Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 727 Pfk. St. Paul, Marienkapelle 2. H. 16. Jh.

Beschreibung

Altaraufsatz an der Ostwand der Kapelle, bestehend aus Rotmarmorarchitektur mit polierten Kalksteinreliefs1). Oben gesprengter Dreiecksgiebel mit ovalem Kalksteinmedaillon Gnadenstuhl, darunter Architrav, heute inschriftenlos, darunter Altarretabel mit Inschriften in Kalkstein zwischen zwei vorgestellten Säulen aus scheckigem Stein mit Kalksteinkompositkapitellen, die Predella heute ebenfalls inschriften- und bildlos. Die Aufstellung entspricht der Beschreibung in Kdm (1919), ist aber vermutlich eine neue Rekonstruktion, da Högg die Tafel in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in einer Aufstellung ohne die Rotmarmorteile und das Medaillon mit dem Gnadenstuhl aufnahm und photographierte. Retabel mit Darstellung des Schicksals des Menschen unter Gesetz (Altes Testament) und Gnade (Neues Testament), unten auf einer Leiste Inschrift (I) mit dem Motto der Darstellung. Über das Relief verteilt kleine Schrifttäfelchen in Rahmen mit Rollwerk oder kleinen Ornamenten verziert und Schriftbänder. In der Mitte der Mensch auf einem Sarkophag sitzend vor dem Baum des Lebens, dessen linke Seite verdorrt ist, während die rechte Blätter trägt, am Stamm Schrifttafel mit Inschrift (II). Zur Linken des Menschen Moses auf einen Sarkophag mit Skelett auf die Schrifttafel am Baum deutend; zu Füßen des Moses Schrifttäfelchen mit Inschrift (III), an der Stirnseite des Sarkophags Inschrift (IV) und über dem Sarkophag Schrifttäfelchen mit Inschrift (V). Auf der rechten Seite, Moses gegenübergestellt, Johannes der Täufer, ein Buch in der Linken, mit der Rechten auf den Auferstandenen deutend, der, soeben dem Sarkophag entsteigend, den Tod zertritt, zu Füßen des Johannes Schrifttäfelchen mit Inschrift (VI), unterhalb und oberhalb des Sarkophags Schrifttäfelchen mit Inschrift (VII,VIII). Im Hintergrund links Szenen aus dem Alten Testament, denen rechts solche aus dem Neuen Testament gegenübergestellt sind. Ganz links außen Sündenfall, rechts Kreuzigung mit Titulus (IX), daneben rechts Lamm-Gottes-Darstellung, darunter Schrifttäfelchen mit Inschrift (X); links neben dem Baum Moses und die eherne Schlange (Num 21, 6–9), im Hintergrund das Lager der Israeliten, mit Beischrift auf Schriftband (XI), rechts gegenübergestellt Verkündigung an die Hirten, im Hintergrund Stadt, der Engel trägt ein leeres Schriftband2); ganz oben links in Wolkenkranz, Moses empfängt die Gesetzestafeln; rechts betende Frauengestalt, der ein Putto aus den Wolken ein Kreuz entgegenträgt, über ihr Schriftband mit Inschrift (XII). Schrift schwarz angelegt, restauriert.

Maße: H. 103 cm, B. 103 cm, Bu. 1,5 cm (I), 0,5–0,8 cm (II–XII).

Schriftart(en): Kapitalis.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/2]

I. Am unteren Rand des Reliefs:

  1. LEXa) PER MOISEN DATA EST GRATIA ET VERJTAS PER IESVM CHRISTVM DOMINVM NOSTRVMb) ·

Übersetzung:

Das Gesetz ist durch Moses gegeben, die Gnade und die Wahrheit durch Jesus Christus, unsern Herrn.

