Inschriftenkatalog: Stadt Worms
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 29: Worms (1991)
Nr. 453 Liebfrauenstift 1552
Beschreibung
Grabplatte des Nikolaus Vorwort, Kanoniker des Andreasstiftes. Innen an der Wand des nördlichen Chorumganges, 10. Stein von Westen; der Stein wurde am 4. Februar 1965 bei Bodenarbeiten entdeckt und hängt seit Februar 1982 an der Wand.1) Hochrechteckiger roter Sandstein mit neun erhaltenen Inschriftenzeilen in liniertem Rahmen. Linke und rechte obere Ecke sowie der untere Teil der Inschrift schräg und kantig abgebrochen, senkrechter Riß links der Mitte. Die obere linke Ecke zeigt noch ein Foto nach dem Fund.2)
Maße: H.(erhalten) 110, B. 90, Bu. 7 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
[AN]NO · DOMIN[I · / 15]52 · DIE · 13 · SEP = /[TE(M)B]RIS · O(BIIT) · VEN(ERABI)LISa) · ET / CIRCV(M)SPECT(VS) · VIR · / D(OMI)N(V)S · M(A)G(ISTE)R · NICOLA(VS) / VORWORT · IN · DIF = /FICILLI(M)Ab) · HORV(M) · T(EM)P(O)RV(M) / ADVERSITATEc) · ECCL(ES)I[AS=]/TES · FIDEL[IS .........]
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1552, am 13. September, starb der ehrwürdige und wohlgeachtete Herr Magister Nikolaus Vorwort, in schwierigster Widrigkeit dieser Zeiten ein treuer Prediger.......
Textkritischer Apparat
- LIS interlinear.
- DIFFICILI(T)A(TE) Schalk.
- E nach V interlinear.
Anmerkungen
- Schalk.
- StA Worms Neg.Nr. M 12248.
- Insertae und Contiguae kommen in den Worten SEPTEMBRIS, NICOLAVS, DIFFICILLIMA, ADVERSITATE, ECCLESIASTES und FIDELIS vor.
- Reuter, Worms 55; zu Einzelheiten vgl. auch Boos, Städtekultur IV 241f. und Becker, Beiträge 48f.
- Kopialbuch des Andreasstiftes im HStA Darmstadt, Abt. C 1 Nr. 146 Prolog.
- Vgl. Du Cange III 227.
- Trostbrief Luthers an die Wormser Gemeinde vom 24. August 1523 bei Boos, Städtekultur IV 209-211.
Nachweise
- Schalk, Gräber 212 Nr. 6 u. Abb. 9.
Zitierhinweis:
DI 29, Worms, Nr. 453 (Rüdiger Fuchs), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di029mz02k0045307.
Kommentar
Die klar gehauene, schlank wirkende Kapitalis enthält keine Fremdbuchstaben und weist deutliche Unterschiede zwischen Schatten- und Haarstrichen auf. Der Abstrich des R setzt an dem verhältnismäßig kleinen Bauch weit rechts an; dieser verliert seine Rundung zur Schaftmitte hin. Starke Kürzungen und Buchstabenverbindungen ab der dritten Zeile gehen auf den sich abzeichnenden Raummangel zurück;3) so erklärt sich auch das schlanker werdende Schriftbild einer ansonsten in Proportion, Einzelformen und dreieckigen Worttrennern um ein klassisches Erscheinungsbild bemühten Gestaltung.
Die Würdigung des Verstorbenen rühmt die rechtgläubige Treue des Geistlichen und hebt sie gegenüber Vorkommnissen der Wormser Reformationsgeschichte ab, in deren Verlauf sich Geistliche besonders aus dem Andreasstift der neuen Lehre zugewandt hatten,4) und dem Andreasstift gehörte Vorwort als Kanoniker 1550 an.5) Eine Verbindung zum Liebfrauenstift liegt im Dunkeln. Die Wahl des Begräbnisortes in einem fremden Stift könnte jedoch in der Sicherung der Totenliturgie begründet gewesen sein, die beim Andreasstift nicht mehr gewährleistet schien. Mit dem ungewöhnlichen Titel ecclesiastes (fidelis) in Anlehnung an den Prediger Salomo setzt die Inschrift im konfessionellen Spannungsfeld einen Akzent zur ähnlichen Bezeichnung „Ecclesiastae“ für lutherische Prediger6) und zur Selbstbezeichnung Luthers als „Ecclesiastes Wittenbergensis“.7)