Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 67: Stadt Passau (2006)
Nr. 752 Domhof, Andreaskapelle vor 1605 August 17
Beschreibung
Epitaph für die Kanoniker Johann Karl Gienger von Wolfsegg und Johann Heinrich von Rohrbach1), an der Südwand des Chores neben der Tür zur Sakristei. Weißgrauer Marmor, Schriftfelder aus schwarzem Marmor. In der Mitte in einer oben halbrund abgeschlossenen Nische Relief Aufnahme Mariens in den Himmel und Krönung Mariens. Oben in Wolken in der Mitte Maria kniend, links von ihr Christus, rechts Gott Vater mit Weltkugel in der Hand sitzend, oben Heiliggeisttaube. Gottvater krönt gerade die Muttergottes. Unten das leere Grab und die Apostel, teils nach oben blickend, teils in den leeren Sarkophag schauend. Kopf des mittleren Apostels abgeschlagen. Auf der Stirnseite des Sarkophags am unteren Rand der Wölbung des Sarkophags folgend Künstlersignatur (V). Im Vordergrund die beiden Verstorbenen im Superpelliceum kniend, den Rosenkranz in Händen, zu den Füßen jeweils Buch und Birett links und rechts unten dem Betrachter zugekehrt. Außen reich mit Grotesken verzierter, breiter Rahmen. In den vier Ecken, in das Rahmenzierwerk integriert, vier Vollwappen. Inschriften auf eigenen, eingelegten ovalen Schriftfeldern im Rahmen. Oben von Engeln gehalten in Rollwerkkartusche (I), links und rechts kleines Medaillon auf halber Höhe (II, III), unten elliptische Schrifttafel in Leistenrahmen mit Blattwerkverziehrung (IV). Standort 1771 bereits im Chor auf der Epistelseite in der Wand. Kopf eines Apostels abgebrochen.
Maße: H. 145 cm, B. 103 cm, Bu. 4 cm (I), 1 cm (II, III, IV), 1,5 cm (V).
Schriftart(en): Kapitalis.
- I.
IE(SV)Sa) + M(A)R(I)Aa)
- II.
BENE=/DICAT. / NOS . DEVS . + / DEVS . + NOS/TER · BENE/DICAT . NOS / DEVSb) . +
- III.
NOS . / CVM . PRO=/LE . PIA . / BENEDI=/CAT . + . VIR=/GO . MA=/RIAb) .
- IV.
D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) / ANNO . D(OMI)NI . M . DC ⟨. Vc):⟩ DIE ⟨. 17c)⟩ MENS(IS) : ⟨AVGV(STI)c) :⟩ O(BIIT) REVERENDVS . AC . NOBILIS . DOMINVS . IOANNES . CA=/ ROLVS . GIENGER . A . WOLFFSÖGK . CANONICVS . ET . CVSTOS . HVI(VS) . CATHEDRALIS . ECCL(ESI)AE . PATAVIENSIS . / ANNO . D(OMI)NId) . M . DC . ⟨XIIc)⟩ DIE ⟨. 8c).⟩ MENS(IS) ⟨ FE(B)RVA(RII)c) ⟩ O(BIIT) REVERENDVS . ET . NOBILIS . DOMINVS . IOANNES . HENRICVS . / A . RORBACH . ECCL(ESI)ARVM . CATHEDRALIVM . PATAVIENSIS . ET . AVGVSTENSIS . CANONICVS . QVI . VT . IN . / VIVIS . CONIVNCTISSIMI . ERANT . NE . POST . MORTEM . DISIVNGERENTVR . IN . VIVIS . HOC / SIBI . MONVMENTVM . F(IERI) F(ECERVNT) QVORVM . ANIMAE . REQVIESCANT . IN . PACE . AMENb)2) .
- V.
