Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 111 Domhof, Ortenburgkapelle um 1420

Beschreibung

Tumba für den Grafen Heinrich IV. von Ortenburg und seine Gemahlin Agnes. Rotmarmor. Deckplatte mit Hochrelief Heinrichs im Waffenrock, mit Fähnchenlanze, zu Füßen rechts das Wappen Ortenburg, abgeschrägte Kanten mit Inschrift, umlaufend nach außen gerichtet, erhaben zwischen erhabenen Randleisten, in die die Ober- und Unterlängen der Schrift mit vertieften Konturen ragen. Seitenwände mit Wappen wohl nicht zugehörig. 1843 durch Bischof Hofstätter in die Herrenkapelle transferiert. Nach Intervention des Hauses Ortenburg wieder am alten Platz aufgestellt1). Davor Rotmarmorplatte im Boden ohne erkennbare Inschrift oder Darstellung als Deckplatte zur Gruft.

Maße: H. 233 cm, B. 116 cm, Bu. 9,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/6]

  1. + hie · ist · die · begrebnus · der / · wolgeporn · herre(n) · Graf · hainreichs · vo(n) · Ortenperg · vnd · sei(n)er / · hausfrave(n) · angnese(n) · des · Kun/igsa) · Tocht(er) · vo(n) · ungernb) · vnd · aller · ir · vorfordern · den · got · genadc) ·

Kommentar

Die zeitliche Einordnung um 1400 erfolgt auf Basis kunsthistorischer Angaben2) und der inschriftenpaläographischen Nähe der Tumbadeckplatte zu den gotischen Grabmälern für die Niedernburger Äbtissinnen Gisela (Nr. 3) und Heilika (Nr. 1)3).

Der Tumbakasten ist aus Sandstein gefertigt. Kunsthistorische und heraldische Kriterien weisen auch seine Entstehung in das frühe 15. Jahrhundert. Er zeigt Wappen und Wappenverbindungen, die darauf schließen lassen, dass er ursprünglich nicht zur Deckplatte gehörte. So steht im Zentrum der Kastenwappen eine Verbindung des Ortenburgerwappens (Bay 17) mit dem des schlesischen Herzoghauses (Souv3 4). Diese Wappenverbindung weist auf eine eheliche Verbindung einer Ortenburgerin mit einem Mitglied des schlesischen Herzogshauses hin. Es könnte sich auch, wenn das Wappen des ranghöheren Partners den vornehmeren Platz erhielt, um die Wappenverbindung eines Ortenburgers mit einer schlesischen Herzogstochter handeln. Die Wappenverbindung tritt dreimal auf dem Tumbakasten auf, auf der unteren Schmalseite und im Zentrum der beiden Langseiten. Die übrigen Wappen wurden in der Literatur als Anjou-Ungarn (Souv4 95) und Ortenburg (obere Schmalseite), Schaunberg (OÖ 322f.) und Hals (BayA1 144) (linke Langseite), Braunschweig (Souv1 27) und Ortenburg in Kärnten (Bay 17)4) identifiziert. Da die Tinkturen fehlen, kann die Identifizierung nicht als eindeutig gelten. Es ist nicht gelungen, diese Wappen mit einem Mitglied der Familie Ortenburg in Verbindung zu bringen. Der Tumbakasten ist mehrfach gebrochen und wurde vielleicht falsch zusammengesetzt, was eine Zuweisung zusätzlich erschwert. Auf Grund eines Kupferstichs weist Hausmann eine andere Wappenabfolge nach5). Die ältere Forschung6) ging davon aus, dass es sich bei diesem Grabmal um das Heinrichs III. von Ortenburg und dessen zweiter Gemahlin Agens von Wittelsbach handelt. Hausmann7) weist das Grabmal Heinrich IV. († ca. 1395) zu und identifiziert dessen Gemahlin Agnes als die Tochter der Agnes von Schlesien-Glogau aus deren zweiter Ehe mit Alram von Hals. Dass die Inschrift Agnes als Tochter des Königs von Ungarn nennt, beruhe auf der irrigen Meinung, sie entstamme aus der ersten Ehe der Agnes mit Otto III. von Niederbayern, der zeitweise Titularkönig von Ungarn war.

Textkritischer Apparat

  1. Über u übergeschriebenes e.
  2. Ausgebesserte Beschädigung.
  3. e hochgestellt; Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Zur Ortenburgkapelle vgl. Zinnhobler, Bistumsmatrikeln 1, 167 Anm. 25;
  2. Halm, Plastik I, 74 (um 1420); Kdm Passau 139 (um 1430); Dehio NB 507 (um 1420).
  3. Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel XLI; Vgl. auch zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart Einleitungskapitel LVIII.
  4. Das Wappen entspricht weder genau dem ursprünglichen Wappen der Ortenbuger in Kärnten noch dem späteren, veränderten Wappen, wie es die bayerischen Ortenburger als Kärntner Wappen führten.
  5. Niederschlesien-Glogau; Ortenburg in Bayern. Schaunberg; Niederschlesien-Glogau; Ortenburg in Bayern; Braunschweig. Anjou-Ungarn; Ortenburg in Bayern. Hals; Niederschlesien-Glogau; Ortenburg in Kärnten.
  6. Vgl. z.B. Huschberg, Ortenburg, Tab. III, V; Ortenburg-Tambach, Gesamthaus 2 106f., 109, Anhang III 18.
  7. Hausmann, Wittelsbacher und Ortenburger 292-296; ders., Archiv, XXXII Nr. V/1.; ders., Grafen zu Ortenburg 24f.; 55 Anm. 384; zu den Ortenburgern vgl. Erhard, Topographie II,3 87. Hausmann geht in seiner Argumentation von den auf dem Grabmal dargestellten Wappen, v.a. dem angeblichen Wappen der Ortenburger in Kärnten, aus, welche in dieser Zusammenstellung erst im 16. Jahrhundert auftreten; darüber hinaus besteht keine Verwandtschaft zwischen den Ortenburgern in Kärnten und den Ortenburgern, vgl. Hausmann, Wittelsbacher und Ortenburger 294 und ders., Grafen zu Ortenburg 55 Anm. 384.

Nachweise

  1. UBM 2o cod. ms. 397, fol. 46r; Clm 1302, p. 89; BZAR Gen. 1279, Heft 1 p. 25; ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 168; StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 168; Krick, Stammtafeln Nr. 121 A, 267; Krick, Inschriften 7 Nr. II 6; Erhard, Geschichte II, 69; Schmid, Giselagrab 31; Kdm Passau 138f.; Fig. 94, 95; Ortenburg-Tambach, Gesamthaus 2, Anhang III 18; Halm, Plastik I, 73f.; Weber, Gedenktafeln 33f.; Hausmann, Wittelsbacher und Ortenburger 292.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 111 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0011100.