II. Schrifttafel am Lebensbaum:

  1. EGOa) MISER HOMO QVIS / LIBERABIT ME DE CORPO/RE, MORTIS GRATIA AV=/TEM DEI VITA AETERNA / IN CHRISTO IESV DOMINO / NOSTROc) · // ROM(ANOS)a) 6 CAP(ITVLO)d)

Übersetzung:

Ich unglücklicher Mensch. Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten? Die Gnade Gottes aber ist das ewige Leben in Jesus Christus, unserem Herrn. Römer 6. Kapitel.

III. Zu Füßen des Moses:

  1. VIRGOa) PARIET FILIVM / ET VOCABITVR NOM=/ENe) EIVS EMANVEL · / · ISAI(AS)f) · 7 · CAP(ITVLO)b)

Übersetzung:

Die Jungfrau wird einen Sohn gebären und sein Name wird Emanuel sein. Jesaias 7. Kapitel

IV. An der Stirnseite des Sarkophags, links:

  1. STIPENDIVMa) / ENIM PECCA=/TI MORS EST

Übersetzung:

Denn der Lohn der Sünde ist der Tod.

V. Über dem Sarkophag, links:

  1. VTa) IN ADAM OMNES / MORIVNTVRg) : ITA ET / IN CHRISTO OMNES / VIVIFICABVNTVRb) ·

Übersetzung:

Wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden.

VI. Zu Füßen Johannes des Täufers:

  1. EGOa) VOX CLAMANTIS / IN DESERTO DIRIGITE / VIAM DOMINIh) · IOAN(NES) I

Übersetzung:

Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn. Johannes 1.

VII. Unterhalb des Auferstandenen:

  1. · OZE(AS) · 13i) · / Oa) MORS ERO TVA / MORS ET MORS=/VS, TVVS INFERNEh) .

Übersetzung:

Hosea 13. O Tod, ich werde dein Tod sein, dein Biß oh Unterwelt.

VIII. Über dem Auferstandenen:

  1. VICTORIAk) .

Übersetzung:

Sieg.

IX. Auf dem Kreuz Titulus:

  1. · I · N · R · Ib) ·

X. Rechts neben dem Kreuz:

  1. ECCEa) AG=/NVS DEIb) ·

Übersetzung:

Seht, das Lamm Gottes!

XI. Links über dem Lager der Israeliten:

  1. LEXa) ENIM COGNITIO / PECCATI EST · ROM(ANOS)a) . 3h)

Übersetzung:

Das Gesetz aber bedeutet Erkenntnis der Sünde. Römer 3.

XII. Schriftband in der rechten oberen Ecke:

  1. GRATIA ET VERITAS · / · IOHA(NNES)a) 1b) ·

Übersetzung:

Gnade und Wahrheit. Johannes 1.

    Bibel- und Schriftstellerzitat(e): Io 1, 17; (I) Rm 7, 24f, Rm 6, 23; (II) Is 7, 14; (III) Rm 6, 23; (IV) 1 Cor 15, 22; (V) Io 1, 23; (VI) Os 13, 14; (VII) Io 1, 36; (X) Rm 3, 20; (XI) Io 1, 14 oder 17. (XII)

Kommentar

Zum Inschriftenträger bzw. zur Inschriftenart vgl. Einleitungskapitel S. LXII.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  3. Zeile durch Ausbuchtung des Rahmens geteilt; Zeile in verkleinerter Schrift.
  4. Angabe betrifft nur den zweiten Halbvers, der erste Halbvers ist Rm 7, 24; Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  5. Trennzeichen auf der Randleiste.
  6. Anfangsbuchstabe vergrößert; Zeile in verkleinerter Schrift.
  7. Zweites V zwischen T und R klein auf halbe Höhe gestellt.
  8. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Grundlinie.
  9. Zeile auf dem Rand der Tafel; Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  10. Anfangsbuchstabe vergrößert; Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Grundlinie.

Anmerkungen

  1. Nach Kdm Passau in das späte 16. Jahrhundert zu datieren.
  2. Zu erwarten wäre Gloria in excelsis Deo.

Nachweise

  1. Kdm Passau 296.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 727 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0072702.