Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 46 Witzenhausen-Werleshausen, Am Rasen 19 1556, 1559, 1565

Beschreibung

Herrenhaus des Gutshofes, Fachwerkbau, dreigeschossig, Untergeschoss aus Stein, an der Traufseite 24 Gefache. Erker an der Nordwestecke, auf dem Kragstein Inschrift I, farbig gefasst, erhaben in vertieftem rechteckigem Feld.

Vor einem der auf der Ostseite gelegenen Nebengebäude liegt eine Steinplatte (ehemals Türsturz). Ursprünglich befand sie sich über dem Turmportal. Sie wurde aber bald durch die aufwendigere ersetzt, die jetzt noch dort zu finden ist.1) Im eingetieften Mittelfeld, das etwa die Hälfte der Platte einnimmt, befindet sich oben in der Mitte ein Widdergehörn(?). Unter ihm enden zwei Flügel, die von den unteren Ecken im Mittelfeld ausgehen und im Bogen auf das Gehörn zulaufen. Zwischen den Flügeln ein Engelskopf(?). Über den Flügeln Jahreszahl II, von der Darstellung unterbrochen, Worttrenner: Quadrangel. Im linken wie im rechten Viertel der Platte zwei erhaben gearbeitete Wappenschilde; sie entsprechen denen über dem Turmportal. Die Platte war farbig gefasst; ob die Reste von einer ursprünglichen farbigen Fassung stammen, steht dahin. Inschrift II erhaben vor geschrotetem Hintergrund.

Der Westseite ist ein runder Treppenturm vorgelagert, über dem Portal eine Tafel mit schlicht gerahmtem Feld und Inschrift IV, farbig gefasst; weiter oben ein größeres Feld mit zwei farbig gefassten Vollwappen und Inschrift III. Die Inschrift III ist erhaben, die Inschrift IV eingehauen, Worttrenner: paragraphzeichenförmig ausgezogene Quadrangel nach Maßgabe der Buchstaben, Zustand nach Renovierung.2)

Maße: H. ca. 15, B. ca. 50, Zi. ca. 10 (I), H. 41, B. 173, Zi. 8,5 (II), H. 90, B. 135, Bu. 5 (III), H. 25, B. 120, Bu. 6 cm (IV).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der Frühhumanistischen Kapitalis (III, IV).

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, Fotograf: Christian Feist [1/4]

  1. I

    1 5 5 6

  2. II

    · 1 · 5 · // 5 · 9

  3. III

    MERTEN · V(ON) · H(ANSTEIN) · MARGRET · V(ON) · D(ER) · H(AVBEN)a) ·

  4. IV

    WER · GOD · VERDRAVT /HAT · WOL · GEBAVBTb, 3) /V(ERBVM) · D(OMINI) · M(ANET) · I(N) E(TERNVM)4) · 1 · 5 · 6 · 5

Übersetzung:

(IV) Gottes Wort bleibt in Ewigkeit.

Versmaß: Deutsche Reimverse (IV).

Wappen:
Hanstein5)von der Hauben6)
Hansteinvon der Hauben

Kommentar

In Inschrift I ist die 1 oben gebrochen, unten gabelt sie sich in einen Bogen nach links und einen langen, linksschrägen Sporn nach rechts. Die 5 ist rechtsgewendet mit schräggestelltem Schaft und nach oben gebogenem Balken; die 6 hat einen geschlossenen Bogen und wirkt durch Bogenschwellungen wie zugespitzt. Anders die Ziffern in Inschrift IV: Die 1 ist gebogen, die 5 ist zwar rechtsgewendet mit leicht schräggestellter Haste, aber der Balken ist nicht umgebogen; die 6 ist ein eingerollter offener Bogen. Ziffern in Inschrift II: gebogene 1, oben Quadrangel, unten zugespitzt; Bogen der 5 zugespitzt, Schrägschaft fast waagerecht gelegt, Balken linksschräg nach unten weisend; 9 als geschlossener Bogen.

