Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 366 St. Johannis-Spital, Kirche 1514

Beschreibung

Grabplatte mit den Grabinschriften für Anna und Jörg Gartner (Nr. 366) und Katharina Gartner (Nr. 454), an der Südwand, im fünften Abschnitt von Westen, unterste Platte. Rotmarmor. Querrechteckige Platte, oben Gebet (Nr. 366,I), darunter Inschrift für Jörg und Anna (Nr. 366,II), darunter Wappen in Dreipass, in der letzten Zeile unter dem Wappen Hausmarke (?)1). Dem Wappen ausweichend Inschrift für Katharina Gartner (Nr. 454). Unterer Rand der Platte abgeschnitten. Ursprünglicher Standort unbekannt.

Maße: H. 59 cm, B. 140 cm, Bu. 6,5 cm (I, II).

Schriftart(en): Gotico-Antiqua.

© BAdW München, Inschriftenkommission [1/3]

  1. I.

    O Almechtiger Ewiger guetiger got Erparmea) Dichha) / genedigklichen über All gelaubig Sel Amenb)

  2. II.

    Jorg gartner ⟨– – –⟩ / Anna sein hausfraw starb am suntag nach · Sc) · Margret(e)ntag 1514d) d(er) got g(e)n(a)d

Datum: 1514 Juli 16.

Wappen:
unbekannt2).

Kommentar

Diese typische Gotico-Antiqua Gartners gehört der mittleren Phase an. Durch ihre bereits sehr gestreckten Buchstabenkörper bei g und d bewegt sie sich am Übergang zur Spätphase.

Der Aufbau der Platte wirkt ungewöhnlich. Auffallend ist das Querformat und der die Inschrift einleitende Gebetsspruch, Elemente, die in der Passauer Inschriftenlandschaft in dieser Zeit selten anzutreffen sind. In diesen Merkmalen ähnelt die Platte der Inschrift für Wolfgang Käser und seine Ehefrau3), die ebenfalls von Gartner stammt. Die Tatsache, dass die Grabinschrift (II) sehr gedrängt wirkt, und auch das Formular für Gartner, das nur seinen Namen und keine ausführliche Inschrift nennt, legen den Gedanken nahe, dass die Platte zunächst anders konzipiert war. Man muss daher berücksichtigen, dass die beiden Inschriften (I und II) mit einer zeitlichen Differenz ausgeführt wurden4).

Das Wappen entspricht nicht dem eigentlichen Wappen Gartners5). Das Wappen dieser Inschrift erinnert an das Zunftwappen der Maler (drei Schilde, 2:1), das durch einen Spatel ergänzt wurde. Gartners persönliches Wappen ist schräggeviert mit je einem Stern in jedem Feld. Es wurde ihm offensichtlich erst nach der Herstellung der Grabplatte verliehen und findet sich auf einem Siegel an einer Urkunde von 15206), in der Gartner als Siegler auftritt. Hieraus kann man schließen, dass Gartner der gehobenen Bürgerklasse angehörte.

Textkritischer Apparat

  1. Versuch der Verbesserung einer Verschreibung, evtl. zunächst Erpam, weitere Haste für m eingefügt, dann Dich entsprechend überarbeitet, daher heute zwei h.
  2. Es folgt ein geschwungener Balken auf der Zeilenmitte, beidseitig begleitet von zwei bogenförmig ausgezogenen Quadrangeln.
  3. Worttrenner in Form eines Quadrangels auf der Zeilenmitte.
  4. Über dem Wort got hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Marke: Schaft mit oberer, hinterer Schlinge, Auszug der Schlinge durchkreuzt, unten vordere Schlinge.
  2. Drei Schilde, 2:1 gestellt, dazwischen ein liegender Spatel.
  3. Vgl. Nr. 369.
  4. Zur Schrift vgl. Einleitungskapitel S. XLVIII.
  5. Vgl. zum Wappen und zu daraus resultierenden Informationen zur Person Gartners: Schmid, Wappen passim.
  6. BHStA Passau St. Nikola 1520 Apr. 10.

Nachweise

  1. ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 56; StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 56; Kdm Passau 473, Fig. 394; Halm, Plastik I, 249f., Abb. 232; Högg, Gartner 56–60; Liedke, Gartner Abb. 25; Epp, Inschriften 86f., Abb.1.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 366 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0036601.