Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 31: Aachen (Dom) (1992)
Nr. 137† Dom, Westteil des Chores vor 1657
Beschreibung
Kupfertafel. Die Tafel, die „am ermelten Altar der MutterGottes aufgehenckt“1) war, enthielt den Text der sog. „Salutatio Sanctuarii Aquisgranensis“ und ein Gebet zu den Heiligtümern. Die Verse der „Salutatio“ werden erstmals 1620 bei à Beeck zitiert, ihre Ausführung als Inschrift ist aber erst 1657 in der „Aacher Schatzkammer“ überliefert.
Text nach Thenen.
- A
O Thesaure pretioseIn quo Vestis gloriosaeVirginis reconditurAtque rubens illa vestisIn quaa) Christi sanguis testisDum nudum tegit funditur.Humilesque PanniculiIesu infantis parvuliQuibus in cunis volvitur.Et pannus mirae dignitatisIn quem sublimis sanctitatisBaptistae sanguis conditur.O vere SanctuariumSanctum sanctorum omniumTegens in patibuloIn utero, in stabulo.Salve Fili, Salve Mater,Salve Sanctuarium.Et nos salvab) sancte PaterPer Matrem et Filium.
- B
Deus, qui in nostrae mortalitatis carne assumpta Vestes, quibus tectus es in Utero, in Praesepio et in Cruce, hoc in loco recondi voluisti, et tibi dilectorum in somno mortis conquiescentium hic custodis ossa, supplices te precamur, ut hi Thesauri sint nobis monumenta Virtutum, sint Civitati huic Propugnacula, et Turres cohaerentes, securitatem ab hostium incursu exhibentes; donec de terrena ad caelestem patriam te jubente vocemur, Et immortalitatis vestibus te juvante circumdemur, qui cum Patre, etc.
Übersetzung:
O kostbarer Schatz, in dem das Kleid der glorreichen Jungfrau verwahrt wird und jenes rotgefärbte Gewand, in welches sich das Blut des Zeugnis gebenden Christi ergießt, als es den Nackten bedeckt.
Und die einfachen Windeln des kleinen Jesuskindes, mit welchen er in der Krippe gewickelt wird; und ein Tuch von wunderbarer Würde, in dem das hochheilige Blut des Täufers bewahrt wird.
O wahres Heiligtum, das den Heiligen aller Heiligen am Kreuz, im Mutterleib, im Stall bedeckt.
Sei gegrüßt, Sohn, sei gegrüßt, Mutter, sei gegrüßt, Heiligtum! Und errette uns, heiliger Vater, durch die Mutter und den Sohn!
Gott, der du im angenommenen Fleisch unserer Sterblichkeit wolltest, daß die Kleider, durch welche du im Mutterleib, in der Wiege und am Kreuz bedeckt wirst, an diesem Ort aufbewahrt werden sollen, und der du die Gebeine der dir Teuren, die hier im Schlafe des Todes ruhen, bewachst, als demütig Flehende bitten wir dich, daß diese Schätze uns Monumente der Standhaftigkeit seien, daß sie dieser Stadt Bollwerke und haltbare Türme sein mögen, die Sicherheit vor dem Ansturm der Feinde gewähren, solange, bis wir auf dein Geheiß von der irdischen in die himmlische Heimat berufen und mit deiner Hilfe von den Schleiern der Unsterblichkeit umfangen werden mögen.
Versmaß: Stabat-mater-Strophe (A).
Textkritischer Apparat
- quam à Beeck, Quix, Schervier, Beissel.
- salve Schervier.
Anmerkungen
- Thenen, S. 10.
- Vgl. Georges I, Sp. 3108.
Nachweise
- à Beeck, p. 204 (A).
- Thenen, Aacher Schatz-Kammer, 1657, S. 12 (A u. B).
- StA, Chron. man., p. 54.
- Quix, Münsterkirche, S. 120.
- Schervier, Münsterkirche, S. 65 Anm. 2.
- Beissel, Aachenfahrt, S. 61f. u. 110.
- Thyssen, S. 308 (alle nur A).
Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 137† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0013702.
Kommentar
Die Entstehungszeit der Inschrift (A) ist ungewiß. Der Text steht jedoch in engem Zusammenhang mit der Aachener Heiligtumsfahrt, wie der Abdruck in zahlreichen Heiligtumsbüchlein belegt. Man wird daher seine Abfassung in die Zeit nach dem Beginn der regelmäßigen Wallfahrten datieren dürfen, ohne daß daraus allerdings auf den Zeitpunkt der Übertragung auf die Kupfertafel geschlossen werden kann. Thesaurus ist im Textzusammenhang als Schatzbehältnis zu verstehen2) und auf den Marienschrein zu beziehen. Dementsprechend meint pretiosus nicht nur den ideellen, durch die Reliquien bedingten Wert, sondern auch die kostbare Ausgestaltung des Schreins.
Auch der Text des Gebetes kann in doppeltem Sinne verstanden werden. Der „Ansturm der Feinde“ kann einmal auf eine Bedrohung Aachens durch äußere Feinde (etwa im Dreißigjährigen Krieg) bezogen sein, zum anderen aber auch auf die Gefährdung des katholischen Glaubens durch den Protestantismus. Beide Interpretationsmöglichkeiten finden ihren historischen Hintergrund am ehesten im 17., frühestens Ende des 16. Jh.