Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 629 Pfk. St. Bartholomäus 1572

Beschreibung

Epitaph für den Ilzstadtrichter Wolfgang Scheer und seine beiden Ehefrauen Anna, geb. Tubler, und Barbara, geb. Staininger, an der Nordwand, in der Vorhalle, zweite von Westen. Kalkstein. Geschwungener Aufsatz mit Rankenwerk, darin in Kreismedaillon Brustbild Gott Vater segnend, vor ihm ein Reichsapfel; im Mittelteil in Relief die Stifterfamilie, links der Vater mit erhabenem Kreuz als verstorben gekennzeichnet mit zwei Söhnen, zu Füßen des ältesten Sohnes das Wappen1), links die beiden Ehefrauen in Trauertracht mit drei Töchtern, zu Füßen der Frauen Wappenschilde, Ehefrauen und zwei Töchter als verstorben gekennzeichnet, vor dem Kruzifix kniend, zu Seiten des Kreuzes Schrifttafeln in Rollwerkrahmen (I, II), zu Füßen des Kreuzes Totenkopf, zu Häupten Heiliggeisttaube flankiert von Wolken und je einem Engelskopf, darunter in Rollwerkrahmen oben in der Mitte mit Kopf in Draperie, unten mit Engelskopf Inschrift (III); auf dem unteren Rand Inschrift (IV), Titulus (V). Platte teilweise zugeputzt und übertüncht, Textverlust.

Maße: H. 107 cm, B. 54 cm, Bu. 1 cm (I, II, IV, V), 2 cm (III).

Schriftart(en): Fraktur, Kapitalis (IV).

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/4]

I. Linke Schriftplatte:

  1. Ich bin ain gueter Hiert / Ain gueter hiert setzt sein / leben fuer seine Schäfl · / Johannes am · 10a) ·

II. Rechte Schriftplatte:

  1. Ich bin die Warhait vnd / das leben , Niemandt kho=/mbt zum , Vattern dann / durch mich Johannes · 14a) ·

III.

  1. Hie ligt begraben der Ernuesst , vnd furnem Wolff=/gangb) Scheer Furstlicher Statrichter am Iltzstadt zw / Passau, welcher den .21. tag Decembris Anno .1.5.72. / seines alters im .58. in gott seeligkhlich entschlaffen , / also auch vor Ime die Erbar vnd tugenthafft frau , Anna , / Tüblerin , sein erste Ehliche hausfraw, welche den .9. tag / Februaryc) A(nn)od) .1563. seligkhlich verstorbe(n) , vnd dann gleichsfals die / auch Erntvgenthafft fraw Barbara Stainingerin, sein anndere Eh=/liche hausfr(aw) welche de(n) ⟨23 May⟩ A(nn)od) 15⟨78⟩ hinach in Christo de(m) / herrn verschiede(n) · got der almechtig verleiche Ine(n) vnd alle(n) Christglaubige(n) / Selen ain fröliche auferstehung Amene) ·

IV.

  1. HAEREDES AB IN TEST[ATO – – –] CVRAVERVNT

Übersetzung:

Die Erben besorgten nach dem Testament [die Errichtung dieses Denkmals].

V. Titulus:

  1. INRIf)

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Joh 10, 11. (II) Joh 14, 6. (II)
 
Wappen:
unbekannt2), unbekannt3), unbekannt4).

Kommentar

Die Ausführung der Grabinschrift ist dem Steinmetzen nicht gut gelungen. Offenbar hat er die Länge des Textes unterschätzt. Gegen Ende des Textes wird die Schrift zunehmend kleiner und gedrängter. In der vorletzten Zeile greift der Steinmetz, um den Text unterbringen zu können,außerdem zum Mittel des Nexus litterarum. Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel S. LVII; zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LX.

Wolfgang Scheer wurde 1514 als Sohn des Schoppers und Ilzstadtrichter Wolf Scheers (des Älteren) und der Anna, geb. Sausperger, geboren5). Er war von Beruf Schopper6) und übte das Amt des Ilzstadtrichters wie die meisten seiner Vorgänger und Nachfolger nebenberuflich aus. Belegbar ist er als Ilzstadtrichter von 1555 an bis zu seinem Tod. Seine beiden auf dem Epitaph dargestellten Söhne Christoph und Simon waren ebenfalls Schopper und Säumerwirte zu Ilz7). Seine zweite Ehefrau Barbara Staininger stammte aus Straubing und war eine Nichte des Georg Scherhuber.

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  2. a mit geschlossenem Bogen (wie e) an der rechten Haste. Verschreibung?
  3. Ab hier kleinere Schriftgröße 1,5 cm.
  4. o zur Kennzeichnung der Kürzung hochgestellt.
  5. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte, am Textende mit oben und unten ansetzenden, eingerollten Zierstrichen.
  6. N spiegelverkehrt.

Anmerkungen

  1. Der Anbringungsort des Wappens ist ungewöhnlich, eigentlich wäre das Wappen vor dem Vater zu erwarten. Da das Denkmal von den Erben errichtet wurde, ist zu vermuten, dass der älteste Sohn als aktuelles Familienoberhaupt das Wappen zu seinen Füßen und nicht zu Füßen des als verstorben gekennzeichneten Vaters anbringen ließ.
  2. Innerhalb eines Schildrandes ein mit einem Fadenbalken belegter Schrägbalken, darauf ein laufender Maulwurf (bayerisch: Scher). Das gleiche Wappen bietet das Grabdenkmal des Michael Scheer, vgl. Nr. 677.
  3. Innerhalb eines Schildrandes ein aufgerichtetes Reh.
  4. Drei angehäufte Steine.
  5. Vgl. Kellermann, Ilzstadt IV, 7f.
  6. Zu den Schoppern vgl. Kellermann, Ilzstadt II, 83ff.
  7. Eichhorn, Beichtzettel 321.

Nachweise

  1. Kellermann, Ilzstadt IV, 7f.; VI, 32.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 629 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0062906.