Inschriftenkatalog: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 78: Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt (2009)

Nr. 97 Baden-Baden, kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau (ehem. Stiftskirche) 1470–1475, 1475

Beschreibung

Grabmal für den Stiftspropst Bernhard von Baden. Innen an der Trennwand zwischen dem Hauptchor und dem nördlich daran angrenzenden Marienchörlein. Hier östlich vom Durchgang aufrecht an der Nordseite. Sandstein. Die hochrechteckige Platte steht seit unbestimmter Zeit auf einem schmalen Sockel, wird oben von einem gekehlten Gesims und rechts von einer überwiegend abgefasten Rahmenleiste umrahmt. Im Binnenfeld eine eingetiefte Nische mit Eselsrückenabschluß; darin die reliefierte Darstellung des Verstorbenen in Albe, Kasel und Birett. In der Linken hält er einen Kelch, den er mit der Rechten segnet. Auf der verbleibenden Randfläche der Sterbevermerk mit Fürbitte. Der links oben einsetzende Text umläuft die figürliche Darstellung vollständig und endet oben in einer zweiten Zeile links und rechts des Bogenscheitels. Das untere Plattenviertel sandelt ab und ist bereits stark zerstört; hier erheblicher Textverlust.

Ergänzungen nach RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv.

Maße: H. 300, B. 132, Bu. 12–13 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. An(n)oa) · d(omi)ni · M · cccc · lxx · / ⟨v°⟩b) die · ⟨q(ui)nta⟩c) · mensis · ⟨Junij⟩ [· O(biit)d) spectabilise) / . . . . . . . Bern]ḥạṛḍ/[us]f) · de · baden · hui(us) · ecc(les)ie · p(re)positusg) · prim(us)h) · requiescat / · in · // pace ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1475 am fünften Tag des Monats Juni starb der hochachtbare (…) Bernhard von Baden, erster Propst dieser Kirche. Er ruhe in Frieden.

Kommentar

Die tief und sorgfältig geschlagenen Buchstaben stehen in regelmäßigen Abständen zueinander; lediglich im nachgetragenen Monatsnamen sind sie dichter zusammengedrängt. Das c ragt in den Oberlängenbereich. Der senkrechte Teil des gebrochenen rechten Bogenabschnitts des d wurde deutlich länger ausgeführt als der senkrechte Teil des linken Bogenabschnitts, so daß der Buchstabe oben offen ist. Der gebrochene obere Bogenabschnitt des e ist stark verkürzt, der Balken auf eine senkrechte und unten nach außen umgebogene Zierlinie reduziert. Der Bogen des h mündet im Unterlängenbereich in einen Haarstrich. Der Bogen des p durchschneidet den Schaft knapp unterhalb der Grundlinie. Die freien Bogenenden des s sind mit dünnen, eingerollten Zierlinien ausgestattet. Der Balken des t setzt erst am oberen Ende des Schaftes an. Der Linksschrägschaft des x ist senkrecht gestellt, der Rechtsschrägschaft nicht durchgezogen, sondern im oberen Abschnitt als Quadrangel ausgebildet und im unteren auf eine in den Unterlängenbereich hineinragende Haarlinie reduziert. Unter den Versalien erscheint das A in der Grundform des Minuskelbuchstaben. Der obere Abschnitt des rechten Schaftes ist linksschräg gestellt. Der leicht gekrümmte Schaft des nachgetragenen J ist innen gezackt. Das symmetrische unziale M ist offen und besitzt am Mittelschaft einen quadrangelförmigen Nodus. Der linke Bogenabschnitt des O wurde in zwei senkrechte Hasten aufgelöst. Der rechte ist nur sehr schmal gezogen und in Höhe der Grundlinie am stärksten ausgebuchtet. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf halber Zeilenhöhe.

Eine zweifelsfreie Identifizierung des Verstorbenen läßt sich bislang nicht vornehmen. Die Urkunden der Zeit vor 1475 bieten mehrere Belege des Namens „Bernhard von Baden“, die sich auf eine, aber auch auf drei Personen beziehen könnten. So kommt zunächst ein natürlicher Sohn Markgraf Bernhards von Baden in Betracht, der ab 1439 Domherr des Hochstifts Basel und zuvor Pfarrer (Kirchherr) zu Besigheim (Lkr. Ludwigsburg) war.1 Dieser ist erstmals in der Wiener Matrikel des Wintersemesters 1415/16, später als Student beider Rechte und gewählter Procurator der deutschen Studentenschaft an der Universität Bologna nachweisbar.2 Der letzte Namensbeleg mit dem Zusatz „Domherr zu Basel“ stammt vom Jahre 1451.3 Bereits 1443 erscheint der Name auch mit markgräflichem Titel und dem akademischen Grad Licentiat;4 ebenso – allerdings ohne die Bezeichnung „Markgraf“ – in zwei Urkunden vom 1. Oktober und 19. November 1452.5 Aus letzteren geht hervor, daß Markgraf Jakob I. von Baden dem Dompropst zu Mainz jenen Licentiaten des kanonischen Rechts für die erledigte Pfarrei in Kirchberg (Rhein-Hunsrück-Kreis) präsentierte. Später zog er indes einen Melchior Wittich vor, da besagter Bernhard auf der Universität Erfurt weilte und noch nicht investiert worden war. Ab 1459 ist dann auch die Bezeichnung „Propst“ mehrfach nachweisbar, ohne daß erkennbar wäre, ob die gemeinte Person mit dem Licentiaten und/oder dem Basler Domherrn identisch ist.6 Franz Josef Herr sieht im Stiftspropst einen natürlichen Sohn Markgraf Jakobs I. Dieser habe ihn bei Errichtung des Kollegiatstifts 1453 als ersten Propst präsentiert.7 Ein solcher unehelicher Nachkomme Jakobs ist allerdings sonst nicht nachgewiesen.8

