Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 632 Domhof, Trenbachkapelle 1572

Beschreibung

Altar, an der Westwand. Rotmarmor. Reliefs, Schriftplatten, Säulenkapitelle und Wappenmedaillons aus Solnhofener Kalkstein. Der Altar gliedert sich in drei Zonen, unten die Predella mit der Stifterinschrift (I), zu Seiten das Trenbach-Wappen, links der Schild, rechts das Oberwappen. Darüber, durch ein Gesims getrennt, die Hauptzone, durch Säulen in drei Achsen gegliedert, an den vier Säulenbasen je ein Wappen der Ahnenprobe. In der linken Achse drei Bildtafeln mit alttestamentlichen Szenen, jeweils auf einem konkaven Schriftfeld darunter Inschrift in hebräischer Sprache mit lateinischer Zitatangabe (II), von oben nach unten: der Zug Israels durch das Schilfmeer (1), Moses empfängt die Gesetzestafeln am Berg Sinai, über ihm in einem Sonnenmedaillon Gottesname in hebräischer Sprache (2), Verkündigung der Zehn Gebote an das Volk Israel durch Moses (3); rechts entsprechend drei Tafeln mit neutestamentlichen Szenen, ebenfalls mit konvexen Schrifttafeln mit lateinischen Inschriften (IV), von oben nach unten: Verkündigung an Maria (1), Taufe Christi im Jordan, über der Heiliggeisttaube in Sonnenmedaillon Gottesname in hebräischer Sprache (2), Aussendung der Jünger1) (3), die alttestamentliche Szene bezieht sich jeweils auf die neutestamentliche. In der mittleren Achse oben in der Größe der beiden oberen Bild- und Schrifttafeln oben halbkreisförmig abgeschlossenes Feld: Darstellung des Paradieses, in der Mitte Adam und Eva vor dem Baum der Erkenntnis, im Vordergrund zahlreiche, unterschiedliche, auch exotische Tiere, z.B. Elefant, Dromedar, aber auch Einhorn (evtl. als Mariensymbol), im Hintergrund Berge und Meer, Himmel mit Sonne, Mond und den Tierkreiszeichen ganz oben kreisrundes Medaillon mit dem hebräischen Gottesnamen; darunter (III) links David beauftragt Salomo mit dem Tempelbau (?)2) mit hebräischer Inschrift und lateinischem Zitat (1), rechts Krönung Mariens mit lateinischer Beischrift (2); darüber Architrav, die Achsengliederung übernehmend, dort links hebräische, in der Mitte griechische und rechts lateinische Inschriften (V); oben heute nicht dazugehöriger Aufsatz, zwischen zwei Voluten ein kreisrundes Medaillon mit einem Allianzwappen im Vierpass und vier weiteren Wappenschilden in den Zwickeln des Vierpasses. Laut Wildner, der sich auf ein Photo aus dem Jahre 1861 bezieht, wurde der Aufsatz ursprünglich durch eine Darstellung der Kreuzigung bekrönt. Der Altar wurde im Zuge der Restaurierungsarbeiten unter Bischof Hofstätter an die Südseite der Kapelle versetzt und fand 1980 wieder seinen alten Platz. Dabei wurde eine neue Mensa errichtet.

Maße: H. 370 cm, B. 225 cm, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, Griechische Schrift, Hebräische Schrift.

© Bischöfliches Ordinariat Passau [1/5]

I. Predella

  1. D[IV]INAE TRINITATIa) · / ETa) MEMORIAE VETVSTAE NOBILISQ(VE) FAMILIAE TRENBACHIAE HOC OPVS ET / SACELLVMa), PRO TRIBVS ANNIVERSARIIS AC DEDICATIONE ATQ(VE) DVOBVS IN HEBDO=/MADA SACRIS, PERPETVO REDITV ORNATVM, VRBANVS EPISCOPVS PATAVIEN(SIS) / EIVSDEM FAMILIAE A FVNDAMENTIS EXTRVXIT. M.D.LXXII.b)

Übersetzung:

Der göttlichen Dreifaltigkeit und dem Gedächtnis der alten und edlen Familie Trenbach errichtete Urban, Bischof von Passau, aus eben dieser Familie von den Fundamenten an dieses Werk und die Kapelle, ausgerüstet mit immerwährenden Einkünften für drei Jahrtage, eine Messe zur (Kirch)weihe und zwei in der Hl. Woche. 1572.

