Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 657 Domhof 1578

Beschreibung

Relief, möglicherweise Fragment eines Epitaphes oder einer Stifterinschrift, an der Südwand, im fünften Joch von Westen, dritte Tafel von Westen, vierte von unten. Kalkstein. Querrechteckige Platte mit Relief, im Zentrum in der linken Bildhälfte eine thronende Muttergottes mit dem Jesusknaben auf dem Schoß, am Sockel des Thrones Jahreszahl (I), links und rechts davon je ein Kleriker auf einer Gebetbank kniend, der Muttergottes zugewandt, jeder der beiden Kleriker hat ein offenes Buch auf der Bank, ein Pedum an seiner Seite, vor der Bank je eine Wappenkartusche, hinter dem linken Kleriker die Hl. Barbara, in der Linken den Turm, die Rechte auf der rechten Schulter des Klerikers, hinter dem rechten Kleriker der Hl. Andreas, mit der Rechten das Kreuz umschlingend, die Linke auf der linken Schulter des Klerikers, hinter Andreas eine kniende Gruppe von weiteren neun Klerikern, vor dieser Gruppe am Boden ein Schriftband mit Inschrift (II). Relief an den Rändern, besonders rechts unten, beschädigt.

Maße: H. 23 cm, B. 81 cm, Bu. 1,3 cm (I, gemessen 1), 0,6 cm (II).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. I.

    1 · 578a)

  2. II.

    SA: MAR(IA) ORA PRO NO[BI]Sb)

Wappen:
unbekannt1), unbekannt2).

Kommentar

Bei dem Stück handelt es sich wahrscheinlich um einen in Kdm Passau aufgeführten Gedenkstein3), der dort mit der Jahreszahl 1576 genannt wird. Demnach stammt das Relief aus St. Nikola und zeigt möglicherweise die beiden Pröpste Mathias Werl (1557–1563) und Augustin Arnold (1563–1577). Somit könnten sich die in der Hausmarke auf dem Wappen des linken Prälaten enthaltenen Initialen AA auf letzteren beziehen. Jedoch stimmen die Initialen auf dem anderen Wappen nicht mit den Anfangsbuchstaben Mathias Werls überein. Es dürfte sich bei diesem Propst wohl eher um den Nachfolger des bereits 1577 verstorbenen Augustin Arnold, Propst Jeremias Kirchmair (1577–1585), handeln. Somit müssten die Buchstaben auf dem Wappen mit IKP identifiziert werden, was I(EREMIAS) K(IRCHMAIR) P(RAEPOSITVS) ergeben würde. Da Augustin Arnold schon 1577 starb, hat das Relief also wahrscheinlich Jeremias Kirchmair in Auftrag gegeben. Kurios scheint die Tatsache, dass St. Nikola zu jener Zeit unter Personalmangel litt und beim Amtsantritt Augustin Arnolds (1563) nur neun Geistliche die Profess abgelegt hatten. Diese Zahl stimmt genau mit der Zahl der auf dem Relief dargestellten Klerikern überein. Ebenso könnte die Anrufung der Muttergottes auf dem Relief in Zusammenhang mit der unter Augustin Arnold beginnenden katholischen Erneuerung gesehen werden. Nachdem sein Amtsvorvorgänger Thomas Guner 1556 zur neuen Lehre übertrat und dessen Nachfolger Mathias Werl den Anhängern Luthers positiv gegenüber stand, setzte mit Augustin Arnold, der möglicherweise sogar vom bayerischen Herzog eingesetzt wurde, die katholische Gegenbewegung in St. Nikola ein. Sein Amtsnachfolger Jeremias Kirchmair setzte die Amtsgeschäfte in diesem Sinn fort4). Vielleicht soll das Relief unter anderem demonstrieren, dass sich das Stift St. Nikola wieder eindeutig der katholischen Lehre zuwendet.

Textkritischer Apparat

  1. Genaue Form des Worttrenners nicht mehr nachvollziehbar.
  2. Vergrößerte Anfangsbuchstaben.

Anmerkungen

  1. Ein lateinisches Kreuz, am Fuß links und rechts des Kruzesschaftes und jeweils den rechten bzw. Linken Schenkel durch den Kreuzesschaft gebildet, zwei Initialen A A.
  2. Auf einem Dreiberg eine Palme, davor zwei gekreuzte Knochen und die Initialen I K P durch einen Balken verbunden.
  3. Kdm Passau 118.
  4. Zu den Pröpsten Thomas Guner, Mathias Werl, Augustinus Arnold und Jeremias Kirchmair vgl. Drost, St. Nikola 39–42.

Nachweise

  1. Kdm Passau 118.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 657 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0065701.