Inschriftenkatalog: Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 483 Bückeburg, Jetenburger Kirche 1615

Beschreibung

Grabplatte für Hermann Solinander. Stein. Die hochrechteckige Platte ist vom Westeingang aus gesehen als vierte Platte im Mittelgang der Kirche auf der rechten Seite in den Fußboden eingelassen. Sie zeigt im oberen und unteren Bereich je zwei annähernd runde Medaillons mit Wappen. Inschrift A läuft erhaben in vertiefter Zeile um die Platte um. In der Mitte der Platte die Inschrift B erhaben in einem vertieften Schriftfeld. Die Inschriften sind stark abgetreten, so dass hier keine sichere Lesung geboten werden kann; einige der Ergänzungen in eckigen Klammern sind Konjekturen.1) An der oberen rechten Langseite und im unteren Drittel der linken Langseite wurden Stücke neu eingesetzt, möglicherweise Teile einer Grabplatte.

Maße: H.: 202 cm; B.: 118 cm; Bu.: 6 cm.

Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. A

    [ - - - 5] 6 [ . . ]N[ - - - VI]R CLAR[ - - - / - - - O]CTISSIMVS ET EXE[ . . ]ENTISSIMVSa) H[E]RMANNVS / · SOLINANDER ME[D]ICINAE / E[T] CHYRV[RGIAE DO]CTOR [ - - - ]

  2. B

    SI · ME[DI]CVS M[EDIC]A[S] IPS[VM] / SERVARE PER · AR[TE]Sb)S[E] Q[ . . . . ET] / PROPRIA · PELLERE [ . . . . ] MAN[ . ]c) /FVNERE · SOLNAND[R]VM NO[N] / ERIPVISSET · ACERBO S[V . ] V[ . . . . . ]d) / VITAE · GERMINE · PARC[ . . . . . ]O[ . ]e) /NVNC · IACET · ERNESTV[S] · SIB[I QVEM] / COMES · INCLYTVS · AVLAE · LEG[ERAT] / ARCHIATRVM · CONTVMVLATVS H[ . . . ]f) /ARS · VBI · NVNC · PRAESTANS · V[BI / NOMEN AB]g) · ARTE PARATVM · SEQV[ANA] / [QV]O BIBIT[V]R SIDERE QVOQV[E] [PADVS]2) / [ . . . ] · NIHIL · EST CONSTANS · [ . . . . . . . . / . . . ] EXTAT · IN HORTIS[ - - - ]Nh) / [AD]VERSVS MORTIS AM[ARITIE]Mi)

Übersetzung:

1615 (?) […] starb der hochberühmte, hochgelehrte und hervorragende Doktor der Medizin und Chirurgie Hermann Solinander […] (A)

Wenn der Arzt sich durch die ärztlichen [?] Künste selbst retten und mit eigener Hand den Tod vertreiben könnte, hätte […] [?] Herrn Solinander nicht in einem bitteren Tod entrissen […] Lebenskeim […] Jetzt liegt der, den sich der berühmte Graf Ernst zum Hofarzt gewählt hatte, in der Erde [?] begraben. Wo ist jetzt die hervorragende Kunst? Wo ist jetzt der Ruhm [?], den er sich durch die Kunst verschafft hat? Unter welchem Stern lebt er jetzt noch an der Seine, und unter welchem am Po? […] Nichts ist beständig […] gibt es in den Gärten ein Heilmittel [?] gegen die Bitterkeit [?] des Todes. (B)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Wappen:
Hermann Solinander?3)?5)
?4)?6)

Kommentar

Leicht schrägliegende Kapitalis; die Buchstaben sind dicht aneinandergedrängt, was durch häufige Ligaturen noch begünstigt wird. Die Versanfänge werden durch Versalien kenntlich gemacht. Der rechte Schrägschaft des verhältnismäßig schmalen V ragt über die Oberlinie hinaus. Ausgeprägte Sporen an C und S.