II. Hauptzone linke Achse, von oben:

1.

  1. /נרוך יהוה אלהים אלהי / ישראל עשה נפלאוח לבדו PSAL(MVS) LXXIIc)

Übersetzung:

Gesegnet sei Jahwe Gott, der Gott Israels, er allein tut Wunder. Psalm 72.

2. auf dem Schriftfeld:

  1. / ארץ רצשה אף־שמים / נטפו מפני אלהים וה םיני / מפני אלהים אלהי ישראל PSAL(MVS) LXIIXc)

Übersetzung:

Die Erde erbebte und die Himmel troffen vor Gottes Antlitz, dies ist ein Sinai, vor dem Antlitz Gottes, des Gottes Israels. Psalm 68.

im Bildrelief im Medaillon über Moses:

  1. יהוה

3.

  1. / .שמצ ישראל יהוה אלהינו / יהוה אחך. כי אנכי יהוה / אלהיך אל קנא DEVT(ERONOMIVM) VI EXOD(VS) XXd)

Übersetzung:

Höre Israel, Jahwe, dein Gott, Jahwe ist einzig. Denn ich Jahwe, dein Gott bin ein eifersüchtiger Gott. Deuteronomium 6, Exodus 20. Der Gott Jahwe, mein Gott, wird mit Dir sein. Jahwe ist Gott, Jahwe ist Gott. 1 Chronik 28, Deuteronomium 7.

III. Mittelteil:

1. Mitte unten links:

  1. יהוה אלהים אלהי צמך / יהוה אלהיך בקרבך אל / גדול ונורא PARA(LIPOMENON) XXVIII // DEVT(ERONOMIVM) VIIc)

2. Mitte unten rechts:

  1. TRES SVNT Q(VI) TESTIMONIV(M) / DANT IN COELO, P(ATE)R, VERBVM, / ET SPIRITVS SANCT(VS)e), ET HI / TRES VNV(M) SVNT · I · IOH(ANNIS) · V ·d)

Übersetzung:

Drei sind es, die Zeugnis geben im Himmel: der Vater, das Wort und der Hl. Geist; und diese drei sind eins. 1. Johannes 5.

3. Gottesname im Relief des Sündenfalls:

  1. יהוה

IV. Mittelteil, rechte Achse, von oben:

1.

  1. SPIRIT(VS)e) SANCT(VS)e) SVP(ER)VENIET IN / TE, ET VIRT(VS)e) ALTISSIMI OBVMBRA/BIT TIBI, IDEOQ(VE)f) Q(VOD)g) NASCETVR EX / TE SA(N)CTV(M), VOCABIT(VR)h) FILI(VS)e) DEI · / LVC(AS) · I ·c)

Übersetzung:

Der Hl. Geist wird auf dich herabkommen und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren werden soll, Sohn Gottes genannt werden. Lukas 1.

2. auf dem Schriftfeld:

  1. Q(VI) MISIT ME BAPTIZARE IN AQVA, / ILLE DIXIT MI(HI), SVP(ER) QVEM VIDERIS / SPIRITV(M) DESCE(N)DE(N)TEM ET MANEN=/TEM SVP(ER) EVM, HIC EST Q(VI) BAPTIZ/AT IN SPIRITV SANCTO. IOH(ANNES) . I .d)

Übersetzung:

Der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, sprach zu mir: Über wen du den Geist herabkommen sehen wirst und über ihm bleiben, dieser ist es, der mit dem Hl. Geist tauft. Iohannes 1.

auf der Bildtafel im Medaillon über der Heiliggeisttaube:

  1. יהוה

3.

  1. EVNTESi) DOCETE OMNES / GENTES, BAPTIZANTES EOS IN / NOMINE PATRIS ET FILII ET / SPIRITVS SANCTI. MAT(HAEUS) . VLT(IMO) .d)

Übersetzung:

Darum geht und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Matthäus im letzten Kapitel.

V. Architrav:

1. Linke Seite: Hebräische Inschrift mit lateinischem Zitat, linke Spalte:

  1. אל אלהים יהוה דבר / ויקרא ארץ. אל אלהים / יהוה אלהים יהוה PSAL(MVS) L. IOSVE XXII

Übersetzung:

Der Gott der Götter, Jahwe hat gesprochen und die Erde gerufen. Gott der Götter, Jahwe, Gott Jahwe. Palm 50, Josua 22.

rechte Spalte:

  1. / יהוה הוא האלהים / יהוה הוא האלהים / אני אני הוא I. REG(VM) XVIII. DEVT(ERONOMIVM) XXXII.