CHR(ISTOPHORVS) M(V)R(RMANN)e) AVG(VSTENSIS)
Übersetzung:
Es segne uns Gott, unser Gott. Es segne uns Gott. (II)
Maria mit dem Kinde lieb, uns allen Deinen Segen gib. (III)
Gott, dem besten und größten. Im Jahre des Herrn 1605, am 17. Tag des Monats August3), starb der hochwürdige und edle Herr Johann Karl Gienger von Wolfsegg, Kanoniker und Custos dieser Kathedralkirche zu Passau. Im Jahre des Herrn 1612, am achten Tag des Monats Februar, starb der hochwürdige und edle Herr Johann Heinrich von Rohrbach, Kanoniker der Kathedralkirchen zu Passau und Augsburg. Damit sie, wie sie im Leben aufs Höchste verbunden waren, nach dem Tod nicht getrennt werden, ließen sie sich zu Lebzeiten dieses Denkmal herstellen. Ihre Seelen mögen in Frieden ruhen. Amen. (IV)
Christoph Murrmann aus Augsburg. (V)
Bibel- und Schriftstellerzitat(e):
- Ps 66(67), 7. (II) Benediktion der dritten Nokturn der Matutin (Mittwoch bis Samstag) des Officium parvum beatae Mariae virginis. (III)
Gienger von Wolfsegg4) | Rohrbach5) |
Haidenreich von Pidnegg6) | Ebran von Wildenberg7) |
Textkritischer Apparat
- Nomen sacrum; IHS mit Kürzungszeichen.
- Worttrenner in Form eines Punkts auf der Grundlinie.
- Die nachgetragenen Daten sind nicht golden angelegt.
- Kürzungszeichen fehlen.
- MR-Ligatur.
Anmerkungen
- Zu diesem vgl. Nr. 771 und Eichhorn, Beichtzettel 99f.
- Krick, der nur die Grabschrift selbst (IV) überliefert, fügt an dieser Stelle noch einen Satz hinzu, der sich aber nicht auf dem erhaltenen Original befindet: Qui passus es nobis. miserere nobis, vgl. Krick, Domstift 269.
- Sterbebuch Dom: 20. August 1605, vgl. Nebinger, Totenbuch 106 (vgl. dazu auch Nr. 735† Anm. 4).
- Si1 114.
- BayA1 107.
- BayA1 143.
- BayA1 33.
- Vgl. dazu Thieme/Becker 25, 287.
- Vgl. Krick, Domstift 68 und Eichhorn, Beichtzettel 231 Anm. 26.
Nachweise
- UBM 2o cod. ms. 397, fol. 48vf.; Clm 1302, p. 72f.; ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 65; StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 65; Krick, Domstift 268f. Nr. 149; Kdm Passau 154, Tafel XV; Fuchs, Standorte 324; Weber, Gedenktafeln 27–29; Kapsner, Passau 74f. (mit Abb.); Schmitz, Musikgeschichte Taf. IV.
Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 752 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0075209.
Kommentar
Das Epitaph ist ein Werk des Augsburger Bildhauers Christoph Murrmann8). Nach Auskunft der Grabinschrift ließen die beiden Kanoniker das Epitaph gemeinsam noch zu ihren Lebzeiten, also vor dem Ableben Giengers am 17. August 1605, anfertigen.
Johann Karl Gienger von Wolfsegg stammte aus einer schwäbischen Familie, die um 1550 mit Ritter Damian Gienger von Grienpichl nach Oberösterreich auswanderte. Sein Urgroßvater Hans Gienger stiftete in Ulm an der Donau das Giengersche Benefizium, das in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dessen Enkel Damian inne hatte. Die Eltern Johann Karls waren der Vizedom ob der Enns Cosmas Gienger zu Wolfsegg und Katharina Haidenreich von Pidnegg. Er wurde am 30. Dezember 1567 geboren, war nach Krick zwischen 1576 und 1583 Mitglied des Domkapitels zu Passau und fungierte als Custos9). Die Familie hatte in der Pfarrkirche zu Linz eine Begräbniskapelle, zu der er ein eisernes Gitter anfertigen ließ.