Die Kapitalis weist einige Besonderheiten auf, die fast typisch sind für die sich aus den klassizierenden Vorbildern vehement lösenden Schriftformen im mittleren Drittel des 16. Jahrhunderts; einige Reminiszenzen der frühhumanistischen Variante werden teilweise von anderen Wurzeln übertönt: A mit nach beiden Seiten überstehendem Deckbalken und geknicktem Mittelbalken; offenes unziales D; E mit nur leicht verkürztem Mittelbalken; G mit senkrechter, oben rechtwinklig abgeknickter Cauda; unziales H in Inschrift III, dagegen in Inschrift IV ein kapitales H mit ausgebuchtetem Mittelbalken; I mit ausgebuchteter Haste; M konisch, der Mittelteil endet oberhalb der Mittellinie; N mit ausgebuchtetem Schrägschaft; O oben und unten spitz, sechseckig; das R in Inschrift IV ist ein als Z ausgeführtes Bogen-r der Minuskelschrift;7) in Inschrift III steht ein kapitales R; nur V wird benutzt und W ist konventionell verschränkt. Die Hasten, Balken, Schrägschäfte und Bögen sind teilweise zum freien Ende hin keilförmig verbreitert oder dort mit Sporen versehen.

Martin von Hanstein († nach 1575) war Sohn des Caspar von Hanstein (†1535) und kaiserlicher Hauptmann.8) „Er folgte seinem Bruder im Krieg, machte die Belagerung von Frankfurt noch mit und folgte dann dem Heere und dem Bruder nach Straßburg, hat aber nach dessen Tode wahrscheinlich sich zurück gezogen und nach seiner Heimath sich begeben, ohne daß bekannt geworden, auf welchem Ansitz, Bornhagen oder Werleshausen er gewohnt, wahrscheinlich am letztern, das er 1556 gebaut, und zu welcher Zeit er gestorben. Wahrscheinlich ist dies, nachdem er 1575 Lehntag gehalten (Urkb. 471) 1577 ... geschehen ...“9) Er war mit Margarethe von der Hauben verheiratet.10)

Die Jahreszahlen beziehen sich auf den Bau, aber es ist unklar, was sie im Einzelnen bezeichnen.

Textkritischer Apparat

  1. Das unziale H deutlich erkennbar, ebenso deutlich die paragraphzeichenförmigen Worttrenner hinter jedem der drei Buchstaben. Damit kann die Auflösung VON DENE (CvHanstein 148 (172)) nicht zutreffen. Ebenso wenig stimmt DIEDE (Ganßauge). Diese Auflösungen passen ja auch nicht zu den Wappen. Nur VON DER HAVBEN passt zum Befund, s. auch den Kommentar.
  2. Sic!

Anmerkungen

  1. Mitteilung des Eigentümers.
  2. Die Quadrangel der paragraphzeichenförmigen Worttrenner mehrfach ausgerundet.
  3. s. Wander Bd. 2, 90, Nr. 2200.
  4. Nebst Anklang an Jes 40,8 vor allem 1 Petr 1,25. Der Bibelvers wurde spätestens seit 1522 von Friedrich dem Weisen als Wahlspruch verwendet. Seit dem Wormser Reichstag von 1521 wurde er zur Devise der protestantischen Partei und fand später vor allem durch die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes weite Verbreitung, s. Stopp und ausführlich DI 64 (Querfurt) bei Nr. 114.
  5. Wappen Hanstein (3 Mondsicheln, 2:1), vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 8, Taf. 9.
  6. Wappen von der Hauben (Schrägrechtsbalken, begleitet von 2 Lilien), vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 160, Taf. 209.
  7. Dieser Typ kommt zeitnah 1563 in Witzenhausen vor (Kat.-Nr. 48).
  8. Zu Martin von Hanstein s. CvHanstein 389 (883)f., woher auch das folgende Zitat stammt.
  9. Nach einer anderen Angabe in demselben Werk – s. CvHanstein 121(145). – erbaute Curt von Hanstein das Haus, und zwar 1556 oder 1565. Die Datierung beruht wohl auf den Inschriften.
  10. s. CvHanstein 389 (883) und Tafel 3. Dem widerspricht zwar die Angabe auf S. 148 (172), die Margarethe von Dene als Ehefrau nennt und anscheinend von Lücke zitiert wird. Sie findet sich auch in: Burg Hanstein: Zur 700-jährigen Geschichte einer eichsfeldischen Grenzfeste, herausgegeben von Hans Dieter von Hanstein, Duderstadt 2008, S. 28. Doch sind diese Auffassungen durch den inschriftlichen Befund und das Wappen widerlegt, vgl. Buchstabenfußnote b.

Nachweise

  1. CvHanstein 148 (172).
  2. Rassow 363 (I–III).
  3. Lücke 1,56.
  4. Ganßauge 192.
  5. Großmann, Hessische Renaissanceschlösser (Online Katalog, (Stand 20. 6. 2016) sub Werleshausen, Herrenhaus) (I, II tw.) mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 46 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0004601.