Übersetzung:

Jahwe ist Gott , Jahwe ist Gott. Ich, ich bin es 1 Könige 18, Deuteronomium 32.

2. Mitte: Griechische Inschrift mit lateinischem Zitat, linke Spalte:

  1. ΕΝ ἈΡΧἯ ἘΠΟΊΗΣΕΝ Ό ΘΕὉΣ / ΤὈΝ ΌΥΡΑΝὉΝ ΚΑἸ ΤἨΝ ΓΗΝ / ΚΑἸ ΠΝΕΫΜΑ ΘΕΟΫ ἘΠΕΦΈ=/ΡΕΤΟ ΈΠΆΝΩ ΤΟΥ ΫΔΑΤΟΣ / GEN(ESIS) Ic)

Übersetzung:

Am Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde und der Geist Gottes ruhte über den Wassern. Genesis 1.

rechte Spalte:

  1. [Τ]Ώ ΔΌΓΩk) ΚΥΡΊΟΥl) ΌΙ ὈΥΡΑΝΟΊ / ΈΣΤΕΡΕὉΘΗΣΑΝm) ΚΑἸ ΤΩ ΠΙΝἘΥ/ΜΑΤΙn) ΤΩΥ ΣΤΌΜΑΤΟΣ ΆΥΤΟΥ / ΠΑΣΑ Ή ΔΎΝΑΜΙΣ ΆΥΤΩΝ PSAL(MVS) XXXII

Übersetzung:

Das Wort Gottes schuf die Himmel und durch den Hauch seines Mundes all ihre Gewalt. Psalm 32.

3. Rechte Seite:

  1. ROGABO PATREM ET ALIVM / PARACLETV(M) DABIT VOBIS VT MANEAT VOBISCV(M) IN AETER/NV(M) SPIRITV(M) VERITATISo) // PARACLET(VS)p) SPIRIT(VS) SANCT(VS) / QVEM MITTET PATER IN/ NOMINE MEO ILLE VOS / DOCEBIT OMNIA / IOA(NNES) XIVc)

Übersetzung:

Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, dass er bei euch bleibe in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit. Der Beistand, der Hl. Geist, den der Vater in meinem Namen schickt, jener wird euch alles lehren. Johannes 14.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Ps 72 (73), 18; (II, 1) Ps 68 (69), 9; (II,2) Dtn 6, 4, Ex 20, 5b; (II, 3) Par 28, 20. Dtn 7, 21; (III, 1) 1 Io 5, 7 (mit Comma Iohaneum); (III, 2) Lc 1, 35; (IV, 1) Io 1, 33; (IV, 2) Mt 28, 19; (IV, 3) Ps 50 (51), 1, Ios 22, 22a, 1 Rg 18, 39b, Dtn 32, 39; (V, 1) Gn 1, 1.2b, Ps 33 (32), 6; (V, 2) Nach Io 14, 16f. 26. (IV, 3).
 
Wappen:
Trenbach3), unbekannt4), Radlkofen5), Ramseyden6), Urban von Trenbach (Bischofswappen)7), Urban von Trenbach (Oberwappen)8).

Kommentar

Zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LXII. Die hebräischen Schriftzeichen sind im Prinzip ordentlich gearbeitet, bei manchen Buchstaben sind jedoch die Charaktere nicht genau getroffen, so ist der Deckbalken bei Schluss-Kaf häufig so kurz, dass eine Verwechslung mit Schluss-Nun möglich wird. Zu Beginn mancher Texte ist die Partikel כי ausgefallen. Während die Texte zu den neutestamentlichen Szenen als Bildbeischriften zu verstehen sind, stehen die hebräischen Texte nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Bildern. Es wurden ausschließlich Selbstaussagen und Bezeugungen des Gottesnamens ausgewählt.