Textkritischer Apparat

  1. Über dem A ein Punkt, links daneben etwa in Zeilenmitte ein kurzer senkrechter Schaft als Zierelement.
  2. Die hochgestellte Ablativendung ° über dem v zur Hälfte verputzt.
  3. Kürzungszeichen nicht erkennbar.
  4. Als Kürzungszeichen über dem Buchstaben ein geschwungener Balken nur undeutlich erkennbar. (obiit dominus) Fester; [obiit dns] Knod; fehlt in Deutsche Studenten, Kdm., Weis.
  5. Der erste Buchstabe ein Bogen-s. venerabilis Fester, Knod, Deutsche Studenten, Kdm., Weis.
  6. Ergänzung des Namens nach Herr, da die untere Rahmenleiste auch auf dem Photo bereits zerstört ist.
  7. Abkürzung durch Balken über dem zweiten p.
  8. Abkürzung durch Balken über dem m.

Anmerkungen

  1. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 267. In Andermann, Urkunden 7, mit dem Propst identifiziert; so auch in Coenen, Aquae 122.
  2. Vgl. Knod (wie unten) 376, 382; siehe hierzu Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis ex archetypis tabularii Malvezziani, ed. Ernestus Friedländer et Carolus Malagola, Berolini 1887, 174; Deutsche Studenten (wie unten) 25 nr. 166; Matrikel Wien, Bd. 1, 109. Die späteren Nachweise siehe in RMB, Bd. 3, nrr. 5072, 5550, 5570, 5904, 5991, 5999, 6040, 6076, 6106, 6135, 6742, 6793, 6897, 6901, 7194.
  3. RMB, Bd. 3, nrr. 7194.
  4. Vgl. Remling, Geschichte, Bd. 2, 82 Anm. 265; Deutsche Studenten (wie unten) 26 nr. 166.
  5. RMB, Bd. 3, nrr. 7439, 7450.
  6. Vgl. Andermann, Urkunden nrr. 23, 24, 25, 27; RMB, Bd. 3, nrr. 5765, 6814; Bd. 4, nrr. 9019, 9057, 9213, 9430, 9599, 10065, 10093, 10557. Insofern sind die biographischen Angaben in Wielandt, Markgraf Christoph I. 609; Deutsche Studenten (wie unten) 26 nr. 166 nur unter Voraussetzung der Personengleichheit zutreffend.
  7. Vgl. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 15; GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr (wie unten) 40v. Zur Einrichtung des Kollegiatstifts zu Baden-Baden vgl. Andermann, Urkunden 5–10.
  8. Vgl. Schwennicke, Europ. Stammtafeln NF, Bd. 1.2, Taf. 267.

Nachweise

  1. BLB Karlsruhe K 218, Herr, Materialien 361 (unvollst.).
  2. GLA Karlsruhe Hfk-Hs nr. 509, Herr, Merkwürdigkeiten, fol. 40r (unvollst.).
  3. Herr, Begräbnisse Pfarrkirche 15 (erw.).
  4. GLA Karlsruhe N Mone 109, Mone, Aufzeichnungen Oosthal, fol. 64r (erw.).
  5. P. Odilo Ringholtz, Bernhard von Baden auf der Universität Bologna, in: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 12 (1891) 784 (unvollst.).
  6. Richard Fester, [Literaturnotiz], in: ZGO 46 NF 7 (1892) 191.
  7. Gustav Knod, Hat Markgraf Bernhard d. j. von Baden († ca. 1424) wirklich in Bologna studiert?, in: ZGO 49 NF 10 (1895) 381 Anm. 3.
  8. Deutsche Studenten in Bologna (1289–1562). Biographischer Index zu den Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis, bearb. v. Gustav C. Knod, Berlin 1899, 26 nr. 166.
  9. RP Karlsruhe (Denkmalpflege), Photoarchiv, Neg.-nrr. 2963, 018 (ca. 1910).
  10. Heffner, Führer 26 (erw.).
  11. Kdm. Baden-Baden 112 nr. 9, 111 (Abb. 93).
  12. Hauck, Bildhauer Conrad Sifer 204 (erw.).
  13. Weis, Stiftskirche 34.
  14. 1000 Jahre Kirche 41 (erw.).
  15. Frank, Stiftskirche 21 (erw.).

Zitierhinweis:
DI 78, Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt, Nr. 97 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di078h017k0009705.