Hermann Solinander stammte aus Lemgo (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen) und immatrikulierte sich im Sommer 1601 sowohl an der Universität Wittenberg7) als auch an der Universität Helmstedt,8) wo er 1604 als Student der medizinischen Fakultät aufgenommen wurde.9) In der Folgezeit führte er seine Studien mit finanzieller Unterstützung von Graf Ernst von Holstein-Schaumburg10) auch im Ausland fort. 1608 schrieb er sich an der Universität Padua ein,11) im Folgejahr an der Universität Paris. Von dort schrieb er einen Brief an Graf Ernst, in dem er ihn vom Tod seines Kommilitonen Börries Dietrich von Münchhausen,12) eines Sohnes des Claus von Münchhausen (vgl. Nr. 350) in Kenntnis setzte. Am 24. Juni 1610 wurde der mittlerweile in Basel13) zum Doktor der Medizin und der Chirurgie promovierte Solinander zum Leibarzt des Grafen berufen.14) Er starb, wenn Prinz’ Lesung der Inschrift korrekt ist, im Jahr 1615. Nachdem ein weiterer Leibarzt des Grafen, Hermann Conerding, 1620 Bückeburg verlassen hatte,15) wurde Johann Steinmeier diese Stellung übertragen, der jedoch noch im selben Jahr verstarb (Nr. 509).

Textkritischer Apparat

  1. CLAR[ - - - / - - - O]CTISSIMVS ET EXE[ . . ]ENTISSIMVS] wohl zu ergänzen zu CLAR[ISSIMVS DO]CTISSIMVS ET EXE[LL]ENTISSIMVS.
  2. SI · ME[DI]CVS M[EDIC]A[S] IPS[VM] / SERVARE PER · AR[TE]S] Ergänzung von Prinz.
  3. S[E] Q[ . . . . ET] / PROPRIA · PELLERE [ . . . . ] MAN[ . ]] Möglicherweise zu ergänzen zu: S[E] Q[VEAT ET] / PROPRIA · PELLERE [FATA] MAN[O] (versehentlich statt MANV; der letzte Buchstabe lässt Reste eines Bogens erkennen).
  4. V[ . . . . . ]] Möglicherweise V[IRIDI] (so Prinz).
  5. PARC[ . . . . . ]O[ . ]] Möglicherweise zwei Wörter, das erste davon PARCA. An der Stelle könnte jedoch auch die Bezeichnung einer Krankheit stehen.
  6. H[ . . . ]] Vermutlich H[VMO].
  7. V[BI / NOMEN AB]] Ergänzung von Prinz.
  8. [ - - - ]N] Möglicherweise PHARMACON.
  9. AM[ARITIE]M] Ergänzung von Prinz.

Anmerkungen

  1. Für Hilfe beim Konjizieren danke ich Fidel Rädle (Göttingen) und Wilfried Stroh (München). Der von Prinz, Grabdenkmäler, S. 41 gebotene Ergänzungsvorschlag ist an manchen Stellen metrisch stark fehlerhaft.
  2. Seine und Po stehen für die Studienorte Solinanders, Paris und Padua (s. den Kommentar).
  3. Wappen Hermann Solinander? (Äskulapstab).
  4. Wappen ? (Hausmarke H26).
  5. Wappen unkenntlich (vgl. bereits Prinz, Grabdenkmäler, S. 41).
  6. Wappen ? (Hausmarke H27).
  7. Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 481, Sp. a, Z. 30f. (Eintrag vom 10. Juli 1601).
  8. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 156 (Nr. 11; Eintrag vom 21, Juni 1601).
  9. Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 174. Prinz (Grabdenkmäler, S. 42) hält es für möglich, dass er ein Nachfahr der Ärzte Johann Solinander und Reiner Solinander aus Büderich war.
  10. Prinz, Grabdenkmäler, S. 42.
  11. Matrikel Padua, S. 139, Nr. 1160.
  12. Von Lenthe/Mahrenholtz, Stammtafeln Münchhausen, Teil II, S. 122, Nr. 286.
  13. Matrikel Padua, S. 139, Nr. 1160.
  14. Prinz, Grabdenkmäler, S. 42.
  15. Prinz, Grabdenkmäler, S. 38.

Nachweise

  1. Prinz, Grabdenkmäler, Nr. 17, S. 40f.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 483 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0048308.