Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 69 Bad Sooden-Allendorf, Bahnhofstraße 1578

Beschreibung

Stein, am westlichen Ende der östlichen Brücke unterhalb des Treppenabgangs zur Grünanlage aufgestellt. Der Stein hat die Form eines geraden Prismas; seine Grundfläche, in diesem Fall die Vorderseite, ist ein Fünfeck aus einem rechteckigen rechten und einem dreieckigen linken Teil. Der Stein stammt von der zerstörten mittleren Brücke,1) der sogenannten Itschenbrücke, und bildete zusammen mit einem heute verlorenen Stück den obersten Stein des Eisbrechers.2) Diese Brücke "musste zwischen 1885 und 1890 abgebrochen werden, um dem mittleren Teil des Brückenneubaus Platz zu machen. Dabei fand man den Grundstein der ,Itschenbrücke‘, der, zunächst dem städtischen Baumagazin übergeben, 1932 an der Schlagd Aufstellung fand. Seine Inschrift lautet: ...“3)

Ergänzungen nach Reuther und Lückert.

Maße: H. 75, B. 60–110, D. 42, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, Fotograf: Christian Feist [1/2]

  1. ANNO DOMINI 1578 IAR /DER · 2 · 9 · TAGK DES MONATS / MAII WARISTa) DIESE BRVCKE / [IN]b) GOTTES NAMENZV BAVEN / GEVANEN A[N]c) /DIS IST DER GRVNTSTEINd) / WEINSTINe) VND ZECHSTEI[N]f) / GOTT GEBE VNS GLVCK / [....] V[ND H]EILg) H[V]h)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

IAR und WAR reimen, und anscheinend waren, wofür die Ausdrucksweise spricht, Verse beabsichtigt.4) Dazu würde es besser passen, wenn in der vierten Zeile umgestellt wäre, sodass NAMEN mit [AN]GEVANEN reimte. Streben nach einem Reim würde auch die ungewöhnliche Form angefanen verständlich machen.

Auch eine Parallelinschrift spricht für Verse. Ein Erneuerungs-Bau von 1585 an St. Peter in Eisenberg (Saale-Holzland-Kreis) trägt nämlich auf einer Tafel, die außen an der Südseite bei einem Petrusrelief angebracht ist, die Inschrift: Anno 1585 ist diese Kirche in Gottes Namen / zu bauen, angefangen / stehet nun in Gottes Hand / Zu Sanct Peter ist sie genant.5)

Zechstein ist nach Krünitz der dem Schiefergebirge angehörende Kalkstein (Gryphitenkalk) und gut als Baumaterial zu verwenden.6) Über die bauliche Verwendung von Weinstein ist aber nichts bekannt. Man könnte geneigt sein, WERKSTEIN zu lesen, doch der Befund ist eindeutig. Das Richtige trifft vielleicht Reuther: Nach seiner Erklärung weisen WEINSTEIN und ZECHSTEIN auf das Gelage bei der Grundsteinlegung hin. Oder man nimmt mit Rüdiger Fuchs an, dass die Fuhrleute an dieser Brücke eine Pausenstation hatten, wo sie aßen und tranken.

Der Stein, der links zugespitzt ist, sollte Eisschollen brechen und lag daher mit der Spitze flussaufwärts. Sein Schriftfeld hätte dann zum rechten Ufer hin gezeigt und wäre von der Brücke und bedingt vom Wasser aus lesbar gewesen.

Textkritischer Apparat

  1. Fehlt bei Reuther.
  2. Ergänzt nach Reuther und Lückert.
  3. Diese Zeile ist fast zentriert. Im freien Raum neben dem Text sind zwei eiserne Halterungen eingelassen, deren rechte anscheinend zum Verlust des N geführt hat. GEVANEN statt GEFANGEN.
  4. Reuther und Lückert lesen GRVNDSTEIN.
  5. Sic!
  6. Befund und Überlieferung bei Lückert und Reuther: ZECHSTEI. Das N könnte bei Beschädigung des Randes verloren gegangen sein.
  7. Ergänzt nach Lückert und Reuther. Die Zeile ist eingerückt, das V steht rechts unter dem B von GEBE. Vor V[ND H] scheinen Reste von ca. vier Buchstaben zu stehen, darunter wohl ein Z. Ist DAZV zu ergänzen?
  8. Es handelt sich um die Signatur des Baumeisters. Lückert liest ebenfalls HV. Tatsächlich ist am Ende ein großes H unter den Text gequetscht, dessen Balken ein kleineres V überschrieben ist, das höchstwahrscheinlich mit jenem verschränkt war. Anzeichen für eine Doppelung zu W bestehen nicht, doch ist die Stelle stark entstellt. Reccius 123 erwähnt Wiederherstellungsarbeiten an einer Brücke unter dem Baumeister Hans Wetzel, die 1573 abgeschlossen wurden. Es ist denkbar, dass Hans Wetzel auch an der zweiten Brücke gebaut hat, aber konkrete Anhaltspunkte fehlen. 1580 war Hans Wetzel als Mitarbeiter des Kasseler Baumeisters Hans Müller im Auftrage des Landgrafen Wilhelm in Bad Ems, s. http://www.ub.uni-kassel.de/ub/ueber-uns/projekte/dfg-langgraf-moritz-online-praesentation/die-zeichnungen/orte-ausserhalb-hessens/bad-ems.html (Stand 18. 3. 2016). Dort war er an der Planung eines neuen Bades beteiligt. Um 1590 leitete Hans Wetzel den Umbau des Rathauses in Witzenhausen, s. Reyer, Rathaus 26 (mit weiteren Angaben zu Wetzel und seiner Tätigkeit). Auch einige Bürgerhäuser in Witzenhausen werden ihm zugeschrieben, s. Eckhardt, Bürgerhäuser 19ff.

Anmerkungen

  1. s. Ganßauge 75.
  2. Eine Grundsteininschrift von 1415/16 befand sich an der entsprechenden Stelle des Eisbrechers an der ehemaligen Speyerer Salzturmbrücke, vgl. Röttger 701.
  3. s. Lückert 257; Reuther 203 Anm. 42.
  4. Freundlicher Hinweis von Rüdiger Fuchs.
  5. s. auch http://www.peterheckert.org/index.php?option=com_content&view=article&id=85&Itemid=91 (letzte Konsultation 29. 9. 2015).
  6. s. WBKrünitz s. v. Zechstein.

Nachweise

  1. Reuther 203.
  2. Lückert 257.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 69 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0006901.