Inschriftenkatalog: Altkreis Witzenhausen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 87: Witzenhausen (Altkreis) (2017)

Nr. 2 Bad Sooden-Allendorf, Wahlhauser Straße 13, Hospital zum Heiligen Geist 1371?

Beschreibung

Grabplatte des Segehardus Emmichin. Hochrechteckige Sandsteinplatte, in der Hospitalkapelle innen an der Nordwand in einer Nische aufgerichtet; vorher außen an der Ostwand, ursprünglich lag die Platte wohl in der Kapelle unweit des Altars. Auf dem Rand läuft eine eingehauene Inschrift im Uhrzeigersinn zwischen Linien um; sie beginnt mit einem gleicharmigen Kreuz. Im Bildfeld kniet rechts unten unter einem gotischen doppelten Maßwerkbogen ein teilweise1) gerüsteter Mann, ein Ritter(?). Lange lockige Haare, das Gesicht modelliert, nicht in Ritzzeichnung wie alles andere. Sein nach links geneigter Wappenschild mit Bild, Helm und Zier sehr groß vor ihm. Darüber unter der linken Arkade die nimbierte Büste Christi (nur Oberkörper), anscheinend in einer Wolke schwebend. Die Gestalt des Mannes ist ein wenig verdreht: Er blickt auf den Betrachter, aber sein Körper ist Christus zugewendet, zu dem er betend die Hände erhebt. Halbkugelig vertiefte Punkte dienen als Worttrenner.

Maße: H. 200, B. 127, Bu. 7,5–9 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, Fotograf: Christian Feist [1/1]

  1. + ANNO · D(OMI)NIa) · MCCC · / LXXI · OBIIT · SEGEH·ARDVSb) · D(I)C(T)/VSc) · EMMICHIN · CI(VI)Sc) / · ERFORDE(N)S(IS)d) · CVI(VS)e) A(N)I(M)Aa) REQ(VI)ESCATf)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1371 starb Segehardus, genannt Emmichin, Bürger von Erfurt, dessen Seele (in Frieden) ruhen möge.

Wappen:
unbekannt2)

Kommentar

Nach raumgreifendem Beginn drängt sich die mäßig schlanke Majuskelschrift immer mehr zusammen, Kürzungen nehmen zu, Worttrenner fehlen gegen Ende; insgesamt etwa gleichmäßig tief sind die Kerben der Schwellungen und Verbreiterungen, meist mehr als 1 cm, eingehauen. Die Buchstaben tragen an den freien Enden der Hasten, Balken und Bögen kräftig ausgebildete und lang ausgezogene Sporen oder Hasten und Balken sind wie bei F und V zum Ende zu keilförmig verbreitert. An allen Bögen findet man Bogenschwellungen, nur einmal (N in ANNO) mit Anspitzung. Abschlussstriche treten auf an C, E, F und M. Das A ist pseudounzial (mit nach links überstehendem Deckbalken und geschwungenem linkem Schrägschaft und geradem Mittelbalken; beim A ganz am Anfang des Textes steht der Deckbalken auch nach rechts über.) Beim G ist der obere Bogen über die Cauda gezogen; ein aus dem Sporn nach unten wachsender Zierstrich reicht fast bis an die Grundlinie. I trägt teilweise in der Schaftmitte einen Nodus, der auch ein wenig spitz ausfällt. L mit keilförmigem Balkensporn, M unzial. Beim N ist der Bogen unten nach rechts umgebogen. Beim Q weist die Cauda nach links, beim R ist sie nach rechts durchgebogen und setzt unterhalb des Bogens am Schaft an, ist im Namen sogar mit einer aufgesetzten Schwellung versehen. Man findet V vor und rundes oder kapitales T. Beim X ist der linke Schrägschaft senkrecht gestellt. Es mischen sich also zeitgemäße und teils ältere Formen in einer nicht ganz regelmäßigen Schriftausführung mit stark schwankenden Buchstabengrößen.

Über Segehardus ist nicht mehr bekannt, als sich aus dieser Inschrift erschließen lässt. Der Name EMMICHIN ist in Erfurt sogar unter den Ratsmeistern nachgewiesen.3) Demnach sollte Segehard Emmichin nicht etwa ein Mainzer Ministeriale in Erfurt gewesen sein, sondern zu jenen von Kaiser Karl IV. angelegentlich der Belehnung Erfurts mit Burg und Dorf Kapellendorf (1352) als lehensfähig erklärten Personen bzw. Familien gehört haben, die über diesen Weg adlige Positionen und Lebensweisen annahmen.4) So erklärt sich dann die Rüstung mit Beinschienen und Sporen5) bei einer Bürgerdarstellung.

Man wird sich der Auffassung von Reccius anschließen, dass Segehardus unterwegs zu Tode kam und auf dem Hospitalfriedhof begraben wurde.6) Seine Familie, die recht wohlhabend gewesen sein muss, hat dann für den aufwendigen und sorgfältig gearbeiteten Grabstein gesorgt. Engere Beziehungen der Emmichin zur Gegend um Allendorf lassen sich nicht nachweisen. Möglich ist immerhin, dass Segehardus mit dem Dorf Emmichenrode bei Allendorf zu tun hatte, das damals noch existierte.7) Die besonderen Umstände der Entstehung sind auch am Fehlen des im 14. Jahrhundert und später fast immer vorhandenen Tagesdatums abzulesen; der Stein könnte also doch umständehalber länger nach dem Todesfall entstanden sein, als das sonst der Fall war.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungsstrich über dem Wort oberhalb der Begrenzungslinie.
  2. Sic mit Trenner im Wort.
  3. Kein Kürzungszeichen erkennbar; Ecken ausgebrochen.
  4. Kürzungsstrich über dem Wort oberhalb der Begrenzungslinie über dem zweiten E; zweites Kürzungszeichen ein gebogener Haken durch S.
  5. Kürzungszeichen: us-Haken weit nach links durch I gezogen.
  6. Haken über dem Q.

Anmerkungen

  1. Neben Schwert sind an Armen und Beinen Schienen erkennbar, an den Füßen Sporen, der Oberkörper in geknöpftem Wams, Kragen undefinierbar.
  2. Wappen unbekannt (Jagdhorn an Riemenschlinge; so auch Helmzier).
  3. s. Wenzel, Hospital 83f. Dort wird die Inschrift zitiert und übersetzt und der Name in Erfurt nachgewiesen.
  4. Regesta Imperii VIII Nr. 1528; s. auch Werner Mägdefrau und Erika Langer: Die Entfaltung der Stadt von der Mitte des 11. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, in: Geschichte der Stadt Erfurt. Hg. im Auftrag des Rates der Stadt Erfurt von Willibald Gutsche. Weimar 1986, 89.
  5. Eine ausführliche Beschreibung und Würdigung der Rüstung bei Wenzel 83f.
  6. s. Reccius 34, Ganßauge 73.
  7. s. Reccius 19, wonach das halbe Dorf Emmichenrode um 1370 als Lehen Reinhards von Netra erwähnt ist; ähnlich Ganßauge 69. Jetzt gibt es noch Spuren einer Wüstung Ammichenrode, ca. 4 km südöstlich von Allendorf.

Nachweise

  1. Wenzel, Hospital 83f.

Zitierhinweis:
DI 87, Witzenhausen (Altkreis), Nr. 2 (Edgar Siedschlag, Mitarbeit: Fuchs, Rüdiger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di087mz13k0000201.