Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 84 Hessisch Lichtenau-Hausen, Kirche          von 1564 bis ca. 1584?

Beschreibung

Türsturz. Auf der Südseite des Turmbaus spitzbogiges Portal mit sich kreuzenden Stäben, jetzt vermauert. „Rechts und links vom Bogen kleine Rollwerkkartuschen mit Schriftbändern“1), Beschriftung nicht feststellbar. Über dem Bogen Gebälk, im Fries ist eine Inschrift eingehauen.

Maße: H. 5, B. 170, Bu. 3,6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, Fotograf: Christian Feist [1/2]

  1. HANSIG EKELa) · HANS SCHGEWOLFb) DER IST BVWMISTER · HERR LVTEWGc) IST BTRIGERd)

Kommentar

Die Schrift ist in allen Belangen ungleichmäßig geformt und vielfach durch die Oberflächenschäden beeinträchtigt. Herauszuheben sind kaum gekrümmte Bögen des B, die nach unten durchgebogene Cauda des R und das flüchtige kaum gekrümmte S, das nach rechts geneigt einer 5 sehr ähnlich sieht.

Nach Ganßauge gehört das Portal dem 16. Jahrhundert an.2) Der Vorname Hansig ist wohl so zu erklären: Die Chronik Fürstenhagen zitiert aus dem Salbuch des Amtes Lichtenau von 1454 den Namen Heinichen Doring.3) Der Vorname dürfte eine Deminutivbildung zu Hein oder Heinrich sein. Also steckt hinter Hansig ein Hansichen oder Hänschen. Der Nachname Eckell ist in Hausen belegt, ebenso der Name Hans Schingwolf. Beide sind 1553 unter Hausen im Lichtenauer Salbuch erwähnt.4) Es könnte sich um Handwerkernamen handeln, denn beim zweiten ist ausdrücklich „Baumeister“ hinzugefügt. Gleichwohl bezeichnet das Wort „Baumeister“ auch den im Rat veranwortlichen Dezernenten; darauf weisen etwa die beiden (!) Namen hin, da diese Ämter oft kollegial besetzt waren.

Schwieriger ist die Deutung der restlichen Inschrift. HERR deutet auf eine höhergestellte Person. Man erwartet den Pfarrer oder Patron. Patron aber war der Landgraf, und ein Pfarrer LVTEWG ist in Hausen nicht belegt. Simon hält LVTEWG für den Vornamen und denkt an Ludwig Josten, der 1564–ca. 1584 als Nachfolger seines Vaters Pfarrer in Laudenbach war.5) Man mag es ungewöhnlich finden, den Pfarrer inschriftlich nur beim Vornamen zu nennen. Doch es gibt dafür Parallelen: Im Witzenhäuser Salbuch von 1555 wird einmal „Her Jorge der pfarher“, ein andermal „Er Jorge der pfarher“ als zinsender Ackerbesitzer in Hundelshausen aufgezählt. Der dortige Pfarrer war damals Georg Helwig.6) Im Übrigen könnte der Nachname wie der Vorname verunstaltet sein, wenn in IST nur ein O vergessen wurde wie das I in LVTEWG.

Das Schlusswort wird man als PREDIGER deuten. Der Steinmetz hatte wohl Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Einer Datierung der Inschrift in den Zeitraum 1564–1584 steht nichts entgegen.

Textkritischer Apparat

  1. Dieser Name auch bei Simon. Hinter L eher ein graphisches Zeichen als ein Buchstabe. Simon geht darauf nicht ein. Man wird diese Stelle vielleicht als Trenner oder „und“ deuten dürfen, s. die unproblematische Namendeutung im Kommentar.
  2. Simon liest SHIGEWOLF.
  3. Vor G fehlt I, Raum wäre vorhanden. Das nachfolgende IST könnte dann ebenso der verstümmelte Name IOST sein; es wäre allenfalls Raum für ein kleines o vorhanden, ohne Spur am Stein.
  4. Simon liest: PTRGER. – Der Übergang von PREDIGER in BTRIGER ist erklärbar, zumal sich die Verschiebung von D zu T auch in LVTEWG zeigt. Ein Beispiel für die Veränderung von P in B erscheint in der Kanzelinschrift im benachbarten Velmeden, s. Kat.-Nr. 92, dort auch mehrere Belege für T mit dem Lautwert <D>, u. a. ERTE, ENTE. Beispiele für bloßes B, das BE repräsentiert, liegen vor aus dem Nachbarort Velmeden (s. Kat.-Nr. 270) und aus dem nahegelegenen Laudenbach (s. Kat.-Nr. 308).

Anmerkungen

  1. s. Ganßauge 126.
  2. ibid. – Simon denkt an die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, s. Chronik Hausen 353.
  3. s. Chronik Fürstenhagen II 60.
  4. s. Chronik Hausen 63 (Hans Schinwolf bzw. Schingwolf); 65 (Henckell Eckell). Auch in Quentel, heute ein Lichtenauer Ortsteil, ist der Name Eckell belegt, s. Chronik Quentel 84 (Henrich Eckell, 1557).
  5. s. Hütteroth 161.
  6. s. Eckhardt, Quellen 178 Nr. 66; 180 Nr. 86 und Hütteroth 510 s. v. Hundelshausen. Auch bei Hütteroth erscheinen mehrere althessische Pfarrer nur mit dem Vornamen, so z. B. „Herr Curt“ (S. 499 s. v. Gensungen). Weitere Belege s. dort s. v. Battenberg, Bracht, Calden, Diemerode, Dillich, Felsberg usw.

Nachweise

  1. Simon in Chronik Hausen 354.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 84 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0008403.