Inschriftenkatalog: Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 440 Möllenbeck, Kloster 1607

Beschreibung

Fenstergewände. Stein. Im Nordflügel des Gebäudes in Raum 32 des Obergeschosses am östlichen Fenster. Das Graffito A ist vierzeilig in die gewölbte Fläche des unteren Fensterrahmens eingeritzt und zu beiden Seiten durch eine getreppte, eingeritzte Linie gerahmt. Als Worttrenner Quadrangeln in Kontur. Das Graffito B ist auf der Fensterbank oberhalb der Inschrift A eingeritzt. Rechts von Inschrift B weitere Einzelbuchstaben, die sich nicht identifizieren lassen.

Maße: Bu.: 1,4–1,6 cm (A), 3 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. A

    SIMON VASTELABVSa) · / LEMGOVIENSIS . / ANNO . / 1607 .

  2. B

    HERMANVS [ - - - ]

Übersetzung:

Simon Vastelabend aus Lemgo im Jahr 1607. (A)

Kommentar

Simon Vastelabus (Fasteleben, Vastelabend) war ein Sohn des um 1549 in Lemgo (Kreis Lippe, Nordrhein-Westfalen) geborenen Hermann Vastelabus, der zu den ersten Lehrern der neu gegründeten Schule im Stift Möllenbeck gehörte.1)

Hermann Vastelabus hatte in Wittenberg studiert2) und an der Universität Rostock am 7. April 1579 den Magistergrad erworben.3) Er wurde von dem Prior Hermann Wening als Lehrer nach Möllenbeck berufen. Später wurde er Erzieher des Grafen Ernst von Holstein-Schaumburg, den er 1584 an die Universität Helmstedt begleitete.4) Nach seiner Rückkehr nach Lemgo 1593 wurde er Konrektor an der dortigen Lateinschule. 1610 wurde Hermann Vastelabus Professor für Beredsamkeit und Dichtkunst am Gymnasium in Stadthagen und leitete bis 1620 auch die dortige Druckerei. 1610 hielt er eine der Eröffnungsreden für die von Graf Ernst zum Gymnasium illustre erhobene Lateinschule in Stadthagen.5) Auch nach der Erhebung des Gymnasium illustre zur Universität und ihrer Übersiedelung nach Rinteln war Vastelabus dort an der Philosophischen Fakultät als Professor tätig.6)

Hermann Vastelabus trat insbesondere durch eine breit gefächerte Herausgebertätigkeit hervor. 1591 edierte er De institutione Principis Christiani des Erasmus von Rotterdam zum Gebrauch der Grafen zur Lippe.7) 1596 und erneut 1612 gab er eine Neuedition von Johannes Murmellius’ Enchiridion scholasticorum heraus, einem Werk, in dem christliche Bildungs- und Tugendvorstellungen mit humanistischen Bildungsansprüchen verbunden werden.8) 1604 veröffentlichte er eine Neuausgabe der Briefe des türkischen Sultans Mahommed II., 1610 eine lateinische Auswahlübersetzung aus den Werken des griechischen Philosophen Theophrast.9)

Hermann Vastelabus starb am 17. April 1622 in Rinteln.10) Eine in Strieders Gelehrtengeschichte erwähnte Grabinschrift ist nicht erhalten.11)

In welcher Beziehung sein Sohn Simon Vastelabus zum Stift Möllenbeck stand, ist ungeklärt. Er verfasste ein Lobgedicht auf den Subprior Conrad Hoier (zu ihm Nr. 555) für dessen 1612 erschienene Versus Biblici Antiquiores.12) Im März 1613 immatrikulierte er sich an der Universität Rostock, wo er im Januar 1615 über ein juristisches Thema disputierte.13) Zusammen mit seinem Vater war er als Buchdrucker tätig.14)

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen VAS und TELABVS eine Fehlstelle im Stein.

Anmerkungen

  1. Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 129; Honselmann, Zwei frühe Drucke aus Lemgo, S. 57; Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet: auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 51), Wiesbaden 2007, S. 548.
  2. Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 214 (Eintrag vom 6. Mai 1572).
  3. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 198.
  4. Hermann Vastelabus immatrikulierte sich zusammen mit Graf Ernst und Hans von Ditfurth (Nr. 415) am 18. Oktober 1584 an der Universität Helmstedt (Matrikel Helmstedt, Bd. 1, Abt. 1, S. 47); vgl. Honselmann, Zwei frühe Drucke aus Lemgo, S. 57; Paulus, Geschichte des Möllenbecker Klosters, S. 187, Anm. l; B. Bei der Wieden, Außenwelt und Anschauungen Ludolf von Münchhausens, S. 22.
  5. Honselmann, Zwei frühe Drucke aus Lemgo, S. 57–59.
  6. Hänsel, Catalogus Professorum Rinteliensium, S. 67, Nr. 117.
  7. Desiderii Erasmi Roterodami De Institutione Principis Christiani, seu optimi magistratus simulacro libellus verè aureus, sed publicè diu non visus. Nunc vero in gratiam juniorum Comitum Lippiensium […] restitutus: studio M. Hermanni Vastelabi Lemgoviensis, Lemgo 1591.
  8. De officiis liberorum, parentum et praeceptorum libellus aureolus: Olim Ab auctore Joanne Murmellio sub titulo Enchiridii scholasticorum editus. Nunc […] restitutus studio M. Hermanni Vastelabi Lemgoviensis, Lemgo 1596. – Enchiridion Scholasticorum, Quondam a Clarissimo Viro Joanne Murmellio confectum. Continet enim officia docentium & discentium literas honestas & liberales. At Studio M. Hermanni Vastelabi Emendatius luci & Scholis restitutum, Stadthagen 1612. Zum Enchiridion vgl. Des Johannes Murmellius pädagogische Schriften, übers., erl. u. eingel. von Joseph Freundgen (Sammlung der bedeutenden pädagogischen Schriften aus alter und neuer Zeit, Bd. 18), Paderborn 1894.
  9. Honselmann, Zwei frühe Drucke aus Lemgo, S. 58f. Weiteres ist in VD16 und VD17 nachgewiesen.
  10. Hänsel, Catalogus Professorum Rinteliensium, S. 67; Honselmann, Zwei frühe Drucke aus Lemgo, S. 60.
  11. Strieder, Gelehrten-Geschichte, Bd. 16, S. 281; er zitiert daraus auf Deutsch die Altersangabe: „im 73 Jahr seines Alters“. Es jedoch gut möglich, dass die Grabinschrift auf den Universitätsangehörigen Vastelabus in lateinischer Sprache abgefasst war.
  12. Honselmann, Zwei frühe Drucke aus Lemgo, S. 56; vgl. Erik Leibenguth, Hermetische Poesie des Frühbarock. Die ‚Cantilenae intellectuales‘ Michael Maiers, Tübingen 2002, S. 519.
  13. Matrikel Rostock, Bd. 3, S. 12, Nr. 60. – Collegii Reg. Iur. Disputatio Quinta Ex Famosissima L. Contractus 23. Desumpta Quam … discutiendam & examinandam proponit Simon Vastelabus Lemgoviensis Westph. Habebitur disputatio 12. Kalend. Februar. horis locoq[ue] consuetis, Rostock 1615.
  14. Reske, Buchdrucker (wie oben Anm. 1), S. 548.

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 440 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0044003.