ebd. 19–21.
  4. 1801 war der eiserne Ring noch vorhanden, vgl. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr (wie unten).
  5. Gemeinsame Helmzier: Berwangen (Flug, beide Schwingen mit der Schildfigur belegt).
  6. Der untere der drei Balken stark verwittert.
  7. Die zwei schräggekreuzten Rechen stark verwittert.
  8. Vgl. nrr. 109, 118, 125, 134 sowie Einl. Kap. 5.2, LXXIX.
  9. Vgl. RMB, Bd. 4, nr. 7829. S. a. Topogr. Wb., Bd. 1, Sp. 164. Zum Geschlecht von Berwangen allg. vgl. Oberbad. Geschlechterbuch, Bd. 1, 64. Zur Familie Trigel, die von den Herren von Öwisheim abstammt, vgl. ebd. 240.
  10. Vgl. RMB, Bd. 4, nrr. 7847, 7886.
  11. Vgl. ebd. nrr. 8085, 8122, 8229.
  12. Vgl. ebd. nr. 9334. S. a. Helmut Theurer, Die Nippenburg, hg. v. Karl Magnus Graf Leutrum von Ertingen, 2. Aufl., o. O. 1998, o. S. (Anhang: Auszug aus der Stammtafel der Herren von Nippenburg).
  13. Vgl. RMB, Bd. 4, nr. 8320.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 374.
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, o. S.
  3. Kdm. Baden-Baden 142 nr. 19.
  4. Weis, Stiftskirche 35 nr. 9.
  5. Berwangen, Bockschaft, Kirchardt. Ein 2. Heimatbuch, Kirchardt 1993, 174 Anm. 3 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 104 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0010405.