Die theologische Konzeption zeigt eine Gegenüberstellung von Szenen des Alten Testaments mit denen des Neuen. Ist Wildners Angabe bezüglich des verlorenen Aufsatzes richtig, so handelt es sich um eine Betrachtung der gesamten Heilsgeschichte unter dem Blickwinkel der Erlösung durch Christi Kreuzestod. Im Zentrum des Altares findet sich die Darstellung der Schöpfung, die Verengung Wildners auf den Sündenfall ist wohl irrig. Dem Relief der Durchquerung des Schilfmeeres durch die Israeliten als Urheilstat des Mosesbundes ist die Verkündigung an die Gottesmutter gegenübergestellt, der Manifestwerdung Jahwes durch die Übergabe der Gesetzestafeln an Moses die Anerkenntnis Jesu als Gottessohn in der Taufe, der Verkündigung des Gesetzes an die Israeliten der Missionsbefehl des Mathäusevangeliums, der Beauftragung Salomons mit dem Tempelbau durch David9) die Krönung Mariens als einer der Gründungsakte der himmlischen Kirche. Der Altar spielt also mit der gerne gewählten Technik der Gegenüberstellung von Altem und Neuem Testament, ohne sich jedoch auf das reformatorische, aber auch im katholischen Umfeld benutzte Programm der Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade zu beziehen, vielmehr wird das schon bei den Vätern benutze Thema der Erfüllung des Alten Testaments durch das Neue als Thema gewählt. Der Altar ist ein bedeutendes Werk der Renaissance-Sakralkunst in Passau eines noch unbekannten, wahrscheinlich auswärtigen Meisters.

Zu Fürstbischof Urban von Trenbach vgl. Nr. 722.

Textkritischer Apparat

  1. Vergrößerter Anfangsbuchstabe.
  2. Neulateinische Zahlzeichen für M und D.
  3. Bibelstellenangabe in verkleinerter Schrift, zentriert.
  4. Bibelstellenangabe in verkleinerter Schrift.
  5. us-Haken hochgestellt.
  6. Das in der Vulgata folgende et ausgefallen.
  7. QO-Enklave.
  8. –VR Kürzung hochgestellt.
  9. Das in der Vulgata folgende ergo ausgefallen.
  10. Sic, Verschreibung für ΛΌΓΩ.
  11. ΤΟΥ vor ΚΥΡΓΟΥ ausgefallen.
  12. Sic, Verschreibung für ΈΣΤΕΡΕΏΘΗΣΑΝ.
  13. Kein Trennungszeichen.
  14. Wechsel in die rechte Spalte.
  15. Das in der Vulgata folgende autem ausgefallen.

Anmerkungen

  1. Wildner, Grabkapelle bezeichnet die Szene einmal Jesus lehrt die Jünger das Gebet des Herrn, später spricht er von Himmelfahrt, da sich die Bibelzitate unter den neutestamentlichen Szenen jedoch in den beiden anderen Fällen direkt auf die dargestellte Szene beziehen, ist auch davon auszugehen, dass hier die nachösterliche Jüngeraussendung nach Mat 28, 16–20 dargestellt ist.
  2. Wildner, Grabkapelle bezeichnet die Szene nicht näher, er benennt sie nur als König David Szene.
  3. BayA1 187.
  4. Ein mit drei Rosen belegter Balken; es handelt sich um das gleiche Wappen, das bei der Inschrift für Urban auf der Platte für ihn und seinen Halbbruder Christoph (Nr. 539 Anm. 8) mit der Beischrift Haidn bezeichnet ist.
  5. BayA1 118.
  6. BayA1 6.
  7. Quadriert. Feld 1 Hochstift Passau (Bi 48), Felder 2–4 entsprechen den Feldern 2–4 von Trenbach (BayA1 187); vgl. Röhrer-Ertl, Fingerzeig 229: Das Wappen entspricht der Version D.
  8. Das Oberwappen über leerem Wappenschild vereinigt die Helmzierden der Trenbach (BayA1 187) mit der Helmzier des Domkapitels (Bi 49). In dieser Kombination findet es sich auch auf einem Wappenstein vor der alten Residenz (vgl. Nr. 592); vgl. Röhrer-Ertl, Fingerzeig 229: Das Wappen entspricht der Version D.
  9. Die Zuweisung ist nicht sicher, entspricht aber dem unten angefügten Bibelzitat Par 28,20, denkbar wäre auch die Inthronisation der Batseba (vgl. 1 Kön 2, 19), eine häufig als alttestamentliche Parallelszene zur Marienkrönung gewählte Darstellung.

Nachweise

  1. Kdm Passau 173f., Fig. 136; Wildner, Grabkapelle 117–131 mit Inschrift V und weiteren Nachweisen.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 632 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0063208.